DR KongoGrößte vernachlässigte Flüchtlingskrise in der Welt

DR Kongo / Größte vernachlässigte Flüchtlingskrise in der Welt
Sie waren vor den Kämpfen zwischen der kongolesischen Armee und der Rebellengruppe M23 geflüchtet, nun kehren sie nach Kibumba zurück Foto: Guerchom Ndebo/AFP

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Am Fuß der zwei Vulkane im Nyiragongo-Gebiet der Demokratischen Republik Kongo trotten mit schwerem Gepäck beladene Menschen die Fernstraße N2 nördlich der Provinzhauptstadt Goma entlang. Begleitet werden sie von Schafen sowie von Soldaten und Fahrzeugen der kongolesischen Regierungsarmee. Der Himmel ist grau, voller tief hängender Wolken.

Ähnlich trüb wie dieser Tag sind die Aussichten der Menschen, die auf dem Weg zurück nach Hause sind. Vergangenen Monat sind sie vor Kämpfen zwischen der kongolesischen Armee und der Rebellengruppe M23 (Bewegung 23. März) in Richtung Goma geflohen. Trotz der zahlreichen Regierungssoldaten sind viele noch nervös.

Die 17-jährige Deborah steht vor ihrem Haus in Kabuhanga an der Grenze zu Ruanda. „Ich bin gerade erst zurückgekommen, aber wir werden hier nicht schlafen. Wir haben Angst, dass die ruandische Armee jeden Moment zurückkehrt“, sagt sie. Am 24. Mai sei sie vor heftigem Beschuss geflohen. „Als wir nach Hause kamen, war nichts mehr im Haus. Alles wurde geplündert.“ Nach Angaben der Vereinten Nationen ergriffen innerhalb von nur acht Tagen rund 72.000 Menschen in Nyiragongo und dem benachbarten Rutshuru-Gebiet die Flucht.

Viele der Rückkehrer berichten, reguläre ruandische Soldaten hätten an der Seite der Rebellen gekämpft. „Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen“, versichert der 30-jährige Augustin. „Sie hatten ruandische Uniformen an und die M23 hatten kongolesische Uniformen“, sagt er. Auch die Regierung in Kinshasa wirft Ruanda seit vergangener Woche vor, die M23 zu unterstützen. Ruanda weist die Vorwürfe zurück und beschuldigt den Nachbarstaat, Granaten auf ruandisches Territorium abgefeuert zu haben.

Es ist besser, an einer Kugel zu sterben als an Hunger

Ndagijimana Barayavuga, Rückkehrer

Das erneute Aufflammen des Konflikts im Osten des Landes verschärft auch die Spannungen vor den für kommendes Jahr geplanten Präsidentschaftswahlen. In dieser aufgeheizten Lage trifft am Dienstag der belgische König Philippe zu seinem ersten Besuch in der einstigen belgischen Kolonie ein. Er wird von Königin Mathilde und Regierungschef Alexander De Croo während seines einwöchigen Besuchs begleitet.

Schlimmste humanitäre Katastrophe des Jahrhunderts

Die Lage im Osten des Landes ist bereits seit Jahrzehnten instabil. Es gibt dort zahlreiche bewaffnete Gruppierungen, denen häufig Zivilisten zum Opfer fallen. Auf der jährlich vom Norwegischen Flüchtlingsrat (NRC) veröffentlichten Liste der am stärksten vernachlässigten Flüchtlingskrisen steht die DR Kongo in diesem Jahr an erster Stelle. Allein im Nordosten des 90 Millionen Einwohner zählenden Landes gibt es demnach 5,5 Millionen Vertriebene. Es handele sich um eine der schlimmsten humanitären Krisen dieses Jahrhunderts, betont der NRC.

Obwohl die kongolesische Armee zuletzt im Kampf gegen die Rebellen Erfolge verzeichnen konnte, sind offenbar noch nicht alle Bewohner der Grenzregion zur Rückkehr bereit. Die üblicherweise belebte Grenzsiedlung Kabuhanga ist menschenleer. Eine kleine Holzschranke markiert hier die Grenze zu Ruanda. Die Fahne der DR Kongo weht über dem Büro der Einwanderungsbehörde, doch die Türen sind geschlossen. Der Grenzverkehr ist ausgesetzt.

Die meisten Menschen sind in Richtung der Millionenstadt Goma geflohen. Im Jahr 2012 konnten die M23-Rebellen die Stadt einnehmen, erst im Jahr darauf wurden sie von der kongolesischen Armee bezwungen. Im vergangenen Jahr nahm die Miliz dann die Kämpfe wieder auf, seitdem wächst die Angst vor einer Ausweitung des Konflikts.

An der N2 steht der Rückkehrer Ndagijimana Barayavuga neben seiner Frau und vier Kindern, eine zusammengerollte Matratze auf dem Kopf. Sie hätten keine andere Wahl gehabt, als nach Hause zurückzukehren, sagt er. „Es ist besser, an einer Kugel zu sterben als an Hunger.“ (AFP)