Von unserem Korrespondenten Frederic Spohr
Die kleinen Malediven rücken immer näher an China, jetzt ist Präsident Abdulla Yameen auf Staatsbesuch in der Volksrepublik. Die wirtschaftliche Abhängigkeit nimmt zu. In Indien betrachtet man das mit großer Sorge, auch aus militärischen Gründen.
Es ist nur der Präsident eines kleinen Landes, der in diesen Tagen in China ist. Und dennoch wird man den Staatsbesuch in Indien ganz genau beobachten. Der Staatschef der Malediven, Abdulla Yameen, schüttelt derzeit viele wichtige Hände in China. Auch ein Treffen mit Chinas Präsident Xi Jinping steht auf der Agenda: In der Volksrepublik mit mehr als 1 Milliarde Einwohnern nimmt man sich viel Zeit für die Gäste von dem kleinen Atoll, auf dem gerade mal eine halbe Million Einwohner leben.
In Indien stößt das auf Argwohn. Denn die Malediven mögen wirtschaftlich unbedeutend sein, doch die Inseln mitten im Indischen Ozean liegen an zahlreichen Schifffahrtsrouten und sind deswegen geostrategisch wichtig. Indische Politiker befürchten, dass der Einfluss der Chinesen auf der Insel noch weiter zunehmen könnte. Erst vergangene Woche reagierte Indien deswegen geschockt, als die Malediven im Eiltempo ein Freihandelsabkommen mit China durch das Parlament peitschten. Dabei hatten die Malediven versprochen, zuerst einen Handelsabkommen mit Indien zu beschließen.
Machtkampf um einen Kontinent
Doch die Dominanz der Chinesen im Indischen Ozean wächst immer weiter. Vor allem mit ihrer Seidenstraßen-Initiative investieren die Chinesen in Häfen, Industrieanlagen und Pipelines. Das Kapital fließt in Staaten wie Myanmar, Sri Lanka, Bangladesch und Pakistan – Indiens Nachbarn. Das alles zu einer Zeit, in der die Spannungen zwischen China und Indien ohnehin wachsen. Erst am Donnerstag beklagte sich China darüber, dass eine indische Drohne in seinen Luftraum eingedrungen sei.
Es geht um nicht weniger als die Vorherrschaft in Asien – und bisher hat China dank seiner prall gefüllten Kassen klar die Nase vorn. Auch auf den Malediven ist China längst der wichtigste Geldgeber. Rund zwei Drittel der Direktinvestitionen stammen aus der Volksrepublik. Die Chinesen finanzieren außerdem eine wichtige Brücke zwischen dem Flughafen und der Hauptinsel für hunderte Millionen Dollar. Auch der Flughafen selbst wird derzeit von chinesischen Unternehmen modernisiert. Bezeichnenderweise wurde dafür ein Vertrag mit einer indischen Firma aufgelöst.
Doch auch die maledivische Abhängigkeit steigt, schon jetzt haben die Kredite ein bedrohliches Ausmaß erreicht. 70 Prozent ihrer Auslandsschulden haben die Malediven in China – und entsprechend groß ist der Einfluss. Fraglich ist auch, ob die Schulden für die Riesenprojekte je zurückgezahlt werden können. Die Opposition warnt schon jetzt vor einer Schuldenfalle. Das Handelsabkommen sei „eine Schade“ und „nicht im Interesse der Malediven“, warnte Ex-Präsident Mohamed Nasheed, der sich derzeit im Asyl in London aufhält.
Indien fürchtet chinesische Militärstützpunkte
Dass die Angst nicht unbegründet ist, zeigt der Blick nach Sri Lanka. Die Insel hat bereits Schwierigkeiten, die zahlreichen Aufbauhilfen der Chinesen zurückzuzahlen. Mittlerweile wird die Volksrepublik ausbezahlt, indem sie Anteile von strategisch wichtigen Projekten erhält, beispielsweise am Tiefseehafen Hambantota.
Sowohl in Indien als auch in Sri Lanka wird befürchtet, dass China den Hafen auch militärisch nutzen könnte. China hat garantiert, das nicht zu tun. Doch eine chinesische Militärbasis in direkter Nachbarschaft wäre ein Albtraum für indische Generäle – genauso wie ein Stützpunkt der Volksrepublik auf den Malediven.
Zum Autor
Frederic Spohr ist Handelsblatt-Korrespondent und berichtet seit 2012 aus Indien und Südostasien. Er arbeitete bereits für die Capital, die Wirtschaftswoche, den Stern und das SZ Magazin. Er berichtet aus Bangkok.
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