„Rückschrittsbericht“ zur TürkeiEU-Parlamentarier debattieren über schwierigen Beitrittskandidaten

„Rückschrittsbericht“ zur Türkei / EU-Parlamentarier debattieren über schwierigen Beitrittskandidaten
Festnahme eines Teilnehmers an einer 1.-Mai-Veranstaltung in Istanbul: Die EU-Parlamentarier kritisieren in ihrem Bericht ebenfalls die Einschränkung der Meinungsfreiheit und politischen Betätigung, des Weiteren die zunehmende Polizeigewalt in der Türkei Foto: Yasin Akgul/AFP

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Das Europäische Parlament (EP) geht in einer Entschließung, über die heute abgestimmt wird, hart mit der Türkei ins Gericht. Während einer Debatte forderten am Dienstag mehrere EP-Abgeordnete, die EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara auszusetzen.

Das Verhältnis zwischen der EU und der Türkei hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend verschlechtert. Darin waren sich gestern vom amtierenden Ratsvorsitzenden und portugiesischen Außenminister Augusto Santos Silva über den Kommissionsvertreter Oliver Varhelyi bis zur großen Mehrheit der EU-Parlamentarier alle einig. Die Beziehungen seien „belastet“ und „komplizierter“ geworden, sagte der EU-Kommissar für Erweiterung und Nachbarschaftspolitik. Der Rat habe schon 2018 festgehalten, dass sich die Türkei zunehmend von der EU distanziere und die Beitrittsverhandlungen mit der Regierung in Ankara zum Stillstand gekommen seien, sagte der portugiesische Ratsvorsitzende.

Dabei wollen es einige EP-Abgeordnete allerdings nicht mehr belassen. Die Kommission sollte „die Verhandlungen auch formell einstellen“, wenn sich nichts an der Haltung der Türkei ändere, forderte der EVP-Abgeordnete Michael Gahler, der Zweifel am „türkischen Beitrittswillen“ hegt. Sein französischer Fraktionskollege Arnaud Danjean geht noch etwas weiter und meint, niemand mehr würde noch an den „Mythos einer Mitgliedschaft“ der Türkei in der EU glauben. Er verlangte nach einem „neuen Diskussionsrahmen“, der keinen EU-Beitritt der Türkei mehr vorsehe. „Von einem Beitritt zu reden, während die Differenzen größer werden, ist ein hypokritischer Versuch, die Situation zu beschönigen“, meinte seinerseits der luxemburgische EP-Abgeordnete Christophe Hansen. Die EU und die Türkei sollten sich vielmehr darauf konzentrieren, was funktioniere, wie etwa die Zollunion, so der EVP-Politiker. Der deutsche Grünen-Abgeordnete Sergey Lagodinsky war einer der wenigen, die meinten, dass seine „Hoffnung ungebrochen, wenn auch immer schwächer“ sei, dass die Türkei eines Tages der EU angehöre.

Danach sieht es allerdings nicht aus. Im Gegenteil: Die EP-Abgeordneten „sind der Ansicht, dass es höchste Zeit ist, den Stand der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei ernsthaft zu überdenken“. Auf was das hinauslaufen könnte, das lassen die EU-Parlamentarier offen. Allerdings zeigt ihr Bericht, von dem manche EP-Abgeordneten während der Debatte als „Rückschrittsbericht“ sprachen, im Gegensatz zu den sonst als „Fortschrittsbericht“ bezeichneten Bestandsaufnahmen über die EU-Beitrittskandidaten, dass die Union und die Türkei in allen grundlegenden Bereichen weit auseinanderliegen. Nicht wenige EP-Abgeordnete wiesen darauf hin, dass es sich um den „schlimmsten“ und „kritischsten“ Bericht zu einem Beitrittskandidaten handelt, der je verfasst wurde.

„Feindselige“ Politik gegenüber der EU

So halten die EU-Parlamentarier unter anderem fest, dass die Türkei „in den letzten Jahren eine kontinuierliche und zunehmende Distanzierung von den Werten und Normen der EU verfolgt hat“. Es gebe „schwerwiegende Rückschritte bei den Grundfreiheiten“ und eine „anhaltende Aushöhlung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ im Lande. Nicht nur bei der Rechtsstaatlichkeit und den Grundrechten, sondern auch bei institutionellen Reformen sei es zu Rückschritten gekommen. Dabei wird in dem Bericht vor allem auf den schlechten Zustand des Justizwesens verwiesen, wie etwa einen „systemischen Mangel an Unabhängigkeit der Justiz“. Beanstandet wird zudem der Umstand, dass sich die Macht in der Türkei „in hohem Maße im Präsidentenamt konzentriert, nicht nur zum Nachteil des Parlaments, sondern auch des Ministerrats selbst“. Das geht auf eine Verfassungsänderung zurück, die auf Betreiben des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan durchgesetzt wurde.

Obwohl die EU-Parlamentarier der Türkei bescheinigen, eine „konfrontative und feindselige Außenpolitik, einschließlich gegenüber der EU und ihren Mitgliedstaaten“ zu verfolgen, haben die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen im März Ankara eine Ausweitung der bestehenden Zollunion in Aussicht gestellt. Dazu müsse die Türkei jedoch ihre Provokationen im östlichen Mittelmeer gegenüber Zypern und Griechenland einstellen. Zudem soll die Zusammenarbeit im Bereich des Grenzschutzes und der illegalen Migration ausgebaut werden. Dieser Achillesferse der EU-Europäer verdankt der türkische Präsident wohl, dass die Forderung einer zunehmenden Zahl an EP-Abgeordneten, die Beitrittsverhandlungen einzustellen, bislang noch keine beschlussfähige Mehrheit in der EU gefunden hat.

Europäer
19. Mai 2021 - 16.29

Wenn die EU davon träumt die Türken würden ihre Prinzipien aufgeben um in die EU zu kommen dann soll sie schön weiterträumen. Die Türkei hat sich längst nach Asien orientiert. Wir werden uns in Europa auf lange Sicht durch unsere besserwissende Kleinkrämerei selbst abschaffen. Wir sollten eher Staaten wie Ungarn und Polen aus der EU werfen, die bringen nur Probleme.