Neue Unruhe in der Stahlregion

Neue Unruhe in der Stahlregion
(dpa)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Der indische Industrielle Tata verkauft seinen europäischen Langstahlbereich. Betroffen ist das Schienenwerk in Hayange. Käufer soll ein amerikanischer Raider werden.

Tata gilt im Stahltal der Fensch als der freundliche Inder, der investiert. Lakshmi Mittal mit ArcelorMittal dagegen als der böse, der die Hochöfen von Hayange/Florange ausblies. Tata wurde hofiert von allen, die gegen ArcelorMittal protestierten. Tata war Aushängeschild, investierte 50 Millionen Euro in seine Fabrik in Hayange im Mosel-Département. Die 180 Millionen Investition von ArcelorMittal wurde dagegen ignoriert. Tata stellt in Hayange die Schienen für den französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV her. Das französische Eisenbahnunternehmen SNCF lastet die Produktion in Hayange zu 80 Prozent aus. Das zählt.

Diese schwarz-weiß Malerei der archaischen Linken in Lothringen hat ausgedient. Tata verkauft seinen europäischen Langstahlbereich. Dazu gehört die Schienenfabrik in Lothringen. Der indische Multi-Konzern hat den Spaß am Langstahl in Europa verloren. Im Jahre 2012 hat die Sparte 884 Millionen Verlust produziert. Das einzige unter den neun Langstahlwerken, das mit Gewinn arbeitete, war das Schienenwerk in Hayange. Entsprechendes Unverständnis gepaart mit Enttäuschung und Zukunftsfurcht herrscht in der kleinen abgewirtschafteten Stadt im Schatten der stummen ArcelorMittal Hochöfen, in der nun die rechtsradikale Bewegung Front National das Sagen hat.

Unruhe

In den neun europäischen Tata Langstahl Werken arbeiten 6.500 Menschen. In Hayange sind es 450. Der Gewinn des Werkes betrug sieben Millionen Euro vor zwei Jahren, 14 Millionen im vergangenen Jahr. Im laufenden Jahr soll die Produktion nach einer Investition von 50 Millionen Euro um 20 Prozent erhöht werden.

Es ist nicht so sehr der Verkauf der Schienenfabrik, der im Tal der Fensch beunruhigt. Es ist die Person des Käufers, mit der Tata in exclusive Verhandlungen getreten ist. Gary Klesch ist ein Finanzier der besonderen Art. Ihm eilt der Ruf voraus, dass er Unternehmen kauft, sie ausplündert und dann in den Konkurs schickt. Tata, als industrielle Familie durchaus beliebt in Lothringen, habe keine Lust, sich mit einem Sozialplan für seine Langstahlsparte die Finger schmutzig zu machen und verkaufe deswegen, vermuten die Gewerkschaften in Lothringen.

Arbeitsteilung

Das Auftreten von Gary Klesch in der Fabrik hat nicht für Ruhe gesorgt. Im Dezember vergangenen Jahres landete er in seinem Privatjet in Luxemburg, fuhr mit Leibwache nach Hayange und machte den Arbeitern klar, dass er sich für Hayange interessiert, aber nicht für den Rest. Unverständnis herrscht seitdem. Denn: Tata hat dasselbe System eingeführt, nach dem auch Arcelor Mittal arbeitet. Der luxemburgische Konzern bedient die Walzstraße in Gandrange mit Vormaterial aus Duisburg. Aus Dünkirchen kommt das Vormaterial für die Walzstraßen in Florange. Bei Tata überqueren täglich 1.200 Tonnen Vormaterial aus dem Stahlwerk von Scunthorpe den Ärmenkanal in Richtung Hayange. Das Problem bei dieser europäischen Arbeitsteilung: Die jeweiligen Stahl-Qualitäten müssen genau abgestimmt werden. Wenn Klesch sich nicht für Scunthorpe interessiert, möglicherweise Vormaterial irgendwo einkauft, dann würde Hayange die nötige Qualität für die Schienen der Hochgeschwindigkeitszüge nicht mehr garantieren können, fürchten die Gewerkschaften in Hayange.

Klesch, das ist im Werk mittlerweile bekannt geworden, hat sich im Januar mit der SNCF unterhalten. Vor einigen Wochen soll er bei der französischen Regierung den Antrag gestellt haben, Hayange übernehmen zu dürfen.

Denn das ist die Besonderheit in Frankreich nach der monatelangen ideologischen Auseinandersetzung um die Hochöfen von ArcelorMittal in Hayange/Florange. Stahl ist in Frankreich nunmehr strategisch und bedarf bei einem Verkauf einer Fabrik oder eines Unternehmens der Zustimmung in Paris. Die Hoffnung der Stahlwerker im Tal der Fensch ruht seitdem auf dem Wirtschaftsministerium an der Seine.