Fondation KräizbiergHenri Grethen und die Suche nach konstruktiven Lösungen

Fondation Kräizbierg / Henri Grethen und die Suche nach konstruktiven Lösungen
Suche nach einer konstruktiven Lösung: Henri Grethen ist Präsident des Verwaltungsrates der „Fondation Kräizbierg“. Es geht ihm an erster Stelle um das Wohl der behinderten Mitarbeiter und Mitbewohner der sozialen Einrichtung. Heute kommt der Verwaltungsrat zu einer Sitzung zusammen. Foto: Editpress/Tania Feller

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Die „Fondation Kräizbierg“ steckt in der Krise. Henri Grethen, Präsident des Verwaltungsrates der Stiftung, will da raus und setzt dabei auch auf externe Unterstützung. An erster Stelle geht es dem früheren Minister und Mitglied des Europäischen Rechnungshofs um die behinderten Mitbewohner und Mitarbeiter der sozialen Einrichtung. Deren Wohlbefinden hat er vorrangig vor Augen, wenn er nach konstruktiven Lösungen sucht. Dass die Lage ernst ist, versteckt er nicht im Tageblatt-Gespräch. Er spricht von einer Notsituation. Um die geht es auch heute, wenn der Verwaltungsrat der Stiftung zusammenkommt – begleitet von einer Protestaktion des OGBL.

Tageblatt: Sind Sie noch immer froh, Präsident des Verwaltungsrates der „Fondation Kräizbierg“ zu sein?

Henri Grethen: Ja, ich bin immer noch froh, diesen Posten zu bekleiden, mache mir zurzeit aber Sorgen.

Warum?

Wegen der Schwierigkeiten, in denen wir uns befinden. Ich höre von der einen Seite und höre von der anderen Seite. Ich möchte mir aber gerne ein komplettes und neutrales Bild von der Situation machen. Deshalb haben wir als Verwaltungsrat in unserer letzten Sitzung beschlossen, eine Art Audit machen zu lassen, einen neutralen Außenstehenden zu beauftragen, auszuloten, was Sache ist, wer recht oder wer unrecht hat. Aufgrund dessen wollen wir kurzfristig Entscheidungen treffen.

Jetzt drückt die Gewerkschaft in einer Pressemitteilung eine gewisse Ungeduld aus. Das Dossier mit den Beanstandungen würde den Mitgliedern des Verwaltungsrates seit Monaten vorliegen. Dieser soll, so der OGBL, nicht „outsourcen“, sondern selber seine Verantwortung übernehmen. Wie stehen Sie dazu?

Es ist das Recht der Gewerkschaft, das einzufordern.

Ist es falsch?

Jein, wenn ich das so ausdrücken darf. Wir sind bereits zu Beginn der Corona-bedingten Einschränkungen mit Beanstandungen befasst worden. Offiziell erhielten wir Ende Juni einen Brief von der Gewerkschaft, in dem kurzfristig ein Treffen angefragt wird. Dieses Treffen hat dann auch mit einer Delegation des Verwaltungsrates stattgefunden. Diese Delegation hat anschließend die Direktion der Stiftung um eine Stellungnahme gebeten, was dann auch geschehen ist. Als Verwaltungsrat haben wir dann am 14. September eine Sitzung des Verwaltungsrates einberufen. Dort haben wir eine Reihe Vorschläge gemacht, die zu einer Lösung beitragen können. Ich habe auch die Pressemitteilung der Gewerkschaft gelesen. Da wird zum Beispiel gefordert, Vertreter des Personals als stimmberechtigte Mitglieder in den Verwaltungsrat aufzunehmen. Das lassen unsere Statuten aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu. Deshalb haben wir vorgeschlagen, die Leute vom Personal als Beobachter aufzunehmen.

Glauben Sie noch an ein gutes Ende auf Kräizbierg?

Ich hoffe immer noch, dass wir Lösungen finden. Besonders im Interesse unserer Mitarbeiter und Mitbewohner mit einer Beeinträchtigung. Meinem Gefühl nach liegt das Problem aber weniger in den Wohnstrukturen als vielmehr in den Werkstätten der Stiftung.

Könnten Sie sich ein Gespräch mit den Leuten vorstellen, die sich bisher mit ihren Problemen nicht verstanden fühlen?

Selbstverständlich bin ich dazu bereit, ein offenes Gespräch zu führen. Ich kann diesen Menschen auch garantieren, dass ein solches Gespräch keine negativen Konsequenzen für sie mit sich bringen würde.

