Viel Getöse um fast nichts

Viel Getöse um fast nichts
(Tageblatt/Isabella Finzi)

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Referenda, so sagen manche, führten zu einer Stärkung der Demokratie. Die Bürger würden direkt beteiligt, könnten mitentscheiden und mitgestalten.

n Wirklichkeit ist der Rückgriff auf Referenda eher ein Zeichen von Flucht aus der Verantwortung, von Mangel an politischer Gestaltungskraft, von Schwäche also. Die Volksbefragung steht eher für eine Scheinbeteiligung und -mitbestimmung und sie kann höchstens eine künstliche Belebung zeitigen. Sie ist eine Art Ablenkungsmanöver und ein Pannendienst, wenn allzu viel Sand ins politische Getriebe gekommen ist. Schlimmer noch, sie kann zu einem Werkzeug der politischen Manipulation und Demagogie werden: man leitet das Volk dorthin, wo man es haben möchte, wobei man ihm das Gefühl gibt, dass es selbst bestimmt. Das Referendum soll ein Gefühl der Sättigung erzeugen, obwohl es meistens keine gehaltvolle Speise bietet. Wenn das politische System ausgelaugt ist, können Plebiszite keinerlei Stärkung bewirken.

Wie können die Ja-Befürworter von einem Plus an Demokratie reden, wenn die Regierung, die sich ja heftig für das Ja eingesetzt hat, im Falle, wo sie desavouiert würde, dennoch keinerlei ernsthafte Konsequenzen aus der politischen Niederlage ziehen würde.

Wenn die Regierung davon überzeugt ist, dass das Referendum ein nützliches Instrument der politischen Mitbestimmung ist, wieso hat sie da nicht wirklich wichtige Fragen für die zukünftige Gestaltung des Landes unterbreitet? Z.B. ob Monarchie, mag sie nun konstitutionell oder parlamentarisch genannt werden, vereinbar ist mit Demokratie; ob Wohlstand in Zukunft eher durch Nischen, Lücken und Schlitzohrigkeit oder durch harte und ehrliche Arbeit erwirtschaftet werden soll; ob man der Reproduktionsmedizin Grenzen ziehen soll; welche Rechte man Tieren in der Verfassung zusichern sollte; wie man zu den Fragen des Umgangs mit den Noch-nicht-Geborenen stehen sollte und mit den am Ende ihres Lebens Stehenden. Eigentlich aber sollten solche Fragen ernsthaft debattiert werden, in den Parteiprogrammen deutlich dargestellt und mit den urtümlichen Mitteln der parlamentarischen Demokratie entschieden werden.

Die Referenda sind eine Flucht ins Zweitrangige, ins Triviale, sie spiegeln die säkulare Angst der Bürger, nicht nur der politischen Klasse, vor jeglicher intellektueller Auseinandersetzung und somit die geistige Misere des Landes wider, den horror intellectus, die Lethargie, den Eskapismus, den Vulgärhedonismus.

Die Art, wie diese Befragungen organisiert werden, reflektiert den weiteren Verfall der politischen Kultur. Man kann sich wundern, dass niemand auf den Gedanken gekommen ist, ein Referendum abzuhalten zur Frage, ob das Wahlrecht verkauft werden kann oder sogar die Staatsbürgerschaft – wie dies Malta mit reichen Nicht-EU-Bürgern praktiziert – und somit ein zusätzlicher Obolus für die klammen Staatskassen ergattert werden könnte. Die Referenda vom 7. Juni sind überflüssig wie ein Kropf. Sie wirken noch lächerlicher, wenn man sieht, von wem die Debatten geführt werden, wie sich selbst ernannte politische Missionare in die Brust werfen. Dieser Berg mag noch so sehr kreißen, er wird nicht einmal eine Laus gebären.