EditorialEin Jahr Krieg und kein Ausweg in Sicht

Editorial / Ein Jahr Krieg und kein Ausweg in Sicht
Ein ukrainischer Soldat in Bachmut – aus der Weltordnung ist innerhalb eines Jahres eine Weltunordnung geworden Foto: AFP/Yasuyoshi Chiba

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Fassungslos und hilflos. Anders lässt sich das Gefühl schlecht beschreiben, das aufkam, als vor einem Jahr die ersten Bilder aus der Ukraine zu uns durchdrangen. Zu sehen an jenem Morgen waren russische Kampfhubschrauber auf ihrem Weg Richtung Kiew, auf dem die russische Armee in der Stadt Hostomel einen Flugplatz besetzen sollte, um die ukrainische Hauptstadt einzunehmen. In die Geschichte wird dieser 24. Februar 2022 eingehen als der Tag, an dem Wladimir Putin den Krieg nach Europa brachte. Der russische Präsident wollte die Ukraine innerhalb von drei Tagen unterwerfen, sein Eigen machen.

Inzwischen sind 365 Tage vergangen, der Krieg dauert an, Frieden ist nicht in Sicht. In diesem Kriegsjahr sind Hunderttausende gestorben, allein auf russischer Seite sollen nahezu 200.000 Soldaten getötet oder verletzt worden sein, auf ukrainischer Seite dürften es mehr als 100.000 sein. Die von kleinen, Granaten abwerfenden Drohnen aufgenommenen Bilder, die inzwischen zu uns kommen, zeigen krepierende Männer in Schützengräben, in Artilleriefeuer verbrennende Panzer. Bilder der Agonie und des Todes, mit dem Russland die Ukraine überzogen hat. Der Frontverlauf in der Ukraine ist an verschiedenen Stellen zum Fleischwolf geworden. Es sind Bilder, die an Verdun erinnern, an den Ersten Weltkrieg.

Diese verschwendeten Leben kommen noch hinzu zur fürchterlichen Bilanz auf ziviler Seite mit Tausenden toten Kindern, Frauen und Männern und Millionen, die auf ihrer Flucht alles zurücklassen mussten. Krieg ist Hölle, immer.

Putin deutet derweil weiter die Geschichte um. Er rechtfertigt diese monströse Brutalität, indem er die Geschichte selbst zur Waffe macht, vom ewigen Kampf gegen „Nazis“ redet, der jetzt in der Ukraine weitergeführt werde. Auch im Westen, auch in Luxemburg finden sich Menschen, die Putins Propaganda bereitwillig Glauben schenken. Ob es aus antiamerikanischem Reflex geschieht oder aus einem Vertrauensverlust in die Demokratie, ist dabei einerlei. Schockierender ist diese Verrohung, die sich im offensichtlichen Abhandensein von Mitgefühl mit den Menschen in der Ukraine ausdrückt.

Die Waffen, die der Westen liefert, dienen der Ukraine zur Selbstverteidigung, sie haben nicht den Zweck, den Krieg zu verlängern, sondern der Ukraine ein Überleben als Staat zu ermöglichen. Die Ukraine setzt diese Waffen auf eigenem Boden ein, um sich gegen Invasoren zur Wehr zu setzen, die mit dem Ziel in das Land eingefallen sind, dieses auszulöschen. Putin und seine Propagandisten haben das selbst immer wieder gesagt und niedergeschrieben.

Alle wollen Frieden, vor allem die Menschen in der Ukraine, aber auch der Waffen liefernde Westen. Jeder normal denkende und fühlende Mensch will Frieden. Doch auch ein Jahr nach Kriegsbeginn gibt es nur eine Person, die den Frieden tatsächlich bringen könnte. Das ist Putin, doch das will er nicht. Also wird der Krieg weitergehen. Wie lange, kann niemand sagen. Aus der Weltordnung ist innerhalb eines Jahres eine Weltunordnung geworden. Die Fassungslosigkeit und auch die Hilflosigkeit sind ein Jahr nach Kriegsbeginn geblieben. 2022 dürfte nicht das letzte Schreckensjahr gewesen sein.

