PhilharmonieCellistin Anik Schwall im Gespräch: „Ich liebe die Intimität des Trios“

Philharmonie / Cellistin Anik Schwall im Gespräch: „Ich liebe die Intimität des Trios“
Anik Schwall: „Ich brauche diese Dynamik und kann mir momentan wirklich nicht vorstellen, eine feste Anstellung in einem Orchester zu haben und nur das zu machen“

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Die Cellistin Anik Schwall spielt in unwahrscheinlich vielen unterschiedlichen Ensembles im In- und Ausland und wird, zusammen mit dem Trio Schengen, am Montag in Luxemburg auftreten. Ein Gespräch.

Am Montag spielen Sie zusammen mit dem Trio Schengen ein Konzert mit dem Titel „Schöngeist“ im Kammermusik-Saal der Philharmonie. Was darf das Publikum erwarten?

Anik Schwall: Unser Violinist Torsten Janicke hatte die Idee dazu. Die Konzerte der „Solistes européens Luxembourg“ und somit auch die Camerata-Konzerte stehen ja immer unter einem bestimmten Leitfaden. Ein Schöngeist ist ja jemand, der sich mit den schönen Wissenschaften und schönen Künsten beschäftigt. Und die drei der vier Werke für Streichtrio, die wir im Konzert spielen, nämlich Ludwig van Beethovens Serenade op. 8, Johann Georg Albrechtsbergers Streichtrio op. 9/1 und Joseph Haydns Streichtrio op. 53/1 stehen in enger Beziehung zueinander und besitzen darüber hinaus alle einen sehr schönen langsamen Satz, der jeweils besonders heraussticht.

Abgesehen vom Haydn-Trio, sind die übrigen Werke eher unbekannt und werden auch eher selten gespielt.

Die Idee des Programms war eigentlich, eine direkte Verbindung zu den drei Komponisten herzustellen. Albrechtsberger war der Lehrer von Beethoven, allerdings haben sich beide nicht sonderlich geschätzt. Für Beethoven war Albrechtsberger ein Bürokrat. Auch Haydn war ein Lehrer Beethovens, doch diese beiden hatten ein ganz anderes Verhältnis zueinander. Und Haydn gilt ja quasi als der eigentliche Erfinder des Streichtrios. Die Werke, die wir spielen, sind jedoch sehr unterschiedlich und wir überlassen es dem Publikum, sich hierzu eine eigene Meinung zu bilden. Es sind typische Werke der Wiener Klassik und wir wollten ebenfalls eine Brücke zu der ungarischen Musik schlagen und haben noch Zoltan Kodalys Intermezzo für Streichtrio mit ins Programm genommen.

Kodaly ist insbesondere für seine intensive Beschäftigung mit der ungarischen Volksmusik bekannt.

Ja, Kodalys Intermezzo ist ein Jugendwerk, er hat es auf der Musikakademie in Budapest im Alter von 23 Jahren komponiert, kurz nachdem er eine Dissertation über die ungarische Volksmusik geschrieben hatte; es zeigt dann auch schon sehr früh Kodalys musikalische Auseinandersetzung mit der Volksmusik seines Landes. Es ist dann auch ein recht volkstümliches und frisches Werk und führt den beschwingten, zum Teil folkloristischen Geist der Wiener Klassik-Trios eigentlich wunderbar weiter und stellt dabei trotzdem einen stilistischen Kontrast dar.

Sie spielen in zwei Trio-Formationen, nämlich dem Streich- und dem Klaviertrio.

