Kinder lieben, achten und behüten

Kinder lieben, achten und behüten
Foto: Editpress/Roger Infalt

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Er war ein charismatischer Visionär und zugleich ein Pragmatiker, voller Mitgefühl und mitreißender Tatkraft, einer, der sein Leben der Hilfe für Kinder in Not verschrieb: Hermann Gmeiner, der Gründer der SOS- Kinderdörfer. 1961 besuchte der Luxemburger Marcel Nilles das erste Kinderdorf in Imst (A) – und kam mit dem festen Vorsatz zurück, ein solches Kinderdorf auch in Luxemburg zu verwirklichen.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs studierte Hermann Gmeiner in Innsbruck Medizin mit dem Ziel, Kinderarzt zu werden. Daneben engagierte er sich als Jugendbetreuer. Dabei erlebte er die Not und Verlassenheit der vielen Kriegswaisen und die Missstände in den überfüllten, kasernenartigen Heimen der Nachkriegszeit.

1949 gründete Gmeiner den Verein SOS-Kinderdorf. In Imst in Tirol legte er im gleichen Jahr den Grundstein für das erste Haus, genannt „Haus Frieden“. Er brach sein Studium ab und widmete sein Leben seiner Vision: ein Zuhause für Kinder in Not zu schaffen, wo sie wie in einer Familie aufwachsen, mit einer SOS-Mutter, den Geschwistern, in einem Familienhaus, in einem schützenden Dorf.

1.358 Kinder leben ohne ihre Familien

Der Luxemburger Marcel Nilles engagierte sich zunächst nach Kriegsende in der Umgebung von Rodange dafür, Kindern in Not Hilfe zukommen zu lassen. 1961 entwickelte er nach einem Besuch des Kinderdorfes in Imst die Idee, eine ähnliche Einrichtung in Luxemburg zu verwirklichen. Die „SOS Kannerduerf Asbl.“ konnte ab 1968 die ersten auf Spendenbasis gebauten Einfamilienhäuser in Mersch anbieten. Heute sind es neun. Sie wurden mithilfe von Spenden errichtet, die von den „Oeuvres GrandeDuchesse Charlotte“, der „Spuerkeess“, den Rotary-Klubs, der Raiffeisen-Bank, dem „Bazar International“, der Familie Stoffel-Schmit, den „Frënn vum SOS Kannerduerf“, der ABBL und der „Fondation Mathieu“ stammen.

1985 wurde das Konzept erweitert, indem Aufnahmeeinrichtungen für Jugendliche in Hamm und Bonneweg geschaffen wurden. Hier sollen die Bewohner, die vorher in anderen Einrichtungen des Kinderdorfes untergebracht waren, auf ein selbstständiges und sozial integriertes Leben vorbereitet werden. Heute sichert das insgesamt 135-köpfige Team auch einen Familienstärkungsdienst, einen psychologischen Beratungsdienst sowie einen Pflegefamiliendienst. Der Schwerpunkt liegt auf einer ambulanten sozialpädagogischen Unterstützung und auf der Begleitung von Kindern und Familien in schwierigen Lebenssituationen.

Stolz ist man im „Kannerduerf“ aber auch auf die tiergestützte Pädagogik sowie auf die berufs- und lebensvorbereitende Ausbildung. Im Mittelpunkt dieser Ausbildung steht die Vermittlung von Grundkenntnissen in verschiedenen Berufsfeldern, so z.B. im Handwerk, in der Landwirtschaft und der Tierpflege, der Hauswirtschaft und dem Handel.

