Pionierin der Luxemburger Politikszene

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Während des Themenabends der Escher Gemeinde zum Thema „Frauen und politisches Engagement“ hat die Historikerin und Journalistin Renée Wagener einen Vortrag zu einer der Pionierinnen in der Luxemburger Politik gehalten, die sich für Frauenrechte und gegen Vorurteile der damaligen Zeit einsetzte: Catherine Schleimer-Kill.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde in Luxemburg das allgemeine Wahlrecht eingeführt. Somit war es Frauen erstmals möglich, sich am politischen Prozess zu beteiligen. Dennoch war das Interesse der Frauen sehr begrenzt, und auch die Parteien waren nicht erpicht darauf, sie in den Prozess miteinzubeziehen.

Einladung zur Frauenversammlung

Bei den ersten allgemeinen Wahlen hatten sich vier Frauen zur Wahl gestellt. Eine davon war Catherine Schleimer-Kill, die später als erste Frau mit einer reinen Frauenliste in den Escher Gemeinderat gewählt wurde. Politisch machte sie zum ersten Mal von sich reden, als sie als einzige Frau für die Rechtspartei bei den Wahlen im Jahr 1919 kandidierte. Dabei bekam sie aus dem Stand 9.705 Stimmen und landete damit auf Rang zehn von insgesamt 16. In Esch schaffte sie es auf den vierten Platz. In den nächsten Jahren brach sie jedoch mit der Rechtspartei.

Bei den Landeswahlen im Jahr 1925 kandidierte die Lehrerin auf einer rechten Dissidentenliste, auf der der „Unabhängigen Nationalen Vereinigung“, wieder ohne Erfolg. Noch im selben Jahr gründete sie die Frauenvereinigung „Action féminine“, die auch eine gleichnamige Zeitung herausbrachte.

Der Wunsch nach einer eigenen weiblichen politischen Aktivität wuchs aus internen Machtkämpfen, dem harten Durchsetzen der Männer sowie der herrschenden strengen Parteiloyalität. So kritisierte Catherine Schleimer-Kill auch später immer wieder die politischen Parteien. Die „Action féminine“ konnte zu Beginn besonders in Esch großes Interesse wecken, später entstanden auch Sektionen in anderen Gemeinden. Die Vereinigung forderte eine Verbesserung der weiblichen Ausbildung, den Kampf gegen Alkoholismus, eine Reform des „Code civil“ sowie das Recht auf Erwerbstätigkeit.

 

Ein erster Erfolg

Bei den Gemeindewahlen präsentierte die „Action féminine“ eine reine Frauenliste, in Mertert kandidierte Agnès Donckel. Sie wurde gewählt, auch Schleimer-Kill konnte sich durchsetzen. Anfangs unterstützte die Frauenvereinigung noch die Mehrheitsparteien, deswegen wurde Schleimer-Kill Mitglied der politisch wichtigen Finanzkommission und Präsidentin der Wohnungs- und Hygiene-Kommission. Ab 1930 brach sie jedoch mit der Mehrheit. Bei ihrer Kommunalratsarbeit setzte sie sich u.a. für die Einstellung verheirateter Frauen im Gemeindedienst ein und verlangte, dass nicht den Arbeitern, sondern ihren Frauen die Kindergelder ausgehändigt werden. Sie hatte wohl ein zwiespältiges Verhältnis zum Feminismus, setzte sich immer wieder für die Berufstätigkeit der Frauen ein, schrieb ihnen jedoch spezifische Berufseignungen zu.
Am 14. Oktober 1934 wurde erneut eine reine Frauenliste aufgestellt. Sie erhielt keinen Sitz mehr, obwohl ihre Vereinigung nur 161 Stimmen weniger als zuvor hatte. Schleimer-Kill bekam 201 Stimmen weniger. Dies ist wohl durch die soziale Situation der 30er-Jahre zu erklären und durch die Festigung der politischen Parteien, die davor mit Spaltungen zu kämpfen hatten.


Vielleicht war auch die Wirkung des Neuen verblasst. Wahrscheinlich wurde wohl auch versäumt, neben der Pionierin eine weitere Frau politisch aufzustellen. Frauen, die ebenfalls politische Erfolge feiern konnten, taten dies alle auf Parteilisten.

Ab 1930 orientierte sich die „Action féminine“ von der rein politischen Ausrichtung zu einer vermehrt praxisorientierten um. Bei Kriegsanfang musste die „Action féminine“ ihre Aktivitäten einstellen und 1941 wurde sie von den neuen Machthabern aufgelöst.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich Schleimer-Kill gänzlich aus der Politik zurückgezogen.

Zur Person

Catherine Schleimer-Kill wurde am 14. Mai 1884 als Tochter eines Hüttenarbeiters und einer Hausfrau in Esch geboren. Sie selbst wurde Lehrerin und heiratete ebenfalls einen Lehrer. Sie wird als Frau voller Energie und mit einer starken Persönlichkeit bezeichnet. So war sie beispielsweise eine der ersten Inhaberinnen eines Führerscheins in Luxemburg.

Frauen und politisches Engagement

Die Escher Gemeinde lud am Dienstag zu einem Themenabend ein, bei dem Monique Stein die landesweiten Wahlresultate der weiblichen Kandidatinnen vorstellte, gefolgt vom Vortrag der Historikerin und Journalistin Renée Wagener über die politische Laufbahn der ersten Escher Gemeinderätin, Catherine Schleimer-Kill.

Im Anschluss gaben zehn politisch engagierte Frauen in kleinen, spontanen Rundtischgesprächen Auskunft über ihren politischen Werdegang und die damit verbundenen persönlichen Erfahrungen.

Rund ein Viertel der Kandidaten für eines der 1.120 Mandate in 105 Kommunen war bei den vergangenen Gemeindewahlen weiblich. Die Tendenz ist jedoch sowohl bei den Kandidaturen als auch bei den gewählten Frauen steigend.

In Proporzgemeinden schneiden Frauen insgesamt besser ab als in Majorzgemeinden.
„déi Lénk“, „déi gréng“ und LSAP stellten dieses Jahr die meisten Kandidatinnen zur Wahl, jene von den Grünen erhielten die meisten Stimmen. Im Norden und Osten werden traditionell weniger Frauen gewählt, die Südregion und das Zentrum sind hier Vorreiter.

In 16 Gemeinden stieg die Frauenquote der politischen Mandate auf über 40 Prozent. Beaufort führt diese Liste mit 55,56 Prozent an, im Süden sind Septfontaines (50,00%) und Sanem (47,06%) Spitzenreiter.

Die Anzahl an Gemeinden mit mehr als 40 Prozent gewählten Frauen stieg im Jahr 2017 von 10 auf 16. Lediglich in 8 Kommunen – zuvor waren es noch 11 – befinden sich keine Frauen im Schöffen- oder Gemeinderat. Ein Drittel aller Gemeinden hat mehr als 30 Prozent Frauen in kommunaler politischer Verantwortung.

Von Anne Ludwig und Paul Huybrechts