Sonntag26. Oktober 2025

Demaart De Maart

„Medikamenten- Babys“ (noch) verboten

„Medikamenten- Babys“ (noch) verboten
(Tageblatt/Coryse Koch )

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

LUXEMBURG - Für zum Teil heftige Diskussionen sorgte in Frankreich Anfang Februar die Geburt eines „Medikamentenbabys“. In Luxemburg ist kein Fall bekannt, die diesbezügliche rechtliche Lage ist unklar.

„Umut“ ist ein Wunschkind, aber ein Wunschkind der besonderen Art. „Umut“, was auf Türkisch soviel wie Hoffnung heißt, ist der Name des Babys, das am vergangenen 26. Januar in Clamart im Großraum von Paris mit einer ganz besonderen Mission zur Welt kam: Der dreieinhalb Kilo schwere Säugling soll mit aus seiner Nabelschnur gewonnenen Stammzellen das Leben eines bzw. zwei seiner beiden älteren Geschwister retten. Diese leiden an Beta-Thalassämie, einer genetisch bedingten tödlichen Bluterkrankung.

Die Methode
Bei dem Ende Januar in Frankreich geborenen „Designerbaby“ kam eine sogenannte doppelte Präimplantationsdiagnostik zum Einsatz. Will heißen: Nach einer künstlichen Befruchtung hatten die Ärzte einen Embryo ausgewählt, der einerseits den Gendefekt der Geschwister nicht aufwies, andererseits aber auch genetisch bestmöglich zu seinen Geschwistern passte. Das Blut aus der Nabelschnur des Babys soll nun für die Stammzellentherapie von zumindest einem älteren Bruder dienen und damit zu dessen Heilung beitragen.

Gesetz(e) in Vorbereitung
Die Gesetzeslage in Luxemburg bezüglich des Umgangs mit menschlichen Zellen, also auch mit (embryonalen) Stammzellen und Keimzellen, ist alles andere als klar (vgl. Hauptartikel). Um nicht zu sagen inexistent. Der Gesetzgeber ist sich dieser Situation und der Wichtigkeit klarer Rahmenbedingungen – vor allem auch hinsichtlich der Entwicklung des Forschungsstandortes Luxemburg – allerdings bewusst.
Entsprechend der im Regierungsprogramm festgehaltenen Vorgaben sei die Regierung darum bemüht, einen kohärenten, gleichzeitig aber auch möglichst flexiblen Gesetzesrahmen im Bereich Biomedizin zu schaffen. Geregelt werden sollen damit u.a. die künstliche Befruchtung oder die Embryonenforschung , wie uns Gesundheitsminister Mars di Bartolomeo auf Nachfrage erklärte. Über die allgemeine Ausrichtung der geplanten Regelungen sei man sich innerhalb der CSV-LSAP-Koalition auch einig. Punktuelle Diskussionen zum Beispiel darüber, wie viele oder welche Freiheiten man bei der künstlichen Befruchtung lassen kann oder muss, müssten aber noch geführt werden. Weil außer ethischen Fragen auch noch rein medizinische, juristische und wirtschaftliche Aspekte einfließen würden, sei die Ausarbeitung diesbezüglicher Gesetze sehr zeitaufwendig, gab Di Bartolomeo zu bedenken.
Derzeit ist die nationale Ethikkommission damit beschäftigt, ein umfassendes Gutachten auszuarbeiten. Liege dieses vor, wolle man eine groß angelegte Debatte mit allen Betroffenen führen, kündigte der Minister an.

„Temporäre Diskussion“
Eine etwas andere Meinung als Dr. Jacques Arendt (vgl. Hauptartikel) vertritt Professor Paul Heuschling, Dekan der Fakultät für Naturwissenschaften, Technologie und Kommunikation an der Universität Luxemburg. Selbstverständlich verstehe er die Aufregung aus ethischer Sicht um das „bébé-médicament“ und solche Fälle würden auch in Zukunft etliche Fragen aufwerfen. Allerdings werde sich die diesbezügliche Polemik ganz von selbst auflösen. Der Biologe ist davon überzeugt, dass es sich bei dieser Diskussion um eine temporäre handelt. Dies aus dem einfachen Grund, weil mittel- und langfristig andere, aus therapeutischer Sicht einfachere und leistungsfähigere Techniken (wie zum Beispiel mit körpereigenen Stammzellen), „Medikamenten-Babys“ überflüssig machen würden.

