Selbst in Serbiens regierungsnahen TV-Sendern war bei der Live-Ausstrahlung der Erklärung des allgewaltigen Präsidenten Aleksandar Vucic an die Nation das Pfeifkonzert der Demonstranten vor seinem Amtssitz unüberhörbar: Auf die sich im ganzen Land ausweitenden Studentenproteste gegen Korruption und Vetternwirtschaft reagieren der autoritär gestrickte Landesvater und seine nationalpopulistische SNS immer nervöser.
Seit Anfang November beim Einsturz des Vordachs des neu renovierten Bahnhofs von Novi Sad 15 Menschen ihr Leben verloren, kommt der EU-Anwärter nicht zur Ruhe. Als „vom Ausland“ und der Opposition bezahlte Söldner beschimpft der genervte Staatschef die protestierenden Studenten: Vom kroatischen Geheimdienst, der Opposition bis hin zu Kosovos Regierung macht er alle erdenklichen dunklen Mächte verantwortlich, die mit „Hunderten Millionen Euro“ seinen anvisierten Sturz erzwingen wollten.
Es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis der Präsident den Studenten auch noch vorwerfe, selbst das Bahnhofsvordach zum Einsturz gebracht zu haben, ätzt der Oppositionspolitiker Borko Stefanovic (SSP). Vucic sei daran „gewöhnt“, dass „er diejenigen bezahlt, die ihn mögen. Und genauso glaubt er, dass jemand diejenigen bezahlt, die ihn nicht mögen“.
Tatsächlich pflegen Serbiens nationalpopulistische Machthaber beim versuchten Aufmischen, Einschüchtern und Diskreditieren lästiger Demonstranten schon seit Jahren gerne auf stiernackige Hilfstruppen angeheuerter Hooliganschläger zurückzugreifen. Ob bei dem durch vermummte Schläger inszenierten Rathaussturm in Novi Sad Anfang November oder bei den muskelbepackten jungen Männern, die mit einem Porsche am Freitag erst in eine Gruppe von Demonstranten rasten und dann auf sie einzuprügeln begannen: Auch in diesem Protestwinter können sich die SNS-Machthaber der schlagkräftigen Unterstützung professioneller Rabauken sicher sein.
Gesprächsmitschnitt entlarvt Parteimitglieder
Neu sind indes die von der SNS aus den eigenen Reihen aktivierten Wutbürger, die ihrem instruierten Zorn über Straßen- und Universitätsblockaden nicht nur durch wüste Beschimpfungen, sondern auch durch handfeste Schläge Luft machen. „Mit Stangen, Schirmen und Fäusten – die loyale Parteiarmee in der Schlägerrolle“, titelt das unabhängige Wochenmagazin Radar.
Ob einfache Parteimitglieder, Stadträte oder Parlamentarier – zu Dutzenden wurden SNS-Aktivisten in den letzten Wochen bei ihrer ganz persönlichen, aber keineswegs zufälligen Abrechnung mit den missliebigen Demonstranten gesichtet. Ein der Opposition zugespielter Gesprächsmitschnitt zeugte davon, wie der SNS-Abgeordnete Damir Zobenica, der stellvertretende Vorsitzende des Regionalparlaments der Vojvodina, Parteifreunde zur Inszenierung von „Zwischenfällen“ bei Mahnwachen und Protesten instruierte.
Die Tonaufnahme sei mit Hilfe von künstlicher Intelligenz geschaffen worden, verteidigte Vucic zunächst seinen Parteifreund. Inzwischen ist Zobenica allerdings von seinem Amt zurückgetreten – genauso wie einige weitere auf frischer Prügeltat ertappte SNS-Würdenträger.
De Maart
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