Die BnL platzt aus allen Nähten

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Frühestens 2013 soll Luxemburg eine neue Nationalbibliothek erhalten. Das erklärte Staatssekretärin Octavie Modert jüngst im Parlament. Der derzeitige Standort wird den Anforderungen einer modernen Bibliothek seit Jahren bereits nicht mehr gerecht. Tom Wenandy

Eine „never ending story“: Mit diesen Worten bezeichnete Ben Fayot am vergangenen 16. Oktober im Parlament die Nationalbibliothek. Ausgangspunkt für die vom LSAP-Abgeordneten beantragte Interpellation war der Platz- und Personalmangel in der „Bibliothèque nationale de Luxembourg“ (BnL).
Dass die Räumlichkeiten in der am Boulevard Roosevelt gelegenen BnL nicht mehr zeitgemäß sind, ist seit geraumer Zeit bekannt. Seit Anfang der 70er Jahre, als die Nationalbibliothek in die renovierten Räume des ehemaligen Athenäums zog, spitzte sich die Lage immer mehr zu. Um das Problem des chronischen Platzmangels zu beheben und um die Einrichtungen den Herausforderungen einer modernen Bibliothek anzupassen, beschließt die Regierung Anfang 2002, die Nationalbibliothek, die damals wie heute auf mehrere Ausweichstandorte zurückgreifen musste, an einen zentralen Ort, im Europaviertel auf Kirchberg, anzusiedeln. Die Wahl fällt auf das Robert-Schuman-Gebäude auf der place de l’Europe. Ein Architektenwettbewerb zum Umbau des bis dato von der Verwaltung des Europäischen Parlaments genutzten Gebäudes wird veranstaltet, den Zuschlag erhält 2003 das deutsche Architektenbüro Bolles & Wilson. 2004 wird ein Gesetzesvorentwurf eingebracht, im Herbst des darauf folgenden Jahres kündigt die Regierung denn aber an, dass die neue Nationalbibliothek nicht zu den Projekten zählt, die 2006 und 2007 umgesetzt werden sollen. Als Grund werden Verspätungen bei dem für diese Zeitspanne geplanten Umzug der rund 600 EU-Beamten des Schuman-Gebäudes genannt.

Skepsis

Die Direktorin der BnL, Monique Kieffer, sieht die Aussagen von Staatssekretärin Octavie Modert, die Bibliothek könne vielleicht noch 2013 umziehen, mit einer gewissen Skepsis. „In einem Gutachten des Europäischen Parlaments steht, dass die neuen Räumlichkeiten für die EU-Beamten, die derzeit im Schuman-Gebäude arbeiten, erst 2014 fertig gestellt sein werden“, erklärt sie.
Demnach und wenn keine andere Lösung gefunden würde, könne erst in knapp sechs Jahren mit dem Abriss des Schuman-Gebäudes, zu dem die Regierung sich mittlerweile entschlossen hat, und mit dem Neubau für die Nationalbibliothek begonnen werden. 2015 beziehungsweise 2016, wenn nicht sogar 2017 erscheint demnach realistischer als Eröffnungsjahr für eine neue Nationalbibliothek auf Kirchberg. Derweil versuchen die Verantwortlichen der BnL das Beste aus der aktuellen Situation zu machen.
„Momentan werden verschiedene Umbauarbeiten durchgeführt“, erläutert die BnL-Direktorin. „Um unserer Mission als Nationalbibliothek gerecht zu werden, müssen wir auch die letzte Ecke des Gebäudes bestmöglich ausnutzen.“
Eine dauerhafte Lösung sei dies aber nicht. „Wir haben keinen Millimeter Platz mehr, es mangelt an vielem.“
Der Eingangsbereich entspreche nicht mehr den modernen Sicherheitsbedingungen, Lesesäle, ein spezieller Raum für die seltenen und wertvollen Werke, ein Ausstellungs- sowie ein Konferenzraum fehlen.
Und auch die derzeit limitierten Öffnungszeiten (die BnL hat z.B. samstagnachmittags geschlossen) entsprechen nicht mehr den Bedürfnissen der Leser. „Um diesen Umstand genau wie die chronischen strukturellen Probleme in allen anderen Bereichen auch beheben zu können, brauchen wir aber mehr Personal“, beklagt Kieffer.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer aber bleibt: Vor drei Wochen hat das Parlament einstimmig eine Motion verabschiedet, in der die Regierung dazu aufgefordert wird, die Probleme der BnL noch vor Ablauf dieser Legislaturperiode anzugehen. 

DIE NATIONALBIBLIOTHEK IM LAUFE DER ZEIT
1798
Die „Ecole centrale du Département des Forêts“, der Vorläufer der Nationalbibliothek, wird von den französischen Behörden ins Leben gerufen. Untergebracht wird die „Zentralschule“ in den Gebäuden des ehemaligen Jesuitenkollegiums, dem zukünftigen „Athénée de Luxembourg“. 

1899
Im Kontext eines aufstrebenden Nationalgefühls taucht erstmals die Bezeichnung „Nationalbibliothek“ auf. 

1913
Darauf bedacht, der Nationalbibliothek adäquate Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, lanciert Staatsminister Paul Eyschen am Vorabend des 1. Weltkriegs einen Architektenwettbewerb. Geplant ist, die Nationalbibliothek am „Piquet“, Ecke rue Beck – rue Aldringen, unterzubringen. Die zwei Weltkriege, die Krisen der Zwischenkriegszeit und der Wiederaufbau nach 1945 verhindern die Realisierung des Projekts. 

1942
Die Nationalbibliothek wird von den deutschen Besatzern in ein für sie reserviertes Gebäude am Boulevard Royal verlegt. 

1973
Die Nationalbibliothek öffnet ihre Tore im renovierten, ehemaligen Athenäum am Boulevard Roosevelt. Dieser Umzug ist für die Bibliothek gleichbedeutend mit einem erheblichen Qualitätssprung, insbesondere was die Lesesäle betrifft. Allerdings erweist sich das Gebäude von Anfang an als zu klein und wird den Anforderungen einer modernen Bibliothek nicht gerecht. 

April 1985
Die Nationalbibliothek entgeht nur knapp einer Katastrophe: Der älteste Turm der Kathedrale brennt ab und droht auf das Dach der Bibliothek zu stürzen. Die Dachspeicher der Nationalbibliothek sind überfüllt mit Büchern. 

1995
Gutachten des deutschen Experten Fuhlrott: Erster Warnruf in Bezug auf den Zustand der Bestände der Nationalbibliothek. 

Februar 2002 
Die Regierung beschließt, die Nationalbibliothek in einem neuen Bau, der auf dem Gelände des Schuman-Gebäudes auf der place de l’Europe entstehen soll, unterzubringen

 

EINIGE ZAHLEN
– 1,3 Millionen Einheiten (Bücher, Dokumente, Pläne, Manuskripte …) befinden sich im Besitz der BnL 
– 67.000 Besucher verzeichnete die BnL im vergangenen Jahr
– 22.000 elektronische Titel („e-journals“) umfasst das Angebot der BnL