Das Schengen Trio, bei diesem Konzert jetzt mit Torsten Janicke, Sophie Urhausen und mir, ist ja kein festbestehendes Trio, sondern alle Kammermusik-Ensembles, die von den Musikern der SEL gespielt werden, tragen den Namen „Schengen“, als Zeichen eines offenen Europas ohne Grenzen. Ich muss aber zugeben, dass ich am liebsten im Klaviertrio spiele. Zusammen mit der Pianistin Zala Kravos und der Violinistin Ryoko Yano spiele ich seit 2019 in einem festen Trio, das auch regelmäßig Konzerte gibt. Leider steht das Streichtrio im Schatten des Streichquartetts, was ja als Königsklasse gilt und auch ein viel größeres Repertoire besitzt. Doch eigentlich ist gerade das Streichtrio die purste Form des Zusammenspiels, weil nur hier das Prinzip der Dreistimmigkeit umgesetzt wird, wo also Ober-, Mittel- und Unterstimme harmonisch vereint sind. Beim Streichquartett dagegen gibt es zwei Mittelstimmen. Auf jeden Fall, ich liebe die Intimität des Trios. Und im Gegensatz zum Streichtrio haben wir im Klaviertrio ein enormes Repertoire, das vom Barock bis in die Moderne reicht. Und dank des Klaviers sind auch die Klangmöglichkeiten beim Klaviertrio größer.

Doch eigentlich ist gerade das Streichtrio die purste Form des Zusammenspiels, weil nur hier das Prinzip der Dreistimmigkeit umgesetzt wird, wo also Ober-, Mittel- und Unterstimme harmonisch vereint sind

Anik Schwall, Cellistin

Glauben Sie, dass sich der interpretatorische Zugang zur Kammermusik generell verändert hat?

Ich denke schon. Unsere Generation und die kommende Generation von Musikern wachsen mit den Erkenntnissen der historischen Aufführungspraxis heran. Und jeder weiß, dass man Bach anders spielt als Tschaikowsky. Früher war das nicht so, da wurde Bach ebenso durchvibriert wie Tschaikowsky und jeder fand das ganz normal. Schauen Sie Misha Maisky. Er spielt seinen Bach immer noch mit Vibrato, und das klingt trotzdem wunderschön. Nur heute wird kein junger Musiker mehr Bach so spielen wie er.

Sie spielen in unwahrscheinlich vielen unterschiedlichen Ensembles im In- und Ausland. Eben kommen Sie von einem Konzert mit dem Wiener Tonkünstler Orchester zurück, Sie spielen bei der Kammerata Luxembourg, im Streichquartett, beim Luxembourg Philharmonic, bei den SEL und auch beim „Orchestre de chambre du Luxembourg“.

(lacht) Ja, ich habe meine pädagogische Tätigkeit auf ein Jahr pausiert und versuche herauszufinden, wie es ist, wenn ich nur spiele. Ob das etwas für mich ist und ob ich damit auch finanziell über die Runden komme. Zudem wurde ich oft ins Ausland eingeladen und spiele in Wien, in Valencia und in der Schweiz. Ich konnte beides, also Lehrtätigkeit und Spielen, zeitlich nicht mehr vereinen. Viel unterschiedliches Repertoire benötigt eine gute Vorbereitung. Und ich muss sagen, im Moment macht mir das unheimlich Spaß. Ich lerne sehr viele Menschen und Kollegen kennen, darf an unterschiedlichen Orten und in tollen Orchestern spielen und ich spüre, dass ich mich so sehr gut bewähren kann. Ich brauche diese Dynamik und kann mir momentan wirklich nicht vorstellen, eine feste Anstellung in einem Orchester zu haben und nur das zu machen. Vielleicht in ein paar Jahren, aber jetzt noch nicht. Jetzt muss ich mich erst noch austoben.

Und wie steht es denn mit Solo-Konzerten?

Ich habe schon als Solistin gespielt, u.a. in Sibiu, mit Carlo Jans als Dirigenten, oder ein Ennio-Morricone-Projekt für Cello und Orchester hier in der Philharmonie. Aber ich muss ehrlich sagen, das ist nicht meine Welt. Eine Solo-Karriere interessiert mich eigentlich nicht sonderlich. Auch fühle ich mich sehr wohl in der Kammermusik und im Orchester, wo ich mit Kollegen spielen darf und wo ich mich austauschen kann. Als Musiker eine Karriere als Solist zu machen, das ist wohl eher die Ausnahme. Dazu muss man einerseits sehr viel Glück haben und vor allem den Willen, dieses Risiko auch einzugehen. Das ist mir dann doch zu stressig.