Goldene Zeiten für Wolle aus Luxemburg

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Wolle ist in Luxemburg ein Abfallprodukt. Der Preis dafür ist im Keller, das Fleisch bringt weit mehr ein. Schade für den Rohstoff. „DEFI Laine“ ist der Versuch, diese Entwicklung umzukehren. Die „Robbesscheier“ ist Partner des EU-geförderten Projektes zwischen Belgien, Frankreich und Deutschland.

Den Schafen, die auf der Weide bei der „Robbesscheier“ in Munshausen vor sich hindösen und ihre Lämmer behüten, ist nicht anzusehen, dass ihr „Kleid“ bald sehr begehrt sein könnte. Sie lümmeln sorglos vor sich hin, erfreuen sich an der frischen Luft und an den Sonnenstrahlen. Dass sie das wichtigste Puzzlestück in der „Filière laine“ sind, die aufgebaut werden soll, ahnen sie nicht.

Die gleichnamige Vereinigung im benachbarten Wallonien koordiniert das Projekt. Verviers ist nicht weit, in der ehemaligen Textilhochburg haben einige wenige den Branchenniedergang überlebt. Überall sonst wird grotesk gewirtschaftet. „Die Wolle, die von Produzenten in der Großregion verarbeitet wird, stammt aus Australien oder Neuseeland, wird in Asien gewaschen und aufbereitet und dann hierher zurückimportiert“, sagt Ygaëlle Dupriez (51), Koordinatorin des Projektes. Der ökologische Fußabdruck ist katastrophal.

Auswüchse der Globalisierung

Jean Zeches, Direktor der „Robbesscheier“.

In Bezug auf Angebot und Nachfrage ergibt sich ein ähnlich schiefes Bild. „Der Preis für ein Kilo Wolle liegt hier aktuell zwischen 0,65 und 1 Euro“, erklärt Jean Zeches (47), Direktor der „Robbesscheier“ und luxemburgischer Partner bei dem Projekt. Hinzu kommt, dass die Schäfer diejenigen, die die Schafe scheren, bezahlen müssen. Derzeit ist die Gewinnung von Wolle ein Nullsummenspiel. Das soll sich alles ändern. Die Produktionskette, die entstehen soll, soll die gleichen Ergebnisse bringen, wie es der faire Handel seit seinem Aufkommen erreicht hat: Mehr Geld für die Schäfer und Weiterverarbeitung der Wolle vor Ort – wenn schon nicht in Luxemburg, dann zumindest in der Großregion. Ein Preis von um die 5 Euro pro Kilo wäre wünschenswert. „Eine Textilindustrie wie in Verviers werden wir nicht mehr hinkriegen“, sagt Zeches realistisch, „aber wir können kleine Produktionsbetriebe auf beiden Seiten der Grenzen dazu ermuntern, Wolle von hier auch hier zu verarbeiten.“ Ein paar Beispiele gibt es schon – auch wenn die Puffs, die bei Natagora (Belgien) verkauft werden, eher in die Kategorie kunsthandwerkliche Unikate gehören. Sie werden in Handarbeit mit Wolle aus Luxemburg produziert und sind dementsprechend teuer. Das kann sich nicht jeder leisten, dafür aber andere Produkte des täglichen Bedarfs. „Socken, Schuheinlagen, Matratzen, Bettdecken, Kleidung, Teppiche bis hin zu Isolierungen für ökologische Gebäude“, listet Dupriez die zahlreichen Einsatzmöglichkeiten für Wolle auf.

Das Projekt hat aber noch andere Aspekte. „In Asien wird die Wolle von Menschen verarbeitet, die 5 Euro im Monat dafür bekommen“, sagt Dupriez, „wir müssen lernen, Produkte von Herstellern zu kaufen, die wie wir bezahlt werden.“ Es sei die einzige Möglichkeit, Arbeitsplätze in Europa zu erhalten und nicht auszulagern. Das verbessert nicht nur die Öko-Bilanz. Am Ende steht auch ein anderes Konsumverhalten: Statt fünf Pullis aus Wolle nur noch zwei und die von Produzenten vor Ort. Das andere Denken lässt sich auch am Bau umsetzen. Georges Origer, Geschäftsführer von Goca-Construction in Colmar-Berg, setzt schon länger luxemburgische Wolle zur Isolierung von Gebäuden ein. Für den Bauingenieur ist das eine Frage der Überzeugung. „Wolle ist ein nachwachsender Rohstoff“, erläutert er, „und ich möchte Häuser bauen, die Ressourcen schonen und keine Probleme bereiten, wenn sie später abgerissen werden müssen.“

Wenn im Juli in Kehlen mit dem Bau einer „Maison relais“ begonnen wird, wird dort Wolle zur Isolierung zum Einsatz kommen. Fünf Tonnen werden verarbeitet. Das ist etwa die Hälfte dessen, was Origer jährlich von luxemburgischen Schafzüchtern geliefert bekommt.

In Munshausen zerbricht man sich derweil den Kopf über den touristischen Mehrwert des Projektes. Das ist die Rolle der „Robbesscheier“ neben der Organisation von Veranstaltungen zum Thema wie dem „Tag der Wolle“ im September. „Wir arbeiten eine Landkarte aus, die alle Beteiligten zeigt, die mit Wolle zu tun haben“, sagt Zeches, „am Ende entsteht ein ’Circuit laine‘ für Touristen.“ Das ergänzt die schon bestehenden pädagogischen Angebote der „Robbesscheier“ für Kinder. Es ist auch ein weiterer Schritt in Richtung Öko-Tourismus. Diese Art, Urlaub zu machen, erfreut sich immer größerer Beliebtheit.

Das Projekt „DEFI Laine“

Das Projekt hat zwölf Beteiligte in Luxemburg, Belgien, Frankreich und Deutschland (Rheinland-Pfalz). 2,4 Millionen Euro stehen von der EU für das Vorhaben, das eine Laufzeit von drei Jahren hat und am 31. Dezember 2019 endet, zur Verfügung. Die „Robbesscheier“ in Munshausen ist Partner in Luxemburg. Der luxemburgische Staat finanziert das Projekt nach Angaben der drei kofinanzierenden Ministerien (Landwirtschaft, Nachhaltigkeit und Tourismus) mit insgesamt 90.000 Euro über die drei Jahre.

Das Büro der federführenden Institution „Filière laine“ hat seinen Sitz in Marbehan (B) und beschäftigt derzeit drei Mitarbeiter. „Wir säen Samen“, erklärt Ygaëlle Dupriez, die Leiterin von „Filière laine“, „und wir hoffen, dass irgendwann Pflanzen daraus werden.“