P wie Pipapo

P wie Pipapo
(dpa/Symbolbild)

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Komisch, dass es Wörter gibt, von denen man nichts über ihre Herkunft weiß. Pipapo ist so eines. Man sagt, dass es „Drum und Dran“ bedeute. Alles andere steht in den Sternen.

Selbst Kluge ist bei Pipapo mit seinem Latein am Ende. Da lobe ich mir ein Wort aus der unmittelbaren Nachbarschaft wie beispielsweise Plagiat. Da ist man sich ganz sicher, woher es kommt. Aus dem Griechischen (plágios = unredlich, hinterlistig, versteckt) soll es abgeleitet worden sein. Wen wundert es heute noch, dass die Griechen auch beim Plagiat ihre Hände im Spiel hatten. Bei den Griechen fing ja praktisch alles an. Vorher hatte man sich mit Mimik und Gebärden verständigt oder unartikulierte Laute von sich gegeben. Mir schwebt dabei immer eine Art Lummerland vor, wo vorzugsweise gelallt wurde – dafür aber mit allem Pipapo.

Wer lallt, ist von Pipapo nicht allzu weit entfernt. Wir kennen das von Kleinkindern, wenn sie nach ihrer Lallphase allmählich zu sprechen anfangen und einzelne Wörter artikulieren, die leicht zu wiederholen sind. Väter bilden sich in der Regel eine Menge darauf ein, sobald aus dem Mund ihres Sprösslings eine Lautfolge hervorströmt, mit der sie sich nicht nur als Erzeuger ausweisen, sondern unter Umständen auch noch einen Sympathievorsprung gegenüber der Mutter zuguteschreiben können. Bei Mimi oder Momo gerät Mama allerdings in keine Verlegenheit. Das sieht bei Papa schon ganz anders aus. Da guckt das entzückende Kind in das Gesicht des überglücklichen Vaters, der erwartungsfroh mit seinen eingeübten Faxen auf das Sesam-öffne-dich-Wort für seine elterliche Vorrangstellung wartet; und alles, was er zu hören bekommt, ist eine Lautverschiebung, mit der ihm das übervolle Herz in die Hose rutscht. Das wird natürlich geflissentlich ignoriert und nötigenfalls so zurechtgebogen, bis der Text wieder stimmig ist. „Hast Du gehört, was unser Schatz zu Dir gesagt hat?“ „Ach was! Pipapo!“ Ein Mann ist eben immer noch ein Mann. Nur etymologisch hat man daraus bislang kein Kapital geschlagen, obwohl spätestens seit den seligen Zeiten von König Peter vom Reiche Popo jedem die Nähe von Erbauung und Verdauung geläufig sein dürfte.

Vielleicht sollte man sich aber unter Pipapo ein großes weißes Blatt vorstellen, das vollgeschrieben werden will, für das man jedoch keine Buchstaben mehr herauszubringen braucht. Zwischen Deckeln gefasst, wäre Pipapo so ein Buch, das unbedruckt bliebe und doch über nichts als nur sich selbst sprechen würde. Pipapo wäre ein auf Unendlichkeit angelegtes Buch, eines, das keine Versprechen geben müsste, weil es sich niemals versprechen würde. Pipapo wäre immer und zu jeder Zeit mit sich identisch, wir könnten in Pipapo hineinlesen, was uns gerade gefiele, ohne Netz und doppelten Boden. Der Deutungswahn hätte dann endlich ein Ende. Alles, was über unsere Lippen käme, wäre Pipapo. Man müsste nur noch sagen: „Ich habe Pipapo gelesen“, und schon wäre jeder im Bilde – und das, obwohl niemand wüsste, worum es denn bei Pipapo eigentlich genau ginge. Großartige Vision der Reduktion! Was Gugel uns im Überfluss liefert, bis wir uns in der Endlosschleife der Info-Fluten verlieren, wäre bei Pipapo in einem einzigen Wort verdichtet. Und dann flöge von diesem Wort das ganze verkehrte Wesen fort. Ist das nicht herrlich romantisch?

Drehen wir es einmal andersherum: Pipapo macht es sich schön einfach. Sagt, er sei eine Art Platzhalter, könne sich Einzelheiten ersparen usw. Mache nicht viel Aufhebens von sich, sehe auch gar keinen Sinn darin, sich den Rücken krumm zu machen etc. pp. Wer denn das alles überhaupt wissen wolle, interessiere doch ohnehin kein Schwein. Nichts als Wortmüll und Blabla. Fertig, aus! Soweit Pipapo. Andere haben da eine andere Sicht der Dinge. Man muss nur Jim fragen und Paul, die wissen es besser. Paul sagt, denkt nicht an Pipapo, geht einen Schritt weiter zurück und denkt an Huhediblu und die Septemberrosen, denkt auch daran, dass, wenn heute ein Mensch zur Welt kommen würde, er, spräche er von dieser Zeit, „nur lallen und lallen“ dürfte, „immer-, immer- / zuzu.“

Und jetzt kommst Du: Pipapo!