LEITARTIKEL/Das „Ü-Ei“und die Politik

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Eine Nachricht, die Kinder und Erwachsene gleichermaßen bewegte, zirkulierte Anfang dieses Monats in den deutschen Medien: Die Kinderkommission des Bundestags hatte in einer Empfehlung über „Sicherheits- und Gesundheitsrisiken für Kinder im Alltag“ die Kombination aus Nahrungsmitteln mit Spielzeug auf den Index gesetzt.

Es schien demnach, als ob mit dieser Entscheidung das Ende des allseits beliebten Überraschungseis – auch Ü-Ei genannt – eingeläutet worden sei. In anderen Worten sollte mit der schlichten und ergreifenden Begründung „Zu gefährlich!“ die seit 1974 in Deutschland erhältliche und mittlerweile Kultstatus genießende Kombination aus Schokolade und Spielzeugfiguren verboten werden.
Die Aufregung war allerdings umsonst, denn nur kurze Zeit nach Bekanntwerden des Vorhabens relativierte das zuständige Bundestagsgremium die Aussagen und Kommentare einiger seiner Mitglieder: Von einem Verbot könne keine Rede sein, man habe lediglich einen Hinweis auf die Erstickungsgefahr für Kleinkinder, wenn Spielzeug in Kombination mit Lebensmitteln angeboten würde, gefordert. Es handele sich also um einen Appell, nicht um ein Verbot. Nun mag es sich bei der ursprünglichen Nachricht um eine bewusst von einigen Politikern in die Welt gesetzte Fehlinformation handeln, dessen vornehmliches Ziel es war, sich im an politischen Ereignissen armen Sommer in den medialen Vordergrund zu spielen; gänzlich unmöglich erschien ein Überraschungsei-Verbot dennoch nicht. Zu oft bereits hat die Politik, sei es in Deutschland oder auch hierzulande, mit zum Teil unverständlichen und/oder überflüssigen gesetzlichen Regelungen oder Vorschlägen das Volk „beglückt“. Erinnern wir in diesem Zusammenhang nur an das viel diskutierte, aber eigentlich unsinnige, weil unterschiedlich auslegbare „Muppegesetz“ sowie den Gesetzesvorschlag des CSV-Abgeordneten Michel Wolter, den „Roude Léiw“ als alleinige Nationalflagge einzuführen.

Harmonisierungswut

Die meisten als entbehrlich oder als politisch willkürlich von verschiedenen Seiten verschrienen Gesetzesvorschläge gehen indes auf die Initiative der Europäischen Kommission zurück. Wobei sich in diesem Zusammenhang zwei Feststellungen aufdrängen: Nicht alle Regeln auf EU-Ebene werden aus Langeweile oder falsch verstandener Harmonisierungs- und Regulierungswut erstellt. Wenn noch der Sinn der festgelegten Krümmung der Salatgurke oder des Normumfangs von Tomaten zwecks besserer Verpackbarkeit angezweifelt werden kann, scheinen, nur um diese Beispieles zu nennen, auf Gemeinschaftsebene festgelegte Sicherheitsstandards für Personenkraftwagen oder aber einheitliche Abgasgrenzwerte weit weniger unsinnig. Auch eine Harmonisierung der sozialrechtlichen Regeln erscheint aufgrund der wachsenden Mobilität innerhalb einer 27-Staaten-Gemeinschaft (zumal wenn diese sich an den höchsten Sozialstandards orientieren) gerechtfertigt.
Auch sollte nicht vergessen werden, dass, obwohl für umstrittene EU-Vorschriften zumeist „Brüssel“ gescholten wird, die Mitgliedstaaten selbst bzw. deren Regierungen entsprechend ihrem politischen Einfluss für die jeweiligen Regelungen verantwortlich zeichnen. Ein für diesen Umstand bezeichnendes Beispiel stammt ebenfalls aus dem Obst-und-Gemüse-Segment: Der Vorschlag von Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel, die meisten der insgesamt 36 existierenden Normen für Obst und Gemüse einfach zu streichen, wurde jüngst von den EU-Regierungen mehrheitlich abgelehnt. Nicht alles, was schlecht ist, kommt demnach von den „EU-Technokraten“ und es bleibt, vor allem in Vorwahlkampfzeiten zu hoffen, dass die nationalen Politiker zukünftig etwas mehr politische Ehrlichkeit an den Tag legen und aufhören werden, von der Bevölkerung als positiv wahrgenommene Entscheide als die ihren, unpopuläre Maßnahmen indes als EU-Beschlüsse zu verkaufen.
twenandy@tageblatt.lu