Diese Leute haben Angst, wollen eigentlich nur Ruhe …

Lassen Sie mich etwas dazu sagen. Wir haben zwei Arten von Mitarbeitern. Die mit einer Beeinträchtigung, die haben für mich Priorität. Ich kann und will nicht zulassen, dass einer von denen schlecht behandelt wird. Bei den Betreuern sage ich, dass die einem Kollektivvertrag unterliegen. Mit Rechten und Pflichten. Auch sie sollen mit Würde behandelt werden. Mobbing würde ich nicht zulassen. Ich muss dazu aber auch sagen, dass es eine Direktion gibt und hinter dieser stehe ich. Wenn diese Direktion zum Beispiel Maßnahmen zur Reorganisation trifft, die mir einleuchten, dann trage ich die mit.

Sie sind aber nicht immer präsent auf Kräizbierg, bekommen also auch nicht unbedingt alles mit …

Das stimmt. Ich bin nicht im Tagesgeschäft der Fondation.

Darum kümmert sich Jeannot Berg. Er ist Administrateur délégué. Wie kam er zu diesem Posten?

Als sein Vorgänger John Schummer angekündigt hat, in Rente zu gehen, hat Jeannot Berg sich gemeldet. Er war zu dem Zeitpunkt bereits im Verwaltungsrat. Weil er das Haus seit langem kennt, waren die Kollegen aus dem Verwaltungsrat und ich der Meinung, dass das eine gute Lösung sei. Vor allem, weil es nicht so einfach ist, einen geeigneten Mann für diesen Posten zu finden.

Haben Sie die 400 Seiten gelesen, welche die Personalvertretung zusammengetragen hat?

Ja. Es gibt darin von allem. Ich habe auch die Stellungnahme des Direktors gelesen.

Aber wenn Sie das gelesen haben, was ist Ihr Eindruck?

Der Ton macht die Musik. Aber das Schreiben der Direktion war nicht dazu gedacht, an die Öffentlichkeit zu gelangen. Wenn mir einer gesagt hätte, dass es veröffentlicht wird, hätte ich gesagt, dass es anders formuliert werden müsse.

Hätte anders formuliert werden müssen

Henri Grethen, Präsident des Verwaltungsrats der Fondation Kräizbierg

Die Institution hätte doch aber Besseres verdient?

Es ist nicht an mir, das jetzt öffentlich zu bewerten. Wir sind jetzt in einer Notsituation, wir werden von der Gewerkschaft gedrückt, um die Situation zu klären. Der Verwaltungsrat arbeitet daran, aber dessen Mitglieder machen das ehrenamtlich und haben noch andere Verpflichtungen. Das heißt, dass es auch für die Mitglieder des Gremiums nicht einfach ist, Daten zu finden, wo alle zusammenkommen können. Deshalb dauert einiges auch etwas länger. Ich verstehe, dass das zu Irritationen führen kann, dass es einigen nicht schnell genug geht oder dass andere finden, der Verwaltungsrat würde sich nicht intensiv genug mit der Sache beschäftigen. Das ist aber nicht der Fall, das kann ich versichern.

Unserem Gespräch entnehme ich, dass es Ihnen nicht darauf ankommt, Köpfe rollen zu sehen?

Richtig. Der Verwaltungsrat und ich werden weitere Gespräche mit der Direktion führen, um einen konstruktiven Weg einschlagen zu können.

Wie müsste dann eine Stiftung wie Kräizbierg geführt werden, damit sie gut funktioniert?

Die Fondation Kräizbierg steht im Dienste der Behinderten. Der Mitbewohner und der Mitarbeiter. Diese Menschen müssen mit ganz viel Fingerspitzengefühl und Respekt behandelt werden. Das ist eine noble, aber nicht ganz einfache Aufgabe. Die Arbeit, die von den Betreuern geleistet wird, würde ich nicht hinkriegen.

Anmerkung der Redaktion

– Heute Donnerstag um 17 Uhr kommt der Verwaltungsrat zusammen. Erster Punkt auf der Tagesordnung sind die beim letzten Treffen am 14. September vorgeschlagenen Lösungsansätze.
– Ab 16.30 Uhr veranstaltet der OGBL eine Protestaktion auf dem Gelände des Kräizbierg.
– Das Interview mit Henri Grethen haben wir am vergangenen Freitag aufgezeichnet.