Die Arbeitsmotivation, die Ausdauer und der respektvolle Umgang miteinander sollen auf diese Weise vermittelt werden, damit ein Übergang in ein aktives Berufsleben ermöglicht werden kann. „Das ist ein wichtiger Beitrag zur sozialen Integration“, so die Verantwortlichen. Luxemburg kann sich glücklich schätzen, ein „SOS-Kannerduerf“ zu haben, doch ebenso nachdenklich stimmt es einen beim Gedanken, dass man eine solche Einrichtung überhaupt braucht. Folgende Zahlen lassen einem das Blut in den Adern gefrieren: In Luxemburg leben zurzeit sage und schreibe 1.358 Kinder außerhalb ihrer Familien – 700 von ihnen in speziellen Einrichtungen, andere sind in ähnlichen Unterkünften im Ausland untergebracht, wiederum andere leben in Pflegefamilien.

Gründe, warum diese Kinder nicht mehr in ihren Familien leben können, gibt es viele. Dazu gehören sexueller Missbrauch, physische Gewaltanwendung, zerrüttete Familien, desolate hygienische Zustände, Nachlässigkeit in Sachen Gesundheit, Pflege, Nahrungsaufnahme usw. „Die Zahl der schwer traumatisierten Kinder steigt von Jahr zu Jahr“, so Karin Kiesendahl, Direktorin für den pädagogischen Bereich im „Kannerduerf“.

Gutes Personal ist Mangelware

Für die Kinderdorfmütter, die Pflegefamilien und das gesamte Betreuerteam ist die Arbeit sehr aufreibend. Viel Geduld, viel Einfühlungsvermögen und viel Liebe sind das A und O ihres Einsatzes. „Wenn wir in die Augen eines Kindes blicken, das wir zum ersten Mal sehen, so stellen wir zuerst einmal nur erschreckende Leere fest. Aufmerksamkeit, Umarmungen, Zuhören, Verständnis und Geduld haben die wenigsten von ihnen kennengelernt. Hoher Einsatz unseres gesamten Teams ist gefragt, und das über eine längere Zeit“, meint eine Mitarbeiterin. „Es ist nicht einfach, geeignetes Personal zu finden“, sagt die Präsidentin des Verwaltungsrates, Josianne Eippers, „denn es wird sehr viel abverlangt.“ In den sieben Kinderdorffamilien in Mersch können jeweils bis zu fünf Kinder zwischen 0 und 21 Jahren mittel- bis langfristig aufgenommen werden. Wenn es möglich ist und sinnvoll erscheint, wird eine Rückführung in die Ursprungsfamilie angestrebt. Das Kind hat die Möglichkeit, bis zu seiner Verselbstständigung in einer Kinderdorffamilie aufzuwachsen.

Es gibt auch externe Kinderdorffamilien. Hier nehmen festangestellte, professionelle Erzieher kurzfristig und zeitlich begrenzt Kleinkinder aus Notsituationen bei sich zu Hause auf. Gemeinsam mit einem pädagogischen Team arbeitet die externe Familie an einer Rückführung in die Ursprungsfamilie oder der Entwicklung einer passenden Anschlussunterbringung für die Kinder. „Jedes Kind wächst in einer Familie auf – geliebt, geachtet und behütet.“ Dies stellt die wichtigste Leitlinie von „SOS Kannerduerf Lëtzebuerg“ dar. Die Funktionskosten dieser konventionierten Einrichtung liegen heute bei 11 Millionen Euro jährlich. Der staatliche Beitrag garantiert die Grundversorgung der Kinder. Die privaten Spenden ermöglichen Sonderprogramme für die Kinder.

Das Programm zur Feier des 50-jährigen Bestehens der Stiftung sieht unter anderem folgende Veranstaltungen vor:

23. März: Akademische Sitzung
17. Mai: Charity Dinner im hauptstädtischen Cercle-Gebäude
24. Juni: Erweitertes Sommerfest im SOS-Kinderdorf
15. bis 19. Oktober: Internationale Konferenz mit Vorträgen und Workshops zum Thema „Traumapädagogik“

Spendenkonto des SOS Kinderdorfs:
SOS Kannerduerf Lëtzebuerg
IBAN: Postscheckkonto LU41 1111 0000 6565 0000