„Ein Ausweg aus der Krise nur mit uns“

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Ein Ausweg aus der Krise ist ohne oder gegen die Gewerkschaften nicht möglich, sagt OGB-L-Präsident Jean-Claude Reding in einem Tageblatt-Interview. Bei der Großkundgebung am 16. Mai soll dies nochmals klar betont werden.

Tageblatt: Böse Zungen behaupten, der OGB-L feiere seinen 1. Mai am 16. Mai?
Jean-Claude Reding:
„Beim 16. Mai geht es nicht darum, eine andere Form der 1.-Mai-Demonstration zu veranstalten. Diese Kundgebung hat etwas mit den Entwicklungen im Lande zu tun. Wir sehen, dass das Patronat die Krise für Sozialabbau missbraucht. Am 16. Mai wollen wir ein klares Signal an die Regierung, die Parteien und das Patronat geben, dass es keine Antwort aus der Krise ohne oder gegen die Gewerkschaften geben kann, dass es keine Antwort geben kann, die mit Sozialabbau gleichzusetzen ist. Warum der 16. Mai? Weil man Zeit für Mobilisierung und Information der Mitglieder braucht.“

„T“: Sie sprachen von Unternehmen, die die Krise für Abbau missbrauchen …
J.-C. R.:
„Wir stellen fest, dass unsere Gesetzgebung über Mitbestimmung unzureichend ist. Wir können nicht überprüfen, ob die Angaben der Betriebe stimmen. Es gibt natürlich Betriebe und Sektoren, die Schwierigkeiten haben, dennoch muss man das hinterfragen können. Insbesondere bei großen internationalen Gruppen. Zweitens stellen wir fest, dass überall dieselben Patronatsforderungen erhoben werden. Das ist eine konzertierte Aktion. Wir können doch einer Forderung nach Senkung der Lohntarife nicht zustimmen. Wir erleben derartiges derzeit in der Stahlindustrie, im Versicherungssektor, im Sozialbereich.“

„T“: Sind das alles Vorzeichen dessen, was nach den Wahlen kommen kann?
J.-C. R.:
„Die Fédil hat gesagt, sie warte auf Strukturreformen seitens der Regierung. Das ist schon erstaunlich: International beginnen immer mehr Menschen darüber nachzudenken, ob die bisher propagierte Politik die richtige war. Nur in Luxemburg tischen Fédil und Handelskammer nach dem ersten Schock im vergangenen Jahr erneut die alten Rezepte auf. Ein Umdenken beim Luxemburger Patronat steht noch aus.“

„T“: Zurück zur 16.-Mai-Kundgebung. Haben Sie als Initiator mit einer solch starken Zustimmung seitens der andren Gewerkschaften gerechnet?
J.-C. R.:
„Wir sind natürlich erfreut darüber, zumal wir nicht wussten, wie das Echo sein werde. Wir hatten gleich betont, dass wir diese Kundgebung durchziehen würden. Der Landesverband war von Anfang an beteiligt. Erfreut waren wir, dass CGFP und Aleba zusagten, und auch die Reaktion des LCGB war positiv. Das ist ein Zeichen für die große Unzufriedenheit im Land. Positiv überrascht hat uns auch die spontane Zusage anderer Organisationen wie der ‚Foyer de la femme‘.“

„T“: Auch politische Parteien wollen mitmachen, dabei soll das Ganze parteipolitisch neutral sein …
J.-C. R.:
„Wir haben mit den anderen Gewerkschaften über den Ablauf der Kundgebung geredet. Wir verständigten uns darauf, dass an der Spitze des Umzugs nur Mitglieder der Gewerkschaftsführungen gehen sollen. Wir bitten alle Politiker, die mitmachen, sich im Umzug einzureihen. Sie dürfen nicht davon ausgehen, an der Spitze mitgehen zu dürfen. Andernfalls wir sie freundlich, aber bestimmt daran erinnern werden, wo ihr Platz ist.“

„T“: Was ist mit Kandidaten, die noch nicht im Parlament waren?
J.-C. R.:
„Es gibt einige Gewerkschafter, die Probleme haben, weil sie auf mehreren Hochzeiten tanzen wollen. Sie müssen damit leben. Es ist schon seltsam, wenn nun gefordert wird, man dürfe die Kundgebung parteipolitisch nicht missbrauchen.“

