ÖsterreichSalzburger Koalition mit Rechtspopulisten als Vorspiel für Neuauflage in Wien?

Österreich / Salzburger Koalition mit Rechtspopulisten als Vorspiel für Neuauflage in Wien?
Es wird befürchtet, dass die ÖVP den Rechtspopulisten und FPÖ-Parteichef Herbert Kickl nach den Wahlen im Herbst kommenden Jahres zur Kanzlerschaft verhelfen könnte Foto: dpa/APA/Helmut Fohringer

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Nach Ober- und Niederösterreich legt sich die ÖVP nun auch in Salzburg mit den Rechtspopulisten ins Koalitionsbett. Das neue Techtelmechtel mit der FPÖ gefällt freilich nicht allen Christdemokraten.

Ein klarer Fall von Adenauer’scher Amnesie: Wilfried Haslauer kümmert sein Geschwätz von gestern nicht. Im Wahlkampf hatte der Salzburger ÖVP-Landeshauptmann noch den größten FPÖ-Gegner gegeben, kein gutes Haar an Parteichef Herbert Kickl und dessen Salzburger Statthalterin Marlene Svazek gelassen. Nach dem Debakel bei der Landtagswahl im April und dem daraus resultierenden Aus seiner „Dirndlkoalition“ mit Grünen und Liberalen hätte er durchaus Optionen ohne FPÖ. Ein Bündnis mit der sich geradezu anbiedernden SPÖ hätte zwar nur eine hauchdünne Mehrheit im Landtag, wäre aber unter Einbeziehung der Grünen ausbaufähig gewesen.

Nachdem sich Haslauer dermaßen als Kickl-Fresser inszeniert hatte, galt als geradezu ausgeschlossen, was er am Freitag präsentierte: Seinen Pakt mit der einst verteufelten FPÖ. Vergessen ist seine Warnung, dass „Svazek Kickl im Gepäck“ habe. Die 31-Jährige FPÖ-Landeschefin wird nun Vize-Landeshauptfrau. Sie mag im Umgang freundlicher sein als Kickl, ist aber als stellvertretende FPÖ-Chefin eine der engsten Vertrauten des blauen Radikalinski, der – inspiriert von Viktor Orban – aus Österreich ein zweites Ungarn machen möchte. Kickl ist also in Svaceks Gepäck. Wilfried Haslauer wusste das vor der Wahl, „Konrad Haslauer“ kümmert das nun nicht mehr.

Braune Flecken, na und?

Seiner Parteifreundin Johanna Mikl-Leitner war es ähnlich ergangen. Auch die niederösterreichische Landeshauptfrau wurde nach dem ÖVP-Debakel bei der Landtagswahl Ende Jänner vom Adenauer-Syndrom befallen und vergaß ihre tiefe Abneigung gegen FPÖ-Landeschef Udo Landbauer, mit dem sie nie und nimmer eine Koalition eingehen wollte. Dessen schlagende Burschenschaft „Germania“ hatte 2018 mit einem Liederbuch mit rassistischen Texten wie „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million“ für einen Skandal gesorgt. Inzwischen ist Landbauer Landeshauptfrau-Stellvertreter und kein Hahn kräht auch mehr danach, dass der FPÖ-Landtagsabgeordnete Andreas Bors einmal beim Hitlergruß fotografiert wurde.

Salzburg ist nun das dritte Bundesland, wo die ÖVP mit der FPÖ regiert. In Oberösterreich erschütterte nicht einmal der Ibiza-Skandal, der 2019 die türkis-blaue Bundesregierung sprengte, die seit 2015 bestehende Koalition mit der FPÖ. Mehr als ein Drittel aller Österreicher lebt mittlerweile unter ÖVP-FPÖ-Regierungen.

Und bald vielleicht wieder alle Österreicher. Eine Neuauflage der vor vier Jahren gescheiterten Koalition steht im Raum, auch wenn die ÖVP Kickl derzeit für nicht paktfähig erklärt. Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) etwa verteidigt die neue Salzburger Koalition, betont aber zugleich, dass eine Koalition mit der FPÖ auf Bundesebene „nicht denkbar“ sei.

Kanzler Kickl?

Die Erfahrung lehrt das amnesische Potenzial der Politik im Allgemeinen und der ÖVP im Besonderen nicht zu unterschätzen. Wenn es um den Machterhalt geht, könnte auch die Kickl-Kröte bei der ÖVP einen Schluckreflex auslösen. Manchen Christdemokraten wird jedoch beim Gedanken daran speiübel. Andrea Kdolsky etwa fand es mit Blick auf die Salzburger Koalition „schade, dass man nicht zweimal aus einer Partei austreten kann“. Die ehemalige ÖVP-Gesundheitsministerin hatte ihrer Partei schon wegen der Koalition in Niederösterreich den Laufpass gegeben. Ein weiterer ÖVP-Promi wird folgen, sollte nach der spätestens im Herbst 2024 anzusetzenden Nationalratswahl eine neue Ibiza-Koalition kommen: „Dann ist das nicht mehr meine Partei“, kündigte der frühere EU-Agrarkommissar Franz Fischler für diesen Fall seinen Parteiaustritt an. Und er droht mit einer Abspaltung: „Das wäre der Beginn einer neuen konservativen Partei.“

Auch andere ehemalige ÖVP-Granden machen aus ihrer Ablehnung der FPÖ kein Geheimnis. Die Ex-Politiker, die nichts mehr werden können oder wollen, eint offenbar eine Immunität gegen das Adenauer-Syndrom. Die aktive Riege ist davor nicht gefeit. Eine Ibiza-Koalition 2.0 daher nicht ausgeschlossen, wenn auch wohl eher mit umgekehrten Vorzeichen: Derzeit liegt die Kickl-FPÖ in allen Umfragen weit vor ÖVP und SPÖ auf Platz eins. Es geht also nicht nur um die Frage, ob die ÖVP mit Kickl koaliert, sondern, ob sie ihn zum Kanzler macht …

Jill
29. Mai 2023 - 10.50

Vielleicht sollte mal thematisiert werden wieso immer mehr Menschen in Österreich „Rechts“ wählen? Dazu liest man ja nicht soviel in der Presse. Dass dann der Wählerwille dieser „mündigen“ Bürger respektiert wird, nennt man wohl Demokratie und sollte der Sinn von Wahlen sein (oder wieder werden!!).

Grober J-P.
29. Mai 2023 - 9.19

Freund Herbert aus Innsbruck ist besorgt, auch die ÖVP in Tirol beginnt sich nach dem Wind zu drehen. Mancher hält es mit der FPÖ die da meint die Pandemie in Ischgl wäre ohne "Niederländer" zu vermeiden gewesen.