Sonntag26. Oktober 2025

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TürkeiKleidung abgenommen: Ankara gibt Athen die Schuld an zwölf erfrorenen Flüchtlingen

Türkei / Kleidung abgenommen: Ankara gibt Athen die Schuld an zwölf erfrorenen Flüchtlingen
Der türkische Innenminister Süleyman Soylu veröffentlichte dieses und drei weitere Bilder im Onlinedienst Twitter Foto: Screenshot Twitter

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In der Türkei sind am Mittwoch direkt an der griechischen Grenze zwölf Flüchtlinge erfroren aufgefunden worden, denen griechische Grenzbeamte nach türkischen Angaben Kleidung und Schuhe abgenommen hatten.

An einer Außengrenze der Europäischen Union ist es zur nächsten Tragödie gekommen. Zwölf Leichen von Flüchtlingen, die in der Nähe des Dorfs Pasakoy an der türkisch-griechischen Grenze entdeckt wurden, zeugen davon. Die Türkei und Griechenland streiten jetzt darüber, wer die Schuld trägt. Den Behörden in Edirne im Nordwesten der Türkei zufolge waren elf Flüchtlinge waren bereits tot, als sie entdeckt wurden. Das zwölfte Opfer starb den Angaben zufolge in einem türkischen Krankenhaus.

„Zwölf von 22 Migranten, die von griechischen Grenzeinheiten zurückgedrängt wurden, ihrer Kleidung und Schuhe beraubt, sind erfroren“, schrieb der türkische Innenminister Süleyman Soylu im Onlinedienst Twitter. Soylu veröffentlichte verschwommene Fotos, die die Toten teilweise leicht bekleidet am Rand eines schlammigen Weges zeigten. Nach Angaben des türkischen Wetterdienstes herrschten in der Region in der Nacht zum Mittwoch Temperaturen um den Gefrierpunkt. „Die Europäische Union ist machtlos, schwach und unmenschlich“, schrieb der türkische Innenminister in seinem Tweet.

Die Europäische Union ist machtlos, schwach und unmenschlich

Süleyman Soylu, Türkischer Innenminister

Der griechische Migrationsminister Notis Mitarachi wies die Anschuldigungen der Türkei zurück und warf Ankara „Propaganda“ vor. „Diese Migranten haben es nie bis zur Grenze geschafft. Jede Andeutung, sie hätten es geschafft oder seien sogar in die Türkei zurückgedrängt worden, ist völliger Unsinn“, erklärte Mitarachi.

Ankara wirft den griechischen Behörden regelmäßig vor, Flüchtlinge illegal von der EU-Außengrenze zurückzudrängen und zurück in die Türkei zu schicken. Im Februar und März 2020 waren Zehntausende Migranten an der Landgrenze zwischen den beiden Ländern gestrandet. Griechenland hinderte sie am Grenzübertritt in die EU und warf der Türkei vor, die Flüchtlinge absichtlich an die Grenze geholt und durchgelassen zu haben, um Druck auf die EU auszuüben. Die Türkei wies die Vorwürfe zurück.

Medien und Nichtregierungsorganisationen hatten in den vergangenen Monaten mehrere Berichte über sogenannte Pushbacks von Migranten an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei veröffentlicht. Die EU-Kommission forderte Griechenland im Oktober auf, den Vorwürfen nachzugehen. Im vergangenen Dezember erklärte ein Übersetzer, der für die EU-Grenzschutzbehörde Frontex arbeitet, von griechischen Beamten in die Türkei zurückgeschoben worden zu sein. Die EU-Kommission erklärte damals, den Vorfall untersuchen zu wollen.

Im Dezember war es in der Ägäis zudem zu mehreren Bootsunglücken gekommen, bei denen mindestens 30 Migranten ums Leben kamen. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu hat die türkische Küstenwache im vergangenen Jahr 15.000 Menschen gerettet, die von Griechenland zurückgedrängt wurden.

Klage gegen Griechenland

Eine in Deutschland lebende iranische Geflüchtete reichte unterdessen mit Unterstützung einer Menschenrechtsorganisation Beschwerde gegen Griechenland beim UN-Menschenrechtsausschuss ein. Parwin A. wirft den griechischen Behörden vor, sie schwer misshandelt, irregulär inhaftiert und mehrfach gewaltsam in die Türkei zurückgeschoben zu haben.

Parwin A. war nach eigenen Angaben wegen geschlechtsspezifischer Verfolgung aus dem Iran geflohen und hatte Schutz in der EU gesucht. Dabei sei sie 2020 sechsmal aus Griechenland zurückgeschoben worden, ohne einen Asylantrag stellen zu können, berichtete sie in einem vorab aufgezeichneten Video auf einer Pressekonferenz der in Berlin ansässige Menschenrechtsorganisation European Centre for Constitutional and Human Rights (ECCHR) am Mittwoch.

Im Zuge dieser Pushbacks sei sie mehrfach ohne Verfahren in Containern oder Polizeistationen unter „unmenschlichen Bedingungen“ inhaftiert, bedroht und körperlich misshandelt worden. Die Iranerin berichtete, die griechischen Grenzbeamten hätten auch Kinder und eine Schwangere geschlagen. Zudem hätten sie die Mobiltelefone von Asylbewerbern zerstört und deren Lebensmittel und Kleidung beschlagnahmt.- (AFP, A.B.)