Der letzte Gemeinverbrecher wurde 1948 hingerichtet

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Luxemburg war eines der letzten europäischen Länder, in dem die Todesstrafe abgeschafft wurde. Erst am 17. Mai 1979 fand sich eine Majorität von Abgeordneten, die dem Projekt von Robert Krieps zustimmte./ Romain Durlet

Ähnliche Versuche waren in der Vergangenheit gescheitert und es bedurfte schon einer gewissen politischen Courage, um für die Abschaffung einzutreten.Im Strafgesetzbuch von 1879 hatte es geheißen: „Jeder zum Tode Verurteilte wird enthauptet. Die Hinrichtung ist innerhalb der Mauern des durch das Todesurteil zu bezeichnenden Gefängnisses zu vollziehen.“ Festgelegt wurde weiter, wer an der Exekution teilnehmen musste oder durfte.
Die Todesurteile, die von 1879 bis nach dem Zweiten Weltkrieg gesprochen wurden, wurden jeweils durch Begnadigung in lebenslängliche Zwangsarbeit umgewandelt.
Die Bestimmungen waren klar: Jene, die zum Tode verurteilt wurden, wurden mittels Guillotine enthauptet; die Todesurteile, die an jene ergingen, die gegen die äußere Sicherheit des Staates verstoßen oder sich der Kriegsverbrechen schuldig gemacht hatten, wurden durch Erschießen vollstreckt.
Die Praxis das stellte die nach dem Krieg ins Leben gerufene Kommission fest, war allerdings nicht einfach und man versuchte, eine andere Lösung dem Fallbeil gegenüberzustellen. So kam die Idee auf, die Todesstrafe durch Erhängen zu vollziehen und eine Maschine, ähnlich der, wie sie bei den Nürnberger Prozessen benutzt wurde, zu errichten. Das Anmieten solch eines Apparates bei unseren französischen Nachbarn inklusive der „Dienstleistung“ des Henkers war rein zeitmäßig nicht möglich, da die Hinrichtung gleich nach der unvorhersehbaren Verkündigung des Ablehnens des Gnadenersuches stattfinden musste.
Der Ankauf der Apparatur erwies sich als zu teuer und hätte sich auf 200.000 Franken belaufen. Zudem gab es keinen geeigneten Platz im Grundgefängnis, wo man sie hätte aufstellen können.„La Commission a jugé avec soin les avantages et inconvénients de cet appareil d’exécution; elle a décidé unanimement de ne pas le recommander.“ So wurde das Enthaupten schließlich durch Gesetz vom 2. April 1948 abgeschafft und durch Erschießen ersetzt.
18 Todesurteile wurden nach dem Krieg gesprochen. Acht Kollaborateure wurden zwischen 1945 und 1949 hingerichtet, einer wurde im Abwesenheitsverfahren verurteilt und sechs weitere wurden begnadigt. Drei wurden aufgrund der gemeinrechtlichen Bestimmungen zur Kapitalstrafe verurteilt, davon einer im Kontumatialverfahren. Der letzte zum Tode Verurteilte wurde am 30. Mai 1958 begnadigt.
1948 hatte Großherzogin Charlotte keine Gnade walten lassen und die Strafe eines mehrfachen Mörders nicht abgeändert. Es handelte sich dabei um Nikolaus Bernardy, der im August desselben Jahres erschossen wurde.

Fünffacher Mord

Bernardy, Jahrgang 1897, hatte 14 Verurteilungen in seinem Strafregister. So hatte er u.a. noch zu Kriegsbeginn eine Gefängnisstrafe von zehn Jahren in Luxemburg abzubüßen. Der in Everlingen gebürtige Bernardy wurde von den Deutschen während der Kampfhandlungen nach Rheinbach, dann nach Butzbach verlegt und schließlich von den Amerikanern freigelassen.
Am 19. Juli 1945 verließ er Steffeln und kam mit einem Fahrrad nach Luxemburg. Zwei Tage später kam es zu einem regelrechten Massaker im Windhof bei Ettelbrück. Die Bewohner des Hofes, Vater Johann Weyer, Mutter Susanna Gaspars und Sohn Mathias Weyer, wurden auf Stühlen gefesselt kaltblütig mit Gewehrschüssen getötet. Auch der Knecht Josef Lucas und die Magd Leonie Colling wurden brutal umgebracht.
Die Polizei- und Untersuchungsbeamten werden später auf einen Raubmord schließen, denn Bernardy, der auf dem Hof vorstellig gewesen war, hatte 1.400 Franken und eine Reihe von Wertsachen entwendet. Hatte er also Familie und Personal wissentlich und willentlich getötet, um seinen Raub zu verheimlichen und unangenehme Zeugen zu liquidieren?

Um 5.15 Uhr…

Zu Beginn der Untersuchung gestand er die Tat, erklärte sich dann aber für unschuldig und wollte ein neues psychologisches Gutachten anfordern, das ihm jedoch versagt wurde. Der Assisenhof, präsidiert von Pierre Schaack und bestehend aus Charles Eydt, Alphonse Huss, Marcel Reckinger, Lucien Lehnertz und Paul Eichhorn, folgte der Forderung des Generaladvokaten Jean Kauffmann, befand Bernardy der Tat für schuldig und verurteilte ihn zum Tode. Der Verurteilte nahm das Verdikt teilnahmslos an. Er wird in der Folge ein Gnadengesuch einreichen – ein Berufungsverfahren war bekanntlich vor dem Assisenhof nicht möglich –, doch die Großherzogin wies dieses ab.
Am 7. August morgens um 4.45 Uhr traten der Obergerichtsschreiber und der Generalanwalt in die Zelle des Nikolaus Bernardy und erklärten ihm, dass durch großherzoglichen Beschluss vom Vortag das Gnadengesuch abgelehnt und die Hinrichtung auf 5.15 Uhr festgelegt sei, also genau eine halbe Stunde später! Dem Todeskandidaten wurde zugestanden, sich ein letztes Mal zu äußern, mündlich oder schriftlich, und seinen letzten Willen zu bekunden.
Um 5.05 Uhr ließ der Generaladvokat Bernardy zum Gefängnisverwalter überführen, von wo aus er zum Hinrichtungspeloton gebracht wurde.Der Gefängnisarzt stellte den Tod des Nikolaus Bernardy um 5.23 Uhr fest. Und es wird in den Akten festgehalten: „Tant avant que lors de l’exécution, aucun incident ne s’est produit“.Was den heute verstorbenen Generalstaatsanwalt Alphonse Spielmann in seiner Abhandlung über die Todesstrafe zur Bemerkung verleitet „a entendre les personnes ayant assisté à l’exécution (…) la phrase stéréotype se passe de tout commentaire“.
Nur 32 Ja-Stimmen
Die blau-rote Regierung war bei der Abstimmung über die Abschaffung der Todesstrafe keineswegs plebiszitiert worden: 32 Abgeordnete antworteten mit Ja, 14 mit Nein und 10 enthielten sich der Stimme!Im Jahre 1947 hatte eine deutsche Liberale erklärt: „Der Staat gibt kein Leben, also darf er auch kein Leben nehmen!“Eine Aussage, die jene, die für die Hinrichtung eintreten, sich einmal durch den Kopf gehen lassen sollten.