Digital Inclusion: Computer und Smartphones für Flüchtlinge und Arbeitslose

Digital Inclusion: Computer und Smartphones für Flüchtlinge und Arbeitslose
Patrick de la Hamette (hintere Reihe, Mitte) mit seinen acht Angestellten und vier ehrenamtlichen Helfern

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Ohne Computer oder Smartphone geht heute gar nichts mehr. Das Projekt Digital Inclusion bringt zusammen mit Flüchtlingen und Arbeitslosen alte Rechner wieder auf Vordermann und stellt sie Bedürftigen zur Verfügung. Die kleine Privatinitiative hat sich innerhalb von zwei Jahren zu einem einzigartigen Erfolgsprojekt entwickelt.

Patrick de la Hamette (41) ist hauptberuflich IT-Ingenieur beim „Centre commun de la sécurité sociale“. Während seines Studiums in der Schweiz kam er mit sozialen Projekten in Kontakt und hat sich ehrenamtlich bei Amnesty International engagiert. Vor über zwei Jahren lernte er bei ersten Welcome Meetings in Luxemburg Flüchtlinge kennen und stellte fest, dass vielen der Umgang mit Computern zwar nicht fremd war, doch hatten sie keinen Rechner zur Verfügung, den sie benutzen konnten.

Über Facebook forderte er Freunde und Bekannte dazu auf, ihm gebrauchte Computer zu überlassen, die er zusammen mit Flüchtlingen auf dem Dachboden seines Hauses instand setzte. Auch um ihnen eine Abwechslung zu dem trostlosen Alltag in den Heimen zu bieten.

Förderung der digitalen Inklusion

Nach zwei Medienberichten über die Initiative nahmen die Anfragen rapide zu. Der Dachboden wurde schnell zu klein und de la Hamette beschloss, sein Projekt auszubauen. Zusammen mit der Soziologin Isabelle Mousset gründete er im Februar 2016 die Digital Inclusion asbl. Die Vereinigung verfolgt drei Zielsetzungen. Die erste ist die Förderung der digitalen Inklusion. Dabei geht es darum, Menschen zu helfen, die keinen Zugang zur digitalen Welt haben.

Die zweite Zielsetzung ist die soziale Inklusion mit technischen Hilfsmitteln. So wird zum Beispiel ein Kurs angeboten, bei dem gezeigt wird, wie man sich mithilfe eines Computerprogramms selber Französisch beibringen kann. Die dritte Zielsetzung ist der Umweltschutz durch das Recycling der Hardware.

Viel Unterstützung

Die Philosophie von Digital Inclusion erläutert de la Hamette wie folgt: „Wir sind auf dem Weg in eine Informationsgesellschaft, in der Computer und Smartphone eine immer wichtigere Rolle spielen. Wer nicht über diese Geräte verfügt, ist äußerst benachteiligt. Wir wollen den Menschen helfen, die aus finanziellen oder anderen sozialen Gründen keinen Zugang zur digitalen Welt haben.“

Dieses Konzept wusste zu überzeugen. Schon kurze Zeit nach der Gründung der gemeinnützigen Vereinigung klopfte die „Œuvre nationale de secours Grande-Duchesse Charlotte“ mit ihrem Förderprogramm „Mateneen“ an. Dank ihrer Unterstützung wurde aus der kleinen Privatinitiative ein semiprofessionelles Projekt. Im Sommer 2016 konnte die Digital Inclusion asbl. zwei Mitarbeiter einstellen und einen größeren Raum in dem ehemaligen Sogel-Gebäude in Bonneweg anmieten, wo die „Croix-Rouge“ seit September 2015 das soziale Projekt Hariko betreibt.

An Unterstützung mangelte es nicht. Neben Privatpersonen spendeten auch immer häufiger öffentliche Einrichtungen und privatwirtschaftliche Unternehmen ihre ausgediente IT-Hardware an Digital Inclusion. Je nach Zustand werden die Rechner entweder repariert oder formatiert und anschließend verteilt. Empfänger sind nicht nur Flüchtlinge, sondern auch einheimische Sozialhilfeempfänger. Darüber hinaus stattet die Initiative Flüchtlingsheime und soziale Projekte mit Computern aus.

