„Einfach nur blockieren bringt nichts“

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Der neue Finanzminister Luc Frieden will sich mit einer aktiven Finanzpolitik den Herausforderungen der Zeit stellen. Das sagte er im Wirtschaftspressefrühstück der Editpress-Gruppe. Mit Haushaltsdefiziten, Finanzkrise und Diskussionen über das Bankgeheimnis ist sein Agenda gut gefüllt./ Text: Christian Muller Fotos: Hervé Montaigu

„Ich mag die Schwierigkeiten und die Herausforderungen“, so Luc Frieden am Donnerstag vor den Journalisten der Editpress-Gruppe. Justizminister sei er ja sehr gerne gewesen, aber für den Bereich Finanzen brauche er derzeit 200 Prozent seiner Zeit. Auch verbringt er keine Zeit damit, sich als Nachfolger von Jean-Claude Juncker zu positionieren. „Die Frage stellt sich derzeit nicht“, so der Minister.

Nur wenigHandlungsspielraum

Mit einer gewissen Zufriedenheit erinnert er sich an die Bankenrettungen von letztem Jahr. „Das war richtig dramatisch. Mitten in der Nacht hatte ich im Namen des Staates Teile einer Bank gekauft“, sagte er. „Und wir haben unser Ziel erreicht. Das Vertrauen wurde wieder hergestellt und die Banken gerettet.“ Auch wenn diese Operationen mit Risiken verbunden waren, so wäre der gesamte volkswirtschaftliche Schaden eines Nichts-Handels noch viel schlimmer gewesen.
Dass die Rettung der ehemaligen Fortis Bank Luxemburg so verlief, wie es nun der Fall ist, sei damals auch nicht unumstritten gewesen. „Viele Leute wollten, dass wir die Bank ganz kaufen“, so der Minister. „Aber der Aufbau einer solchen rein Luxemburger Bank wäre einfach enorm teuer geworden.“
Heute bereitet sich der Minister auf den graduellen Ausstieg des Staates aus den Banken vor. „Es ist nicht normal, dass der Staat Banker spielt – dementsprechend müssen wir uns wieder zurückziehen.“
Wie der Ausstieg vonstatten gehen soll weiß Luc Frieden bereits, der Zeitrahmen steht jedoch noch nicht fest. „Nachdem wir die Bank stabilisiert haben und einen Partner gefunden haben, der Geld und Know-How mitbringt, laufen derzeit die Verhandlungen über die Zukunft und den Zusammenschluss der BGL mit der BNP“, so der Minister. Es werde aber nichts von heute auf Morgen entschieden werden. Klar ist nur, dass „die BNP Paribas unser erster Gesprächspartner sein wird. Die haben ein Vorkaufsrecht.“ Sicherzustellen sei noch, dass sich die französische Großbank auch nach einem Ausstieg des Staates an alle Abmachungen hält. Auch sei alles noch eine Frage des Preises.
Mit der Art und Weise, wie die Europäische Kommission den geretteten Banken vorschreibt, welche Unternehmensteils sie verkaufen müssen, ist Frieden nicht wirklich einverstanden. Die Kommission will die geretteten Banken verkleinern, damit die Staaten im Falle einer neuen Krise nicht wieder gezwungen sind einzugreifen. Der Minister glaubt nicht, dass es eine gute Idee sei, die Banken so zu verkleinern, dass sie kein „systemisches Risiko“ mehr darstellen. „Sowohl zum Finanzieren von großen Projekten, als auch im internationalen Wettbewerb brauchen wir einige Großbanken.“ Wichtig sei nicht die Größe der Banken, sondern dass sie aufpassen, welche Risiken sie eingehen.
Auch wenn der Minister über Nacht Milliarden aufbrachte, um Banken zu retten, so sei er dennoch „kein Freund vom Schuldenmachen“, unterstrich er. „Schulden macht man nur dann, wenn es keine andere Alternative mehr gibt.“
Laut den Prognosen soll das Haushaltsdefizit 2010 bei 4,4 Prozent des Bruttosozialproduktes liegen. Das sei zwar zu hoch – aber in Krisenzeiten akzeptabel, sagte er.
„Auch wenn unsere Verschuldungskapazität noch groß ist“, unterstrich der Minister, „so werde ich dabei nicht mitmachen, jedes Jahr neue Milliardenschulden aufzunehmen.“ Die Schuld dürfe nicht massiv anwachsen, damit die Steuern leistungsfreundlich und sozial gerecht sein können. „Da muss eine Bremse eingebaut werden.“
Vor allem ein kleines Land wie Luxemburg habe keinen großen Handlungsspielraum. Um Schulden zurückzuzahlen müssten normalerweise die Steuern erhöht werden. Da Luxemburg aber über keinen eigenen großen Binnenmarkt verfügt, würden höhere Steuern Banken und Betriebe davon abhalten, sich hierzulande niederzulassen.
Da er weder die Schulden noch die Steuern erhöhen will, arbeitet er derzeit an mehreren Pisten um Geld zu sparen. Er hat keine Angst, sich dabei unbeliebt zu machen. „Ich wurde eingesetzt um einen Job zu machen, nicht um der populärste Politiker des Landes zu sein.“
Ein weitere Faktor, der vor allem Luxemburg betrifft, ist die Abhängigkeit der Steuereinnahmen vom Finanzsektor. Er sorgt für ein Drittel aller Einnahmen, ist jedoch sehr volatil. „Wenn die Börsenkurse einbrechen, dann haben wir sofort 200 Millionen weniger in der Kasse“, so Frieden. Diese Probleme haben große Länder nicht.
Dennoch könne man stolz sein auf die Entwicklung des Finanzsektors. „In den Jahren 2004 bis 2009 wurden hier 12.000 neue Arbeitsplätze geschaffen.“ Dass es da zu einer gewissen Re-Orientierung komme sei eigentlich normal. „Mit Veränderungen müssen wir leben.“

