Vor 30 Jahren: „Opération Juliette“

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1978/79, also vor nunmehr drei Jahrzehnten, zählte man in unserem Land nicht weniger als drei Dutzend Überfälle auf Bankinstitute, Postschalter, Supermärkte und Geldtransporter. / Romain Durlet

Während dieser Zeit wurde verstärkt durch die neu geschaffene „Groupe anti-hold-up“ ermittelt und die Gendarmerie-Kommandantur, Abteilung öffentliche Sicherheit, leitete die „Opération Juliette“ ein. 

Eigentlich hatte es bereits im August 1977 begonnen. Eine Reihe von Überfällen wurden verübt, hinter denen die „Sûreté“ vor allem Italiener vermutete, die bereits ihr Unwesen in Frankreich, Italien, Belgien und Holland getrieben hatten.
Allerdings konnten die Sicherheitsbeamten aufgrund unzureichender Beweise keine Verhaftungen von eventuellen Verdächtigten vornehmen, die meist schon als Rückfalltäter bekannt waren.

DerModus operandi

Man unterschied zwischen zwei Sorten von möglichen Gesetzesbrechern, nämlich einerseits den gefährlichen Subjekten, die von ihrer Schusswaffe Gebrauch machten, und andererseits den Trittbrettfahrern aus der Region, die sich auf Postschalter konzentriert hatten.
Gemäß Modus operandi reisten die mutmaßlichen Täter mit dem Zug oder ihrem Privatwagen in Begleitung von Frauen an und suchten sich Lokale zu Überfällen aus, die nur dürftig gesichert waren und wo man leichten Zugang zum Safe hatte. Ein oder zwei Tage vor dem Hold-up wurde das Terrain ausgekundschaftet.
Zur gleichen Zeit wurden schnelle Wagen gestohlen, die mit falschen Nummernschildern versehen waren. Die Wagen wurden in der Nähe des geplanten Tatortes während der Nacht abgestellt, meist auf öffentlichen Parkplätzen.
Zwei bis fünf Leute waren jeweils an den Überfällen beteiligt. Während die einen in die Bank oder das Postgebäude eindrangen, sicherten die anderen den Rückzug ab. Kassierer und Kundschaft wurden zuerst mit Schusswaffen in Schach gehalten, dann wurde das Geld entwendet und in Plastiktüten mitgenommen.
Die Sicherheitsbeamten hatten festgestellt, dass die Täter meist unter falschem Namen und mit falschen Ausweisen reisten. Sie wohnten entweder in Hotels oder bei ihnen bekannten Landsleuten, die in Luxemburg lebten.

147verdächtige Italiener

Das Arbeitspapier der „Opération Juliette“ listet die Tatverdächtigen auf. Dabei handelt es sich um vier französische Bürger, jeweils eine Belgierin, eine Jugoslawin, eine Polin, einen Ecuadorianer … und 147 Italiener und Italienerinnen! 20 Frauen gehörten zum Kreis der Verdächtigen. Sie alle waren entweder bereits straffällig oder hatten in irgendeiner Form mit Gesetzesbrüchen zu tun. „Il s’agit de suspects et d’auteurs de hold-ups potentiels“, heißt es im Bericht der „Opération Juliette“.
Von 75 der Verdächtigen lagen den Sicherheitsbeamten Fotos vor.
Die Welle der Überfälle sollte 1979 jedoch nicht abreißen:
30. Januar: Fünfköpfige Bande raubt die Kredietbank-Hauptagentur (Ecke bd Royal / Großgasse) in Luxemburg aus.
6. März: Ein Maskierter kassiert eine halbe Million in der Sparkasse Eischen.
30. Juli: Zwei Maskierte überfallen die Strassener Banque Générale.
3. August: In der rue Beaumont in Luxemburg wird ein Geldbote ausgeraubt.
16. August: Hold-up auf Capellener Post. Die drei Männer werden später gefasst.
19. September: Wieder Überfall auf Strassener Banque Générale. Drei Täter.
22. Oktober: Koericher Raiffeisenkasse wird ausgeraubt. Wieder drei Täter.
26. Oktober: Bewaffneter Raubüberfall auf Kockelscheuer. Zwei Männer und eine Frau werden wenige Tage später verhaftet. Ihnen werden auch Einbruchsdiebstähle vorgeworfen.
26. Oktober: Vier Täter werden verurteilt wegen Postüberfällen in Küntzig, Mamer, Lintgen und Grosbous.
4. November: Drei Panzerschränke werden in der Echternacher Post aufgeschweißt.
23. November: Vier Beschuldigte der „Gang der Sizilianer“ werden wegen des Überfalls auf die Kredietbank verurteilt. Nicht nachweisen konnte ihnen die Staatsanwaltschaft den Hold-up auf die UCL-Filiale am Bahnhofsplatz und auf die BIL am „Roude Pëtz“.
24. November: Überfall auf die Raiffeisenkasse in Niederanven. Zwei Tage später werden die Täter verhaftet.
28. November: Überfall auf Supermarkt in Petingen. Ladenbesitzer wird ins Knie geschossen.
7. Dezember: Hold-up im Cactus Bereldingen.
16. Dezember: Zwei vorbestrafte Luxemburger werden wegen eines Überfalls auf Echternacher Tankstelle (1977) festgenommen.

Wichtige Erfolge der „Groupe anti-hold-up“

Eine Reihe von Affären konnte im Nachhinein also aufgeklärt werden. Dies war hauptsächlich das Verdienst der Sondereinheit der Kripo, die jene Lügen strafte, die gemeinhin behaupteten „Si kréien se jo dach net!“.
Doch auch in den beiden Folgejahren gab es noch eine Reihe von Überfällen. So auf die Banque Générale in Hollerich, die Post in Reisdorf, die Sparkasse in Esch/Sauer, die Kaserne von Diekirch, die Post in Bettborn, eine Tankstelle zwischen Mertert und Wasserbillig, die Diekircher Sparkasse, einen Juwelierladen in Esch/Alzette, einen Gastwirt in Luxemburg, eine Tankstelle in Martelingen, die BIL-Filiale in Bonneweg, die BIL-Filiale in Esch/Alzette, die Prefilux in Luxemburg, usw.
Aufgrund der von der Anti-hold-up-Gruppe verzeichneten Erfolge und zahlreicher Verhaftungen wurde es dann ruhiger im Lande Luxemburg.
Heute bleiben wir größtenteils von solchen Überfällen verschont. Aber: Neben einer Reihe von Hold-ups auf Tankstellen gilt es eine neue Art der Kriminalität zu bekämpfen, nämlich den Gebrauch von gestohlenen Kreditkarten …
Ein Zeichen der Zeit.