Neuer Schlag für britische Regierung: Innenministerin Rudd gibt auf

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Wieder hat die britische Premierministerin May ein Kabinettsmitglied verloren: Innenministerin Rudd. Ist sie nur ein Bauernopfer?

Nach dem Rücktritt der britischen Innenministerin Amber Rudd droht der Regierung in London eine tiefe Krise. Die konservative Politikerin galt als eines der talentiertesten Kabinettsmitglieder. Als EU-freundliche Politikerin war sie besonders wichtig als Gegengewicht zu den Brexit-Hardlinern, um den Kurs beim Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union abzustecken.

Rudd war am späten Sonntagabend wegen ihres Verhaltens im Skandal um Einwanderer aus ehemaligen britischen Kolonien in der Karibik zurückgetreten. Nach Informationen des Senders BBC sollte noch an diesem Montag bekanntgegeben werden, wer ihren Posten übernimmt. Ein Regierungssprecher wollte sich auf Anfrage dazu nicht äußern.

Mehrere Nachfolger im Gespräch

Als Nachfolger der 54-jährigen Politikerin gehandelt werden unter anderem Umweltminister Michael Gove, Gesundheitsminister Jeremy Hunt, der für Kommunen zuständige Minister Sajid Javid und der frühere britische Nordirland-Minister James Brokenshire.

Rudd war für ihre widersprüchlichen Aussagen zur Windrush-Generation scharf kritisiert worden. So werden karibische Einwanderer bezeichnet, die zwischen 1948 und 1971 auf Einladung der Regierung in London als Arbeitskräfte nach Großbritannien kamen. Die Generation ist nach einem Schiff benannt, das die ersten Immigranten brachte.

Etliche dieser Einwanderer und ihre Nachfahren hatten später Probleme, ihr Aufenthaltsrecht nachzuweisen, weil sie keine Dokumente bekommen hatten. Ihnen wurde mit Abschiebung gedroht, Sozialleistungen und medizinische Behandlungen wurden verweigert. May entschuldigte sich dafür, Rudd stellte den Betroffenen britische Pässe und Entschädigungen in Aussicht.

Feindliches Klima für Einwanderer geschaffen?

Die Opposition warf der Innenministerin aber Ahnungslosigkeit vor. Zum Verhängnis wurde ihr, dass sie zunächst abgestritten hatte, von Abschiebequoten gewusst zu haben. Kritikern zufolge führte diese Arbeitsweise dazu, dass neben illegalen Einwanderern auch die Mitglieder der Windrush-Generation ins Visier der Behörden gerieten.

Auch die Premierministerin steht wegen des Windrush-Skandals stark in der Kritik. Die Labour-Partei hält May vor, sie selbst habe in ihrer Zeit als Innenministerin ein feindliches Klima für illegale Einwanderer geschaffen – und damit auch den Boden für den Windrush-Skandal bereitet. Rudd müsse nun das ausbaden, was May eingebrockt habe. Labour-Politikerin Diane Abbott bezeichnete May als «Architektin der Krise». Viele sehen Rudd als Bauernopfer.

Streit um Zollunion

Seit einer Schlappe bei einer von ihr ausgerufenen Neuwahl im vergangenen Sommer regiert May nur noch mit hauchdünner Mehrheit. Sie ist für Revolten von allen Seiten anfällig; das bekommt sie auch beim Brexit zu spüren. Großbritannien wird im März 2019 aus der EU ausscheiden. May will einen klaren Bruch mit Brüssel: Das Land soll demnach den EU-Binnenmarkt und die Zollunion verlassen.

Dagegen formiert sich im Parlament aber immer mehr Widerstand. Viele Politiker – auch in den Reihen der Konservativen – möchten die Zollunion beibehalten. Auf diese Weise wollen sie auch eine feste Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland verhindern. Die ehemalige Bürgerkriegsregion gilt als sehr fragil.

Mit Rudd verliert May eine wichtige Stütze in der Regierung. Sie könnte sogar gefährlich für die Premierministerin werden und die Brexit-Kritiker in den Reihen der Konservativen anführen.

May vor Stimmungstest

Ein Stimmungstest im Land steht May an diesem Donnerstag bei den Kommunalwahlen bevor. Vom jüngsten Skandal könnte Labour profitieren. Britische Medien sagen May eine «desaströse Woche» voraus.

Es ist der fünfte Rücktritt seit der Neuwahl im vergangenen Juni. Verteidigungsminister Michael Fallon und Vize-Regierungschef Damian Green hatten nach Belästigungsvorwürfen ihre Posten aufgegeben. Beide waren ebenfalls Vertraute von May. Entwicklungshilfeministerin Priti Patel trat zurück, weil sie sich ohne Absprache im Israel-Urlaub mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu getroffen hatte.

Nur ein Rücktritt war nicht von einem Skandal ausgelöst worden: Brokenshire hatte sein Amt als britischer Nordirland-Minister wegen einer Erkrankung aufgegeben. Ihm geht es inzwischen wieder gut.