„T“: In Ihrem Leitartikel in der letzten Aktuell-Ausgabe schreiben Sie, man müsse von der Politik weg, die in die Krise geführt hat. Ist das mit den aktuellen Politikern im Lande, mit der aktuellen EU-Kommission denn möglich?
J.-C. R.:
„Am 7. Juni haben wir auch Europawahlen. Da ist es wichtig, dass die Kandidaten gewählt werden, die die Positionen der Gewerkschaften teilen. Auch ich bin der Ansicht, dass die Bilanz der Barroso-Kommission auf sozialem Plan negativ ist. Die Europawahlen sind wichtig, gleichzeitig müssen wir den außerparlamentarischen Druck aufrechterhalten. Es gibt eine gewisse politische Desillusionierung und Desorientierung. Umso größer ist die Rolle der Gewerkschaften, damit es zu politischen Veränderungen kommt.“

„T“: Und in Luxemburg?
J.-C. R.:
„Das gilt auch für Luxemburg. Die Menschen wissen, dass sie mit den Gewerkschaften neben der Politik eine zweite Interessenvertretung haben. Auch darum geht es am 16. Mai. Dieser Tag muss zeigen, dass es nicht ohne oder gegen die Gewerkschaften geht, sondern nur mit den Menschen. Er muss zeigen, dass einige Sachbereiche unverhandelbar sind, u.a. unser Sozialversicherungssystem. Oder der Index, zu dem der Premierminister in der Erklärung zur Lage des Landes erneut keine klare Aussage gemacht hat.“

„T“: Jeder spricht von Reformen. Wie soll das Land denn nach der Krise aussehen?
J.-C. R.:
„Wir wissen, dass der Bankensektor nicht mehr die Rolle spielen wird, die er bisher gespielt hat, weil definitiv Schluss ist mit den Souveränitätsnischen. Das kann einem schmecken oder nicht, Tatsache aber ist, dass fast alle EU-Regierungen Luxemburg dies unmissverständlich gesagt haben. Was heute für den Bankensektor gilt, zählt morgen für andere Bereiche. Man muss die Entwicklungspotenziale in der Industrie, im Handwerk, im Dienstleistungsbereich untersuchen und wie sie mit der Umweltpolitik und mit einer Politik für die Großregion verknüpft werden können. Außer Schlagworten ist da nicht viel zu vernehmen. Diese Neuorientierung muss sich bei der nächsten Regierung bis in die Ressortaufteilung widerspiegeln. Warum haben wir keinen Minister für die Großregion? Brauchen wir getrennte Mittelstands- und Wirtschaftsministerien? Zweitens muss man auch klar sagen, was wir nicht wollen. Wir wollen den sozialen Zusammenhalt, den sozialen Schutz der Menschen nicht abbauen. Drittens muss man das Mitspracherecht verbessern, damit die Menschen nicht das Gefühl haben, in ihrem Betrieb einfach eine Variable zu sein.“

„T“: Könnte der Sozialgipfel am 6. Mai der Beginn von derlei Diskussion sein?
J.-C. R.:
„Der Sozialgipfel ist unserer Ansicht nach ein Beispiel dafür, wie man derlei Treffen nicht angehen sollte. Normalerweise nimmt man im Vorfeld Kontakt zu den Teilnehmern auf, um zu fragen, was sie beizutragen gedenken. Wir dachten, das würde am 21. April bei der Sitzung des ständigen Beschäftigungskomitees geschehen. Diese Sitzung wurde aber abgesagt. Stattdessen wurde die Zusammenkunft am 6. Mai anberaumt und man stellte uns Dokumente der EU-Kommission aus dem vergangenen Jahr zu. Das sind Texte, die wir üblicherweise im Wirtschafts- und Sozialrat erörtern. Die genaue Tagesordnung des 6. Mai ist mir bis jetzt noch nicht klar. Wir müssen den Sozialdialog auf nationalem Plan ernsthafter angehen. So wie es derzeit läuft, kann man nicht produktiv arbeiten.“

„T“: Ist der Sozialgipfel nicht der Versuch, der Großkundgebung am 16. Mai den Wind aus den Segeln zu nehmen?
J.-C. R.:
„Ich glaube, der 6. Mai wird die Notwendigkeit der Kundgebung vom 16. Mai für Beschäftigungssicherung und für die Rechte der Beschäftigten unterstreichen. Ich glaube, dass dann eine ernsthafte Diskussion darüber möglich sein wird.“
lmo