Romain
24. Februar 2023 - 23.14

Wenn der Staat kommen würde um ihnen ihr Heim wegzunehmen, was würden Sie machen? Kampflos hinnehmen oder sich dagegen wehren! Wenn Luxemburg von einem anderen Diktator Staat eingenommen würde und müsste sich derjenige Regeln und Gesetze unterwerfen, was würden Sie dann tun?

Buxdihude
24. Februar 2023 - 15.46

@ Bux / Wieder ein Kommentar in die Bux gegangen. O.m.G.

Bux /
24. Februar 2023 - 15.32

@ Peace now / warum in Berlin und nicht in Moskau?

Peace now
24. Februar 2023 - 13.35

@Phil Guter Kommentar, Sie sollten in Berlin einen Vortrag halten. Morgen!

Bux /
24. Februar 2023 - 11.20

„Ohne Putins Aktionen rechtfertigen zu wollen“…., schon mit diesem Satz beginnt Ihre Rechtfertigung. Ersetzen Sie den Begriff „Aktionen“ durch Aggressionen und das Bild des Schachspiels fällt in sich zusammen.

Vjatscheslaw
24. Februar 2023 - 11.13

@ Phil / Genau so ist es. Klar, einfach und verständlich erklärt.

Nomi
24. Februar 2023 - 10.55

Russesch an Ukrainesch ass net di selwescht Sprooch. Zum gro'ussen Deel versteht deen Een net waat den Aaneren seet !

jojoschmi66
24. Februar 2023 - 10.29

"Schon wieder rollen deutsche Panzer gegen russische Soldaten" (Putin, Ende Februar 2023) Das verspricht. Sein Feindbild hat sich demnach erweitert. Allerdings von der Nato und EU so provoziert. So lange Selenski siegen will, wird es weitere Eskalationen geben, weiter Zerstörung, weitere Tote, weiteres Leid. Selenski und Putin müssen verhandeln! Wer es weniger will ist inzwischen gewusst. Sollte die Ukraine "gewinnen" und Putin das Gesicht verlieren, dann wir dieser auf den Knopf drücken. Bei Ostwind.

Beobachter
24. Februar 2023 - 9.30

China schlägt Waffenstillstand vor, doch die Weltgemeinschaft wird zu weiteren Waffenlieferungen animiert.Und Selenskyj verkündet schon den Sieg der Ukraine....Welch ein Schwachsinn.

Phil
24. Februar 2023 - 9.00

Die Geschichte hat hergegeben, das die Ursache des 24. Februar 2022 sehr komplex ist. Das wird aber praktisch nie erwähnt, oder wird sogar negiert. Ohne Putins Aktionen rechtfertigen zu wollen, ist es ähnlich wie in einem Langzeit-Schachspiel - viele durchgeführte, nicht immer richtige Züge, haben zu der aktuellen Situation geführt. Nun ist der Krieg auf einer Ebene angelangt in der es ohne Verhandlung nicht mehr geht. Es ist nicht korrekt, dass Putin nicht verhandeln will. Doch solange Selensky den Waffen liefernden Westen im Rücken hat, schlägt er alle Verhandlungsannäherungen aus. Als vormaliger Warschauer Pakt Staat ist die Ukraine in ihrem inneren Wesen dem Osten immer noch näher als der EU und einer Nato. Sie sprechen die gleichen Sprache und haben bis dato die gleichen Waffen. Leider hat sich der Westen durch Entscheidungen von verschiedene Politikern in diesen Konflikt hineinmanövriert und ist tiefer reingerutscht als anfanglich gewollt. Die aktuellen Massnahmen wirken eskalierend und fachen das Feuer, ähnlich eines Blasebalgs, durch die irrsinnigen Waffenlieferungen nur weiter an. Ist es seitens von Europa noch irgendwie idealistisch begründet fällt es einem nach dem Besuch Bidens schwer an einen kurzfristigen Frieden zu glauben. "The interests of the United States shall always be assured".