Terrorprozess in BrüsselDas Mastermind fehlt, ein Angeklagter schweigt

Terrorprozess in Brüssel / Das Mastermind fehlt, ein Angeklagter schweigt
Anwälte sprechen mit ihren Mandanten durch einen Glaskasten  Foto: dpa/Olivier Matthys

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Die Terroranschläge von Brüssel liegen mehr als sechs Jahre zurück. Am Montag hat der Prozess begonnen. Mit mehreren Problemen. Und mit lachenden Angeklagten.

Mehr als sechs Jahre liegen die Terroranschläge von Brüssel schon zurück. Am 22. März 2016 waren bei Selbstmordattentaten im Flughafen Zaventem und in der Metrostation Maelbeek 32 Menschen getötet und Hunderte teils schwer verletzt worden. Nun hat die juristische Aufarbeitung begonnen – mit einem Mammutprozess, der in die belgische Geschichte eingehen dürfte.

Zehn Angeklagte, zwölf Geschworene, mehr als 900 Nebenkläger – allein schon die Zahl der Prozessbeteiligten ist beeindruckend. Auch der Aufwand, der für den „Prozess des Jahrhunderts“ (so die belgische Tageszeitung Le Soir) betrieben wird, ist enorm. Um die Sicherheit zu gewährleisten, wurde eigens ein Saal im ehemaligen NATO-Hauptquartier am Stadtrand von Brüssel hergerichtet.

Neue Probleme

Die Angeklagten aus dem Milieu des sogenannten „Islamischen Staats“ (IS) sollten dort zunächst in separaten Kabinen sitzen, wehrten sich jedoch gegen diese „Käfig-Haltung“. Daraufhin ließ das Gericht unter Leitung von Laurence Massart (57) eine große Glasbox anfertigen, in der mehrere Angeklagte sitzen können. Dadurch hat sich der Prozessauftakt um mehrere Wochen verspätet.

Als es am Montag endlich losging, gab es zunächst neue Probleme: Zwei Geschworene ließen sich wegen Krankheit entschuldigen, ein Angeklagter beschwerte sich über die Konditionen beim Transport in den Gerichtssaal und drohte damit, die Aussage zu verweigern. Statt wie geplant um neun Uhr konnte die Vorsitzende Massart den Prozess erst um kurz vor zehn eröffnen.

Sie fragte die neun Angeklagten nach ihrem Namen, dem Alter, Beruf, Geburts- und Wohnort. Der mutmaßliche Haupttäter Salah Abdeslam antwortete: „33 Jahre. Elektromechaniker.“ In einer Pause unterhielt er sich lachend mit anderen Angeklagten. Der 33-Jährige war wegen der Anschlagsserie 2015 in Paris bereits in Frankreich zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Nun droht ihm erneut lebenslang – wegen 32-fachen terroristischen Mordes, versuchten terroristischen Mordes an 695 Menschen sowie Beteiligung an Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung. So lautet die Anklage in Brüssel. Die insgesamt 500 Seiten starke Anklageschrift wird allerdings erst am Dienstag verlesen. Die Befragung der Angeklagten soll am 19. Dezember beginnen, insgesamt ist der Prozess auf sechs bis neun Monate angesetzt.

Zwei zentrale Themen zeichnen sich jetzt schon ab: Warum kam es 2016 überhaupt zu Attentaten in Brüssel – und nicht erneut in Paris, wo die islamistische Terrorserie begonnen hatte? Und wieso wurden der Flughafen und die Metro angegriffen – und nicht der Amtssitz des belgischen Premiers, der ausgespäht worden war? Waren die Angriffe improvisiert, folgten sie möglicherweise einem „Plan B“ – nachdem der ursprüngliche Plan gescheitert war?

Eine Art Rache?

Für diese These spricht einiges. Die Anschläge in Brüssel und in Paris gehen nach Ansicht der Ermittler nämlich auf dieselbe Terrorzelle zurück. Brüssel stand zunächst jedoch nicht im Fokus der Islamisten, von denen viele in der belgischen Hauptstadt aufgewachsen waren. Die Terroristen schlugen erst zu, nachdem Abdeslam im Brüsseler Stadtteil Molenbeek festgenommen worden war. Die Terrorwelle wäre demnach eine Art Rache gewesen.

Großes Interesse gilt auch einem weiteren mutmaßlichen Drahtzieher. Dabei geht es um Oussama Atar aus dem Brüsseler Vorort Laeken. Er gilt als Mastermind der Attentate von Paris und Brüssel, nimmt am Prozess aber nicht teil – angeblich wurde er schon 2017 bei einem amerikanischen Drohnenangriff in Syrien getötet. Dennoch soll er in Abwesenheit verurteilt worden, wie zuvor schon in Paris. Dort bekam Atar lebenslang.