„Mit Veränderungen müssen wir leben“

Auch beim Thema Bankgeheimnis gelte das Prinzip, dass nicht alles immer gleich bleibt. „Wie lange können wir anders sein als die anderen“, fragt sich der Minister. „Die Steuerehrlichkeit wird wegen den steigenden Haushaltsdefiziten in Zukunft eine andere Rolle bekommen.“ Darauf müssten auch die Banken mit ihrem Dienstleistungsangebot reagieren.
Auch er selbst wolle seine Vorgehensweise im EU-Ministerrat ändern. Nicht auf die Politik des einfachen Blockierens von Gesetzesvorschlägen will er setzen, sondern auf das Unterbreiten von eigenen Vorschlägen. „Einfach nur blockieren bringt nichts“, diese Politik koste einen hohen politischen Preis und verunsichere die Kunden des Finanzplatzes. „Mit dem Rücken zur Wand stehen schadet dem Land.“
Zwischen einem totalen Bankgeheimnis und einem automatischen Informationsaustausch gebe es noch viel Spielraum. Er setze sich dafür ein, dass der EU-Binnenmarkt funktioniert, dass grenzübergreifende Gelder besteuert werden müssen, und, dass Gelder nicht aus der EU abfließen.
„Dass wir nicht mehr auf der Grauen Liste stehen ist bereits ein großer Schritt, der dazu geführt hat, dass Frankreich und Deutschland ihre Einstellung gegenüber Luxemburg geändert haben.“ 

Stationen seines Lebens
Etudes secondaires im Lycée des garçons in Esch/Alzette und im Athénée in Luxemburg
1986: Maîtrise de droit des affaires an der Université de Paris I
1987: Master of Comparative Law and Legal Philosophy an der Universität Cambridge
1988: Master of Law an der Harvard Law School
1989: Anwalt am Barreau de Luxembourg
1994: Parlamentarier, Vorsitzender der Finanz- und Budgetkommisson
1998: Justizminister, Budgetminister und Verantwortlicher für die Einführung des Euro in Luxemburg
1999: Justizminister und Budgetminister
2004: Minister für Justiz, Budget, Verteidigung und Innere Sicherheit
2009: Finanzminister