Angebot wird erweitert

Neben dem Recycling von Rechnern bietet Digital Inclusion seit 2017 auch Kurse und Workshops an, die sich zwar vordergründig an Flüchtlinge richten, doch auch allen anderen sozial Benachteiligten offenstehen. Dort lernen sie den Umgang mit Computerprogrammen. „Wir haben eine bilinguale Herangehensweise entwickelt. Das Textverarbeitungsprogramm Word wird anhand von Folien auf Englisch oder Französisch unterrichtet. Die Kursleiter und ihre Helfer beherrschen aber auch Sprachen wie Arabisch oder Portugiesisch, wodurch den Einwanderern das Lernen erleichtert wird. Wir passen uns ihrem jeweiligen Migrationshintergrund an“, erklärt de la Hamette.

Am heutigen Donnerstag feiert Digital Inclusion ihr zweijähriges Bestehen. Mittlerweile beschäftigt die Vereinigung acht Angestellte. Die Hälfte davon sind Flüchtlinge, die restlichen Arbeitnehmer ehemalige Arbeitslose aus Luxemburg. Die meisten der Angestellten und rund 90 ehrenamtliche Helfer seien selbst von Digital Inclusion ausgebildet und anschließend übernommen worden, betont de la Hamette.

Über 1.000 Computer wurden in den vergangenen beiden Jahren von der Initiative repariert und anschließend verteilt. Dank der Unterstützung des neuen Programms „Yes we care“ der „Œuvre nationale de secours Grande-Duchesse Charlotte“ und finanzieller Hilfe der US-Botschaft und der State Street Bank sollen künftig nicht nur Rechner und Laptops, sondern auch Smartphones wiederverwertet werden.

Eine richtige Schule aufbauen

In Zusammenarbeit mit dem Arbeitsministerium soll das Kursangebot im Rahmen eines Projekts des „Fonds social européen“ in diesem Jahr maßgeblich erweitert werden. Auch externe Ausbilder sollen künftig miteinbezogen und die Kurse pädagogischer gestaltet werden. Am Ende des Jahres erhalten die Teilnehmer ein Zertifikat, das ihnen die Jobsuche auf dem freien Arbeitsmarkt erleichtern soll. „Wir wollen eine richtige Schule aufbauen, wo jeden Tag Kurse stattfinden“, sagt de la Hamette.

Inzwischen ist Digital Inclusion in ein größeres Gebäude in Howald umgezogen. Genau wie das Hariko soll auch dieses Gebäude bald abgerissen werden. „Wir wollen keinem Büroflächen wegnehmen, sondern ungenutzten Raum verwenden. Diese Vorgehensweise reiht sich in unsere Recycling-Philosophie ein“, erläutert der Präsident der asbl. Die neue Unterkunft wurde in den vergangenen Wochen von Flüchtlingen und anderen Arbeitslosen eingerichtet und mit Zwischenwänden versehen.

„In den letzten beiden Jahren haben rund 100 Menschen unsere Kurse und Workshops besucht. Doch in diesem Jahr peilen wir die 1.000er-Marke an“, meint der IT-Ingenieur. Doch trotz des großen Erfolges und der zweifachen Auszeichnung mit dem Europe Start-up-Award als bestes soziales Projekt in Luxemburg will Digital Inclusion eine gemeinnützige Vereinigung bleiben. Profitorientiert zu arbeiten sei nicht geplant, betont de la Hamette.
Die „Porte ouverte“ findet am Donnerstag ab 17.00 Uhr in dem neuen Gebäude in Howald (183, route de Thionville) statt.

Nëckel
22. Februar 2018 - 15.47

Ich würde nicht behaupten, dass "ohne" gar nichts mehr geht. Vielleicht "kônnen" viele einfach nicht mehr "ohne" ! Man hat den Eindruck, dass jeder Schritt technischer Fortschritt einen Schritt zurück beim Menschen bedeutet.