Die erste Geburt eines solchen „Designerbabys“ sorgte in Frankreich für heftige Diskussionen, Kritiker – allen voran die katholische Kirche – sind der Auffassung, dass es dem Menschen nicht zusteht – auch für medizinisch bedingte Zwecke nicht – Embryonen per Präimplantations- Diagnostik (PID, siehe Infografik) auf mögliche genetisch bedingte Krankheiten zu untersuchen und auszuwählen. Schon einen Schritt weiter als in Frankreich ist man in Belgien, hier wurden seit 2005 bereits 30 „Medikamenten-Kinder“ geboren. Gemein haben Frankreich und Belgien, dass die entsprechende Methode strengen medizinischen und ethischen Gesetzen unterliegt. Missbräuche werden so quasi ausgeschlossen. Ganz anders stellt sich die Situation aber in Luxemburg dar. Die Gesetzgebung hinsichtlich künstlicher Befruchtung, PID sowie Embryonenforschung bzw. Embryonenschutz ist nicht klar beziehungsweise inexistent (siehe Kasten).

Keine Gesetze

„Diesbezügliche Gesetze gibt es keine, 2003 hat der damalige Gesundheitsminister Carlo Wagner lediglich per ministerieller Verordnung die PID genau wie die Embryonenforschung verboten“, so Dr. Jacques Arendt dem Tageblatt gegenüber. Arendt ist Leiter des „Service de procréation médicalement assistée“ im hauptstädtischen „Centre hospitalier“, der einzigen Einrichtung, in der in Luxemburg künstliche Befruchtungen durchgeführt werden. Ein internes Reglement setzt mangels gesetzlicher Regelung hier den Rahmen. PIDs, die aufgrund von in der Familie bekannten genetischen Erkrankungen oder Prädispositionen angebracht sind, werden, wie Arendt erklärt, aufgrund des oben erwähnten Verbots derzeit im Ausland – in Brüssel oder in Paris – durchgeführt.

Begrüßen würde Arendt es aber, wenn sowohl die PID als auch die Forschung mit embryonalen Zellen erlaubt würde. Und die nationale Ethikkommission, dessen Mitglied er ist, stehe seiner Meinung nach – „und ohne deren Gutachten vorgreifen zu wollen“ (siehe Kasten) – einer Aufhebung beider Verbote auch eher positiv gegenüber.

„Eine gute Sache“

Die Meinung Arendts in Bezug auf die „Medikamenten-Babys“ ist denn auch eindeutig: „Dies ist eine sehr gute Sache.“ Im Sinne des medizinischen Fortschritts trage diese Methode dazu bei, Kranken zu helfen und Leben zu retten. Außerdem würden den Babys ja auch keine Organe, sondern lediglich einige Milliliter Blut abgenommen. Bleibe aus psychologischer Sicht aber noch die Frage, wie sich auf längere Sicht die Beziehung zwischen „Medikamenten-Baby“ und dessen „geretteten“ Geschwistern entwickele. Allerdings, so glaubt Arendt, hätten Kinder diesbezüglich wahrscheinlich weitaus weniger Probleme als Erwachsene.

Genauso wie Arendt die Stammzellentherapie via „Medikamenten-Baby“ befürwortet, lehnt er die Entnahme von ganzen Organen ab. Das Schaffen von Embryonen zu Forschungszwecken ist für Arendt auch tabu, die Nutzung „überschüssiger“ Embryonen sei aber vertretbar. Nicht genutzte Embryonen würden im CHL (erinnern wir daran, dass es in Luxemburg kein Embryonenschutzgesetz gibt) solange aufbewahrt, bis die Eltern deren Zerstörung beantragten bzw. zustimmten. Schließlich handele es sich bei Embryonen nicht bloß um ein Haufen Zellen, betont Arendt, der die Erfahrung gemacht hat, dass Eltern „überschüssige“ Embryonen lieber an die Forschung „weitergeben“ würden, als sie sinnlos zerstören zu lassen.