LuxFilmFest-PreisverleihungVon Viggo und dem Kino als Form von Widerstand

LuxFilmFest-Preisverleihung / Von Viggo und dem Kino als Form von Widerstand
Das iranische Regieduo Asgari/Khatami heimste den Grand Prix by Orange ein  Foto: Editpress/Tania Feller

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Zwei Veranstaltungen dominierten am Wochenende die Filmwelt. Einerseits die Oscars am gestrigen Abend (wir kommen in unserer morgigen Printausgabe darauf zurück), anderseits die Preiszeremonie des Luxembourg City Film Festivals. Große Gewinner des Abends war die luxemburgische Koproduktion „Terrestrial Verses“. Der Film der iranischen Filmemacher Ali Asgari und Alireza Khatami erhielt nicht nur den mit 10.000 € dotierten Grand Prix by Orange, sondern auch den FIPRESCI-Preis der internationalen Kritik.

Am vorgestrigen Samstagabend, dem zweitletzten Festivaltag, lud das LuxFilmFest auf seine traditionelle Awards Ceremony ins Multiplex-Kino auf Kirchberg ein. Pünktlich um 19 Uhr – wenn man die zwanzigminütige Verspätung nicht berücksichtigt – betraten die sichtlich geschlauchten Festivalleiter Alexis Juncosa und später Gladys Lazareff die Bühne, um die Feierlichkeiten loszutreten. Ein großer Vorteil der Awards Ceremony des LuxFilmFests ist die Tatsache, dass sie in der Regel keine vier Stunden dauert, wie die Zeremonie letzte Nacht in Übersee.

Einen Hauch Hollywood ließ sich das Festival aber natürlich nicht nehmen. Schauspieler und Filmemacher Viggo Mortensen hob den Glanz- und Gloria-Faktor ins Unermessliche und stellte seinen letzten, selbst inszenierten Spielfilm „The Dead Don’t Hurt“ vor. Einen Western, dessen „tête d’affiche“ er sich mit Vicky nationale Krieps geteilt hat. Solange Krieps in den USA Filme zu machen vermag, sind die Abschlussfilme des LuxFilmFests für die nächsten zwanzig Jahre auf jeden Fall garantiert. Zuerst musste Mortensen jedoch eine Hommage auf seine Person von Marktschreier und Filmkritiker (z.B. in Positif, Canal+ und Radio France) Philippe Rouyer über sich ergehen lassen, die sich vor allem darauf reduzierte, biographische Eckdaten und Rouyers früheren Job bei der „Semaine de la critique“ zu benennen. Abschließend gab der eigentliche Ehrengast des Festivals, Gaspar Noé, eine nette Anekdote bezüglich Viggo Mortensens Spanischkenntnissen zum Besten.

Wieder einmal: der Iran

Wie schon oben angemerkt, ist der eigentliche Gewinner des Festivals wieder einmal das iranische Kino. „Terrestrial Verses“ des Regieduos Ali Asgari und Alireza Khatami heimste gleich zwei Preise ein. Jean-Pierre Thilges von der FIPRESCI-Jury merkte an, dass er zwar schon oft Teil einer Jury war, die Entscheidung aber noch nie so schnell gefallen war wie dieses Mal. Die anderen Juroren des Presse-Preises waren Yun-Hua Chen und Marco Lombardi. Dass FilmkritikerInnen und Jurys einer Meinung sind, ist im Festivalbetrieb eigentlich die Ausnahme und nicht die Regel. Die von US-Filmemacher Ira Sachs („Passages“, „Little Men“) präsidierte Jury war es aber, und übergab den beiden in Luxemburg anwesenden Iranern den Grand Prix by Orange. Wie so oft unterstrich Sachs in seiner kurzen Laudatio den Film und allgemein die Macht des Kinos als Form des Widerstands gegenüber repressiven Strömungen im zeitgenössischen Iran. Ein großartig gemachter Film, der trotz seiner Fragen gegenüber Macht und Autorität eine außergewöhnliche Leichtigkeit an den Tag bringe, so Ira Sachs. „Terrestrial Verses“ ist von der von Cyrus Neshvad betriebenen Cynefilms ko-produziert. Sonst in der internationalen Jury vertreten: Drehbuchautorin Nathalie Hertzberg, die SchauspielerInnen Vicky Krieps, Sebastian Koch und Arnaud Valois sowie die Produzentin Marianne Slot und Filmemacher Damiàn Szifron.

Viggo Mortensen und Vicky Krieps
Viggo Mortensen und Vicky Krieps Foto: Editpress/Tania Feller

Das VR-Projekt „The Fury“ der iranischen Filmemacherin Shirin Neshvat erhielt eine „mention spéciale“ der Jury, die sich die Helme und Kopfschmerzen für die Erfahrungen in der Kategorie Virtuelle Realität zugemutet hatte. Dieser Film thematisiert die Lebensrealitäten von sexuell ausgebeuteten weiblichen politischen Gefangenen im Iran. „Mentions spéciales“, besondere Erwähnungen, gab es in diesem Jahr eine ganze Menge. Die internationale Jury vergab gleich zwei weitere. Eine an den Spieler Kauan Alvarenga für seine Hauptrolle im brasilianischen Film „Toll“, eine weitere für die mutige und furchtlose Inszenierung von „Hoard“ an Luna Carmoon.

Die bewegende Schwesternschaft des Dokumentarfilms „Reas“, so die Doku-Jury, bewegte sie dermaßen, dass sie den Dokumentarfilm-Preis an den Film von Lola Arias vergab. Auch in dieser Kategorie gab es eine „mention spéciale“: an den Film „Hollywoodgate“, der anscheinend das Blut gefrieren lässt und von allen gesehen werden sollte.

20.000 Besucher

Zum dritten Mal in Folge wurde außerdem der 2030 Award by Luxembourg Aid and Development vergeben, der dieses Mal an einen weiteren Film aus dem Dokumentarfilm-Wettbewerb ging („Los Reyes del Mundo“). Der Publikumspreis hingegen ging an einen Spielfilm mit formal dokumentarischen Anschlag – „Gasoline Rainbow“ der Brüder Bill und Turner Ross. In dem Film macht sich eine Gruppe von Jugendlichen mit einem Van auf den Weg aus ihrer Pampa-Heimat von Oregon an die Westküste der USA. Die 14. Ausgabe des Luxembourg City Film Festival ist somit zu Ende, und ehe nächstes Jahr zu einer Geburtstagsausgabe eingeladen wird – vom 6.-16. März –, kann man in der Zwischenzeit ja auch in sein SUV steigen und von der Hesperinger Pampa nach Knokke-Heist fahren. Übrigens: Die Verantwortlichen konnten einen Zuschauerandrang von 20.000 Menschen verzeichnen, was ein Plus von 10% gegenüber vom letzten Jahr bedeutet. Der Besucherrekord vom prä-pandemischen 2018, mit etwas über 30.000 Besuchern, bleibt noch in weiter Ferne.

Der sprachversierte Schauspieler und Filmemacher Viggo Mortensen am Rednerpult
Der sprachversierte Schauspieler und Filmemacher Viggo Mortensen am Rednerpult Foto: Editpress/Tania Feller