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Zum letzten Mal vor dem Generationswechsel in der Parteispitze tagt in China der Volkskongress. Die alte Führung hinterlässt einen Reformstau.

China blickt auf ein Jahrzehnt mit starkem, zweistelligen Wachstums zurück. Oberflächlich betrachtet ein Erfolg – doch gibt es in der Kommunistischen Partei ernstzunehmende Stimmen, die intern von einem „vergeudeten Jahrzehnt“ sprechen. Statt den Schwung des Wachstums für Reformen auszunutzen, hätten Staats- und Parteichef Hu Jintao sowie Regierungschef Wen Jiabao ängstlich agiert und nur auf „Stabilität“ gesetzt. Auch hat das Konjunkturprogramm nach der globalen Finanzkrise 2008 nur staatliche Unternehmen und Banken begünstigt, so dass sich die Staatswirtschaft zulasten der Privatwirtschaft nur noch weiter verfestigte.

Wer mutige, neue Reformansätze sucht, dürfte auch am Montag, wenn Regierungschef Wen Jiabao zum Auftakt der diesjährigen Tagung des Volkskongresses seinen Rechenschaftsbericht vorlegt, enttäuscht werden. „Fortschritte machen, während Stabilität gewahrt wird“, lautet die Leitlinie, die der Ministerpräsident für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung 2012 vorgibt. Große Veränderung sind schon deswegen nicht zu erwarten, weil in diesem Jahr der Generationswechsel in der Parteiführung erfolgt. Im Herbst soll Vizepräsident Xi Jinping das Ruder übernehmen.

Enttäuschung bei den „Alten“

Alte, zupackende Reformer wie der 2003 ausgeschiedene Ministerpräsident Zhu Rongji sind enttäuscht über die ausgehende Führung. Der heute 83-jährige hatte einst den Weg für Chinas Aufstieg zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht geebnet. „Die jetzige Führung hat nur die Früchte seiner Arbeit geerntet, aber selbst keine neuen Anstöße gegeben“, sagte eine Quelle nach einem Besuch bei dem Ex-Premier. Normalerweise ziehen sich in China ehemalige Führer aus der aktiven Politik zurück, doch konnte sich Zhu Rongji nicht mehr zurückhalten. Er kritisierte auch öffentlich nicht nur den Reformstau, sondern auch das ineffiziente Bildungssystem, die Verschwendung der neuen Reichen und mangelnde Gerechtigkeit.

Dass viel Zeit verschenkt wurde, glauben auch Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF). China sei an einem „Wendepunkt“ angelangt, sagte Weltbank-Präsident Robert Zoellick diese Woche in Peking bei der Vorlage des Berichts „China 2030“. „Chinas gegenwärtiges Wachstumsmodell ist nicht aufrechtzuerhalten“, drängte Zoellick, endlich die nötige Transformation anzupacken. Die globale Wirtschaftskrise verstärke die Notwendigkeit der Reformen noch. «Jetzt ist nicht die Zeit, sich nur durchzuwurschteln.“

Export und Investitionen

Chinas Wirtschaft hänge viel zu sehr vom Export und von Investitionen ab, warnte der IWF-Vertreter in Peking, Murtaza Syed. Der Anteil der Investitionen am Bruttoinlandsprodukt sei von 42 Prozent vor fünf Jahren auf rund 50 Prozent gestiegen: „Eine sehr gefährliche Höhe.“ Als Folge drohten Überkapazitäten und faule Kredite. Eine schwere Rezession auf seinem wichtigsten Exportmarkt in Europa würde China hart treffen. Das Wachstum könnte sich auf vier bis fünf Prozent halbieren. Würde dann der überhitzte Immobilienmarkt um 25 Prozent einbrechen, wäre ein Viertel der chinesischen Banken in ernsten Schwierigkeiten und bräuchte dringend neues Kapital.

China habe zwar viel mehr finanziellen Spielraum als andere Länder, um eine solchen Krise aufzufangen, aber brauche ein dringend neues Entwicklungsmodell, sagte der IWF-Vertreter. Um die heimische Nachfrage zu fördern, müssten die Einkommen der privaten Haushalte gestärkt werden, indem Zinsen und Löhne erhöht würden. Auch müsse das soziale Netz ausgebaut werden. IWF und Weltbank sprechen auch übereinstimmend eine weitere Reform an, die ebenfalls seit einem Jahrzehnt nicht vorankommt: Die Staatsunternehmen, die von billigem Kapital und der Unterstützung der Regierung leben, müssten endlich auch Dividenden zahlen, um der Gesellschaft etwas zurückzugeben.