Sorge vor mehr Gewalt in Afghanistan nach Gesprächsabbruch

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In Afghanistan wächst die Angst vor noch mehr Gewalt. Hintergrund ist der Abbruch der Gespräche zwischen der US-Regierung und den radikalislamischen Taliban. Es gibt viele Spekulationen, warum US-Präsident Trump die Reißleine gezogen hat.

In Afghanistan wächst nach dem Abbruch der USA-Taliban-Gespräche die Furcht vor einer Eskalation der Gewalt im Land. Dem afghanischen Politikwissenschaftler Ahmad Saidi zufolge stehen den radikalislamischen Taliban zwei Wege offen. Sie könnten ihre Fehler wie die ausufernde Anwendung von Gewalt einsehen und zurückrudern – oder aber ihren Aufstand und die Kämpfe verstärken, sagte Saidi der Deutschen Presse-Agentur am Montag.

Eine Taliban-Fraktion soll sich Beobachtern zufolge bereits seit längerem für eine Verstärkung der Kämpfe aussprechen. Taliban-Hardliner seien, angespornt durch militärische Erfolge in den vergangenen Monaten, bereits zuvor dafür eingetreten, die USA-Taliban-Gespräche fallenzulassen und Kabul und seine Verbündeten militärisch in die Knie zu zwingen. Ein Taliban-Anhänger hatte den Tweet von US-Präsident Donald Trump über den Abbruch der Gespräche am Sonntag mit einem Smiley und einem hochgereckten Daumen geteilt.

Gewalt geht weiter

Trump hatte kurz vor einem erwarteten USA-Taliban-Abkommen über Wege zu Frieden am Samstag überraschend erklärt, er habe weitere Taliban-Verhandlungen wegen eines Anschlags in Kabul abgebrochen. Zudem habe er für Sonntag in Camp David geplante geheime Treffen mit den Taliban und – getrennt davon – mit dem afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani abgesagt.

Im Land geht die Gewalt weiter: Erst am Wochenende eroberten die Taliban einen weiteren Bezirk in der nördlichen Provinz Kundus, Dascht-e Artschi. Provinzräte sagten am Montag, die Islamisten stünden kurz davor, einen weiteren Bezirk im nördlichen Tachar zu überrennen. Gleichzeitig konnten die Regierungskräfte Fortschritte in einer Offensive im nordöstlichen Badachschan im Bezirk Wardutsch erzielen. Dieser war mehr als vier Jahre von den Taliban gehalten worden. Angriffe der Regierungskräfte liefen auch im Bezirk Jamgan.

Anti-Terror-Maßnahmen

Die USA und die Taliban sprachen seit Juli 2018 über eine politische Lösung des bald 18 Jahre dauernden Konflikts in Afghanistan. Beide Seiten zeigten sich bis zuletzt zuversichtlich, bald ein Abkommen zu unterzeichnen. Der «New York Times» zufolge sah der Abkommensentwurf einen schrittweisen Abzug der rund 14 000 US-Soldaten innerhalb von 16 Monaten vor. Rund 5000 sollten in einer ersten Tranche innerhalb von 135 Tagen abgezogen werden. Im Gegenzug würden die Taliban Anti-Terror-Maßnahmen ergreifen, um die US-Befürchtungen einer Wiederholung des 11. Septembers von afghanischem Boden zu zerstreuen.

Trump begründete die Absage damit, dass die Taliban versuchten, ihre Verhandlungsposition durch Gewalt zu stärken. Die Islamisten hatten ungeachtet der Fortschritte bei den Gesprächen mit den USA ihre Angriffe massiv erhöht. Aber auch die Regierungskräfte und ihre US-Verbündeten setzten Luftangriffe und Offensiven fort. Im ersten Halbjahr töteten nach UN-Angaben die Regierungskräfte und ihre US-Verbündeten mehr Zivilisten als die Taliban, die Terrormiliz Islamischer Staat und andere regierungsfeindliche Kräfte zusammen.

Umfassende Waffenruhe

Der «New York Times» zufolge waren zudem noch Details des Abkommens ungeklärt. Umstritten sei etwa die Taliban-Forderung gewesen, Tausende ihrer Kämpfer aus afghanischen Gefängnissen zu entlassen. Die Führung in Kabul habe erklärt, dies sei nur zulässig, wenn die Taliban dies mit einer umfassenden Waffenruhe erwiderten. Die Islamisten weigerten sich aber offensichtlich bis zuletzt, einer landesweiten Waffenruhe zuzustimmen. Beobachter sehen Gewalt als den wichtigsten Hebel der Aufständischen.

In einer Erklärung des pakistanischen Außenministeriums am Sonntag hieß es, Pakistan sei weiter überzeugt, dass es keine militärische Lösung in Afghanistan gebe. Islamabad forderte beide Seiten auf, einen ausgehandelten Frieden zu finden.

Kritik an Trump

In den USA wurde indes Kritik am Vorgehen Trumps laut. Der US-Präsident mache aus den Verhandlungen mit den Taliban eine «Gameshow», kritisierte die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Amy Klobuchar. Auf Twitter schrieb die Senatorin aus dem US-Bundesstaat Minnesota am Sonntag (Ortszeit): «Ja, man verhandelt mit der afghanischen Regierung und den Taliban. Aber man behandelt das nicht wie eine Art Gameshow, wenn man es mit Terroristen zu tun hat.»

Auch innerhalb der republikanischen Partei gab es Kritik. Besonders umstritten war die Vorstellung, dass Trump Vertreter der Taliban in Camp David empfangen hätte. «Der Jahrestag für den 11. September steht an, ich möchte derweil nicht sehen, dass diese Terroristen jemals einen Fuß auf den Boden der Vereinigten Staaten setzen. Punkt», sagte der republikanische Kongressabgeordnete aus Florida, Michael Waltz, dem Sender CNN. Seine größte Sorge sei, dass die Taliban dies zum Erfolg erklären würde. «Die Taliban haben absolut keinen Friedenswillen gezeigt. (…) Sie haben ihre Angriffe sogar verstärkt.»

US-Außenminister Mike Pompeo schloss am Sonntag eine mögliche Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den Taliban nicht aus. Der afghanische Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah bedauerte den Abbruch der USA-Taliban-Gespräche am Montag. «Die Möglichkeit, einen Weg zu Frieden zu öffnen, ist verloren gegangen», sagte er bei einer Zeremonie in Kabul.