Schwanger nach Chemotherapie

Schwanger nach Chemotherapie
(dpa/Symbolfoto)

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In Belgien ist weltweit zum ersten Mal eine Frau Mutter geworden, deren Fruchtbarkeit mit vor der Pubertät entnommenem Eierstockgewebe wiederhergestellt wurde.

Die 27-Jährige habe bereits im November 2014 einen gesunden Jungen zur Welt gebracht, berichten ihre Brüsseler Ärzte in der am Mittwoch erschienen Ausgabe der Fachzeitschrift „Human Reproduction“. Bei der im Kongo geborenen Frau war im Alter von fünf Jahren die Blutkrankheit Sichelzellenanämie festgestellt worden. Nach ihrer Ankunft in Belgien mit elf Jahren entschieden ihre Ärzte, dass eine Knochenmarkspende mit begleitender Chemotherapie notwendig sei. Dem Mädchen wurde Knochenmark ihres Bruders transplantiert.

Um eine Abstoßungsreaktion zu verhindern, ging die Behandlung mit einer Chemotherapie und Bestrahlung einher. Weitere 18 Monate lang musste sie Immunsuppressiva zur Verhinderung einer Abstoßung einnehmen. Da diese Therapien die Funktion der Eierstöcke dauerhaft zerstören können, wurde der damals knapp 14-Jährigen vorab ihr rechter Eierstock entnommen – für den Fall, dass sie später einmal Kinder haben möchte. Gewebeproben des Eierstocks wurden eingefroren.

Reife Eizellen

Die Patientin hatte damals noch keine Menstruation, auch wenn andere körperliche Anzeichen auf den Beginn der Pubertät hindeuteten. Im Zuge der Behandlung verlor der im Körper verbliebene linke Eierstock seine Fähigkeit, Eizellen heranreifen zu lassen. Mit 15 Jahren bekam die Patientin ergänzend eine Hormontherapie. Zehn Jahre später äußerte sie ihren Wunsch, schwanger zu werden. Die Ärzte tauten daher einen Teil des eingefrorenen Eierstockgewebes auf und setzten der Patientin vier Gewebeproben in den linken Eierstock ein und elf weitere an anderen Stellen. Das Gewebe konnte tatsächlich reife Eizellen produzieren.

Da der damalige Partner der Patientin unfruchtbar war, wurde sie allerdings nicht schwanger. Mehr als zwei Jahre später klappte es aber mit einem neuen Partner auf natürlichem Wege. Die Frau, die anonym bleiben möchte, brachte im November einen gesunden 3,1 Kilogramm schweren Jungen zur Welt. Ihre Eierstöcke funktionieren weiter normal. Weltweit wurden bislang 35 Fälle von Frauen registriert, die dank früher entnommenen Eierstockgewebes schwanger wurden.

„Wichtiger Durchbruch“

Anders als der Patientin in Brüssel wurde ihnen das Gewebe aber erst nach der Pubertät im Erwachsenenalter entnommen. „Das ist ein wichtiger Durchbruch in dem Bereich, weil Kinder die Patienten sind, die künftig am wahrscheinlichsten von dem Verfahren profitieren“, erklärte die Gynäkologin Isabelle Demeestere vom Erasmus-Krankenhaus der Freien Universität Brüssel, deren Team die Transplantation vorgenommen hatte.

Wenn ein Mädchen wegen einer Krankheit mit einer Methode behandelt werden müsse, die seine Eierstöcke zerstöre, sei das Einfrieren von Eierstockgewebe „die einzige Möglichkeit, ihre Fruchtbarkeit zu bewahren“, fügte Demeestere hinzu. Sie räumte ein, dass der Eingriff umstritten sei, unter anderem weil es sich anders als eine Hormontherapie um eine „invasive Prozedur“ handele.

Ethische Hürden

Zudem stelle sich die Frage, ob die neue Methode nur bei einem hohen Risiko für das Versagen der Eierstöcke angewandt werden solle oder auch bei Patienten mit geringem Risiko. Unabhängige Kommentatoren begrüßten zwar die neue Methode, wiesen aber auch auf ethische Hürden hin.

Viele Kinder, die eine Chemotherapie bräuchten, seien sehr krank. Die operative Entfernung von Eierstockgewebe sei aber kein „kleines Unternehmen“, sagte Adam Balen von der britischen Gesellschaft für Fertilität dem Science Media Center in London.

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