Verteilung über Stadtviertel Dänemarks umstrittene Maßnahme gegen Ghettobildung 

Verteilung über Stadtviertel  / Dänemarks umstrittene Maßnahme gegen Ghettobildung 
Dänemarks Sozialisten unter Premierministerin Frederiksen fahren eine harte Linie in der Migrationspolitik Foto: AFP/Mads Claus Rasmussen

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Dänemark wird von Sozialdemokraten regiert – die aber eine ungewöhnlich harte Einwanderungspolitik verfolgen. Ein jüngster Vorstoß brüskiert nun aber die Konservativen.

Vollsmose, ein Viertel der dänischen Großstadt Odense – hier dominieren Bausünden aus den Siebzigerjahren, langgestreckte Wohnblocks in Betongrau, aufgelockert durch Satellitenschüsseln. Das Straßenbild wirkt südländisch, siebzig Prozent der Einwohner haben einen Migrationshintergrund.

Dies soll sich nun ändern. Dänemark will eine Obergrenze von 30 Prozent bis 2030 für „nicht-westliche“ Bewohner in den Vierteln größerer Städte umsetzen. „Wir haben die nächsten zehn Jahre Zeit, um ein Gleichgewicht in unserer Integrationspolitik zu schaffen und zu regeln, wie wir zusammen leben und arbeiten“, kündigte Kaare Dybvad Bek an, der Innenminister des sozialdemokratisch regierten Landes, der auch für die Wohnpolitik zuständig ist.

Betroffen sind 100.000 Menschen in 15 Vierteln, eingeteilt in 58 Distrikte, die unter die Kategorie „Ghetto“ fallen, ein Begriff, den der Innenminister nun meiden will. Der 36-Jährige spricht lieber von Gebieten mit einem „anwachsenden Risiko von religiösen und kulturellen Parallel-Gesellschaften“.

Drei Kriterien

Gemeint sind damit Viertel, wo mindestens zwei von vier Kriterien zutreffen: eine Arbeitslosenquote über 40 Prozent, mehr als 60 Prozent der 39- bis 50-Jährigen ohne höhere Bildung, eine Kriminalitätsrate, die dreifach über dem Landesdurchschnitt liegt, und ein Bruttoeinkommen, das sich unter 55 Prozent des Schnitts befindet.

Die bisher laut angedachten Maßnahmen: Wohnungsbewerber für gewisse Viertel haben Bildungsstandards zu entsprechen und eine Beschäftigung vorzuweisen. Auch soll per Verordnung Kommunen untersagt werden, Personen, die nicht aus EU-Staaten stammen, einen Wohnraum zuzuweisen. Zudem gebe es die Möglichkeit, öffentlich finanzierte Gebäude mit Sozialwohnungen einzureißen.

„Als Kommunismus durch die Hintertür“, bezeichnet Heidi Bank, Sprecherin der liberal-bürgerlichen Partei „Venstre“, die Idee, gegebenenfalls Vermietern Menschen mit Migrationshintergrund aufzuzwingen, wozu „kriminelle Clans“ gehören könnten. Ansonsten begrüßt die Partei, die bis 2019 regierte, die Pläne der Regierung, gegen Parallelgesellschaften vorzugehen.

Vermieter zur Aufnahme von Migranten zu zwingen, findet wiederum den Beifall der „Einheitsliste“, einer der drei kleinen Linksparteien, die die sozialdemokratische Minderheitsregierung stützt. Der Gesetzesvorschlag muss noch im Parlament verabschiedet werden.

Liste der Ghettos

Nicht immer spielen die Linken bei den Planspielen der Regierung mit. So stoppten sie ein Projekt von Gesundheitsminister Magnus Heunicke. Dieser wollte in Vollsmose Anfang März eine Zwangsisolierung und Zwangstestung der Bewohner durchziehen, da sich in dem Migrantenviertel Covid-19 besonders stark verbreitet hatte.

Vollsmose wird übrigens offiziell als „hartes Ghetto“ gekennzeichnet. Seit 2010 gibt es in Dänemark eine sogenannte „Ghetto-Liste“ mit problematischen Stadtteilen, deren Kategorisierung sich im Laufe der Zeit wandelte, sie wird immer im Dezember aktualisiert. Aufgrund einer rückläufigen Kriminalität hat die Regierung Frederiksen die Viertel 2020 von 28 auf 15 reduziert, davon gelten fünf als „hart“.

Als hart gelten auch Dänemarks Sozialdemokraten europaweit bezüglich ihrer Migrationspolitik. Mette Frederiksen hat 2014 bis 2015 als Justizministerin gewirkt und so nach eigener Auskunft eine strengere Einstellung zur Ausländerpolitik bekommen. Dabei ist der Anteil an Ausländern im Vergleich mit anderen westeuropäischen nicht hoch – elf Prozent der 5,8 Millionen in Dänemark haben einen Migrationshintergrund, davon kommen 58 Prozent aus „nichtwestlichen“ Ländern.