Fragile Träume

Fragile Träume
Pascale Seil ist die einzige Glasbläserin in Luxemburg.

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Der Beruf des Glasbläsers ist eine Männerdomäne. Pascale Seil hat das auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz bitter zu spüren bekommen. Geschafft hat sie es trotzdem. Sie ist die einzige Glasbläserin in Luxemburg.

Der Beruf des Glasbläsers ist eine Männerdomäne. Pascale Seil hat das auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz bitter zu spüren bekommen. Geschafft hat sie es trotzdem. Sie ist die einzige Glasbläserin in Luxemburg.

Die zierliche blonde Frau bittet vorbei an Ofen, Werkstatt und Ausstellungsraum in ihre Küche. Ihre Hände sprechen Bände: kein Ring, kein Armband oder Nagellack auf den kurz gestutzten Fingernägeln. Typisch feminine Accessoires wie diese könnte sie bei der Arbeit an dem 1.200 Grad heißen Ofen gar nicht brauchen. Es sind die Hände eines Handwerkers, eines weiblichen Handwerkers. Mit dem, was sie produzieren, bestreitet Pascale Seil ihren Lebensunterhalt. Der über mehrere Etagen verlaufende Showroom zeigt die fragilen Träume aus Glas, die ihrer Kreativität entspringen. Bis zu dem gemütlich umgebauten Bauernhof mit Werkstatt in Berdorf war es ein weiter Weg.

Arbeit mit den Händen, das war schon in der Schule im Hinblick auf die Berufswahl klar. Im „Arts et Metiers“ besucht sie die Keramikklasse, an der Kunstschule in Straßburg lernt sie freies Denken und die Glasbläserei kennen. Es war eine wichtige Zeit für sie. Das Schnuppern in den verschiedenen Ateliers, der ausdrücklich erwünschte Mut, der Kreativität freien Lauf zu lassen, der Austausch mit anderen angehenden Künstlern aus verschiedenen Bereichen haben sie geprägt. Eines wird in Straßburg jedoch auch klar: Für den Beruf des Glasbläsers muss sie die Technik von der Pike auf erlernen. Italien, Murano, ist das Wunschziel. Hier arbeitet Lino Tagliapietra, damals schon eine Berühmtheit, heute Sinnbild für höchste Glasbläserkunst weltweit.

Das Informationsgespräch in der italienischen Botschaft in Luxemburg gerät zum Desaster. Venezianisch zu lernen, wäre nicht das Problem gewesen. Das weitaus größere ist … sie ist eine Frau. In Murano wird damals die Technik des Glasblasens traditionell ausschließlich vom Vater an den Sohn weitergereicht. Der Bruder Tagliapietras öffnet zwar später die Schule für Frauen, für die Luxemburgerin kommt das zu spät. Auch in Schweden kann sie für eine Ausbildung nicht unterkommen. Erst das Praktikum bei einem Glasbläser im französischen Saumur bringt die entscheidende Wendung. Sie erfährt von der Eröffnung des „Centre européen de recherches et de formation aux arts verriers“ (Cerfav) in der Nähe von Toul. Sie wird dort als eine der Ersten in der Glasbläserkunst ausgebildet.

 

Ungeduldiges Temperament

Warum all die Mühen, warum Glas? Die Art, den Werkstoff zu verarbeiten, harmoniert mit ihrem Naturell. Pascale Seil spricht schnell, arbeitet gerne zügig und mag schnelle Ergebnisse. „Ich bin nicht sehr geduldig“, sagt sie. Das wache Grundrauschen, das sie ausstrahlt, ist auch in einer ruhigen Situation im Sitzen zu spüren. Keramik zu verarbeiten, ist ein Prozess mit vielen Zwischenschritten. Und selbst der letzte, das Schleifen und Polieren, kann noch alles zunichte machen. „Glas ist mir einfach näher“, sagt die Künstlerin.

Im Gegensatz zu Keramik straft Glas Pausen während der Verarbeitung sofort ab. Es kühlt schnell ab, eine nicht in einem durchgehenden Arbeitsgang vollendete Form landet zwangsläufig im Mülleimer. Glas wird auch nicht nachträglich per Glasur eingefärbt, sondern gleich farbig verarbeitet. Diese Unmittelbarkeit passt besser zu ihr.

Ihre Kunst hat einen festen Platz in Luxemburg, und nicht nur dort. Bis zu diesem Status liegen Durststrecken hinter ihr. „Die ersten Jahre waren hart“, sagt sie. Das werden viele Künstler von sich sagen, bei Glasbläsern gibt es jedoch ein paar Besonderheiten. Sie können nicht alleine arbeiten, sondern nur zu zweit. Pascale Seil beschäftigt einen fest eingestellten Mitarbeiter. Hinzu kommt der Glasofen. Er ist nicht nur eine Anfangsinvestition, die ordentlich ins Geld geht. Er muss auch rund um die Uhr betrieben werden und bedeutet ständige Energiekosten. Würde er ausgeschaltet, kühlte das Glas darin ab und wäre wertlos für den Glasbläser.

Müßig zu sagen, dass es auch keine Acht-Stunden-Arbeitstage gibt. Für Pascale Seil war und ist das keine Hürde, sie kennt das von Kinderzeiten an. Ihre Eltern waren als Metzger und Traiteur selbstständig. Bereut hat sie ihre Entscheidung nicht, sie wollte nie etwas anders machen. Ihre Objekte spiegeln diesen unbedingten Willen.