„Das Spiel der freien Märkte hat versagt“

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Das Parlamentsbüro wurde gestern einstimmig bestätigt. Auch die letzte Session der Legislaturperiode wird demnach von Lucien Weiler (CSV) präsidiert. Nach längerer Abwesenheit infolge eines Schlaganfalls war es für den ADR-Abgeordneten J.-P. Koepp auch seine ganz persönliche Rentrée. Einziger Tagesordnungspunkt der ersten Sitzung war eine Erklärung von Premierminister Juncker zu der weltweiten Finanzkrise. Léon Marx

Die Welt erlebe derzeit die tiefste Finanzkrise seit Ende des Zweiten Weltkriegs, erklärte Premierminister Juncker. Den Ursprung der Krise sieht er in einer Wirtschaftspolitik des schnellen Reichtums, die jedwede Regulierungsbemühungen als Bremse sah und glaubte, im 21. Jahrhundert gelte das einfache Einmaleins nicht mehr. „Das Spiel der freien Märkte hat einen riesigen Scherbenhaufen produziert, die Politik ist jetzt dabei, die Scherben zu kitten.“
Die Ursache der Entwicklung sieht Juncker in den USA. Dort entwickelte, toxische Finanzprodukte schwappten am Ende auf den europäischen Markt über, „auch weil viele Banken in außergewöhnlicher Weisheit solche toxische Produkte gekauft hatten“.
Schuld sei aber auch die US-Regierung, die mit Lehman Brothers eine systemrelevante Bank fallen ließ, so Juncker. „Als dann auch noch der amerikanische Rettungsversuch stockte, geriet das ganze System ins Rutschen.“ Es geht nicht darum, Banken und große Aktionäre zu retten, es geht darum, „zu verhindern, dass die Finanzkrise auf die schon leicht infizierte Realwirtschaft übergreift“, betont er. Durch die Konzertation innerhalb der EU und der G7 sei es gelungen, eine globale Antwort auf die von den USA ausgegangene Krise zu finden.
Die Geschichte werde zeigen, dass dabei auch der Euro als Gemeinschaftswährung von zentraler Bedeutung war.
Juncker warnt allerdings: „Die Krise ist noch nicht vorbei.“ Mit Nachdruck erinnert er an die zentralen Punkte des Rettungspakets, das am Sonntag in Paris geschnürt wurde.
„Keine systemrelevante Bank wird fallen gelassen, die Einlagen sind sicher, es gibt keinen Grund, Erspartes und andere Produkte hin und her zu bewegen“, so die zentralen Aussagen.
Was die Anhebung der Einlagensicherung von 20.000 auf 50.000, eventuell 100.000 Euro angeht, so will die Regierung den für heute Mittwoch erwarteten Direktivenentwurf abwarten und am Freitag im Ministerrat analysieren.
Juncker betonte gestern auch, dass die Regierung ihr Mitspracherecht in der Fortis/BGL und der Dexia nutzen werde, auch was die Gehälter der Spitzenleute angehe. Man sei eigentlich gegen „goldene Fallschirme“. Falls das nicht durchsetzbar sei, dann müssten aber auf jeden Fall diejenigen, die sie aufspannen, sie integral versteuern.
Eine weitere Präzision zu dem, was seit dem Wochenende bekannt ist: Neben den weitreichenden Staatsgarantien für Banken werden auch die Geldmarktfonds von den nationalen Zentralbanken abgesichert.

Keine Vollkasko für Großaktionäre

Juncker macht aber auch deutlich, dass der Rettungsplan keine Vollkaskoversicherung sei. „Führungskräfte und große Aktionäre, die grobe Fehler gemacht haben, werden zur Verantwortung gezogen.“
Dem luxemburgischen Management von Fortis und Dexia stellte Juncker eine gute Zensur aus. „Das hat in den letzten Wochen eine absolut gute Leistung gebracht. Deshalb kommt es auch nicht zu Umstellungen in Direktionen.“ Langfristig müsse der Finanzmarkt sicherer aufgestellt werden, so Juncker. „Wir brauchen strengere Regeln.“ Dabei müssten auch Chinesen, Inder und andere eingebunden werden, genau wie die Länder Afrikas, über deren Problem mit der aktuellen Krise erstaunlich wenig geredet werde. 

„Kleinere Brötchen“

Für Laurent Mosar (CSV) liegen die Ursachen der Krise in einem „System, das nichts mehr mit der realen Welt zu tun hatte“. Ein Zusammenbruch von Fortis und Dexia hätte „unvorstellbare Folgen gehabt“. Die Bankenwelt, aber auch der Staat müsse sich darauf einstellen, „dass kleinere Brötchen gebacken werden und die Steuereinnahmen nicht mehr ganz so üppig fließen werden“.

„Es gab keine Alternative zur Rettung von Fortis und Dexia“, meint auch Claude Meisch (DP). Und ergänzt: „Wir sollen nicht generell den Bankensektor verteufeln, wissend, dass Luxemburg viel davon profitiert hat und ihn auch weiter braucht.“ Ja, wir brauchen schärfere Regeln, aber wir sollten uns nichts vom Ausland aufdrängen lassen, was dem Standort am Ende schaden könnte, warnt er. Fallenlassen von Lehman Brothers durch die USA war Experiment, das gescheitert ist. Braucehn mehr Transparenz. Risiko muss bei Finanzinvestitionen klar gekennzeichnet werden, neues Ratungsystem notwendig.

Es sei wichtig, dass der Impakt der Rettung auf das Budget 2009 richtig eingeschätzt werde, so Ben Fayot. Viele Länder verschuldeten sich auf Jahre, auch das luxemburgische Engagement sei beträchtlich. Die Krisenbewältigung sei aber auch eine Bestätigung für Europa und den Euro. meint er. Hochrisikogeschäfte sollten verboten werden, fordert der LSAP-Fraktionschef.

Viele werden von der Finanzkrise Schaden davontragen, während andere mit goldenen Fallschirmen flüchteten und sich jetzt klein machen, bemerkt François Bausch (Grüne). Es gebe aber auch Gewinner, notiert er. Einer davon sei „die Realwirtschaft, die rehabilitiert wurde“.

Für Gast Gibéryen (ADR) ist auch Europa einer der Gewinner der Krise. Nur dank der EU sei es möglich gewesen, auf eine globale Entwicklung global zu reagieren. Er könnte sich auch vorstellen, dass der Staat nicht nur übergangsweise, sondern langfristig Aktionär de r Fortis/BGL und der Dexia bleibe.