Unter politischem Beschuss

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Das Museum für zeitgenössische Kunst – das Centre Pompidou in Metz – ist in die Kritik der französischen Kulturministerin und des Präsidenten der Region geraten. Beide sind Politiker der sozialistischen Partei, was die Sache pikant macht.

Das neue Metzer Museum für moderne Kunst, ein Ableger des Centre Pompidou in Paris galt bisher als ein Kleinod und Aushängeschild. Bis zum vergangenen Freitag. Da schoss die französische Kulturministerin Aurelie Filippetti eine Breitseite in Richtung Metz ab. Es könne nicht angehen, dass das Museum nur dann von Interesse sei, wenn es Sonderausstellungen gebe. Das Centre Pompidou in Metz müsse auch dann für Besucher anziehend sein, wenn es keine Sonderausstellung gebe. Die Ministerin nahm damit Kritiken von Besuchern auf, die im Internet kursieren. Aber auch Lokalpolitiker hatten mit leisen Kritiken begonnen, dass das Museum nicht immer interessant sei.

Das Centre Pompidou mit der Stadt im Hintergrund. (Tageblatt-Archiv)

Vier Tage später nahm der Präsident der Region Lothringen, Jean-Pierre Masseret, die Kritik auf und kündigte an, dass die Region Lothringen ihren Betriebszuschuss in Höhe von vier Millionen Euro kürzen und möglicherweise sogar einstellen werde, wenn sich im Museum nichts ändere. Die Resultate des Museums seien nicht zufriedenstellend, tönte der Präsident.

Zahlen sprechen für das Museum

Die Breitseite kommt überraschend, zumal sie von einer politischen Seite kommt, die sich mit dem Museum nicht sonderlich beschäftigte. Das Museum war Stolz und Aushängeschild von Metz und dem neu geschaffenen Stadtviertel hinter dem Bahnhof. Die Zahlen schienen bisher auch für das Museum zu sprechen. Seit seiner Eröffnung am 11. Mai 2010 durch den damaligen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy haben etwa zwei Millionen Besucher das Museum durchlaufen. Es ist damit das französische Museum mit der größten Anziehungskraft außerhalb des Pariser Großraums. Dennoch verlangt Masseret nun, dass es mehr in die Großregion hinaus strahlen und von dort mehr Besucher anziehen müsse. Die derzeit laufende Ausstellung „Vu d´en haut“, die noch bis zum 7. Oktober geöffnet ist, soll nach Museumsangaben derzeit 1.400 Besucher durchschnittlich pro Tag anziehen.

Nach drei Jahren Lebenszeit hat es allerdings Anzeichen von Schwierigkeiten gegeben. So musste Museumsdirektor Laurent le Bon zum Ausgleich seines Budgets 750.000 Euro aus den Reserven nehmen. Kritik gibt es vor allem am Ticket-Verkauf. So soll nur ein Drittel der Eintrittstickets auch bezahlt werden, schreibt die Metzer Politikerin Nathalie Colin-Oesterlé. Laurent le Bon hatte im Sommer bereits in einem Gespräch mit der lothringischen Zeitung „Républicain Lorrain“ Finanzschwierigkeiten zugegeben und Auswirkungen auf das Programm angekündigt.

Haushalt von etwa 12 Millionen Euro

Das Metzer Museum arbeitet mit einem Jahresbudget von elf bis zwölf Millionen Euro. Dieses Budget war unter Hinweis auf die finanziellen Schwierigkeiten für das Jahr 2013 um 630.000 Euro gekürzt worden. Die Finanziers des Museums sind einerseits die öffentlichen lokalen und regionalen Hände. Die Region Lothringen zahlt vier Millionen Euro. Der Stadtverband Metz beteiligt sich mit 4,6 Millionen Euro und die Stadt Metz ihrerseits mit 400.000 Euro. Der französische Staat, der nun mit seiner Kulturministerin das Museum angreift, beteiligt sich nicht an der Finanzierung. Der Rest zur Schließung der Budgetlücke kommt von Sponsoren.

Der eigentliche Hintergrund der Auseinandersetzung ist konzeptioneller Natur. Laurent Le Bon ist kein Anhänger einer ständigen Ausstellung. Sein Metzer Modell, das im Wesentlichen drei Jahre lang Erfolg zeigte, geht von ständig wechselnden Ausstellungen aus. Seine Überzeugung ist, dass Museumsbesucher heutzutage überrascht werden wollen und ständig mit neuem konfrontiert werden müssen.

Permanentes bringt nichts ein

Der französische Staat hat im Norden, dem französischen Ruhrgebiet, in Lens, eine Außenstelle des Louvre eingerichtet. Hier gibt es 250 Exponate, von denen jährlich 20 Prozent gewechselt werden sollen. Ein solches Modell funktioniert nur ein Jahr, meint le Bon. Dann würden ide die Besucher die Exponate kennen und kämen nicht mehr. Das Metzer Modell hingegen zeige seit drei Jahren Erfolg. Die Schwierigkeiten, die das Museum nun hat, werden andererseits seit einiger Zeit im Verwaltungsrat des Museums diskutiert, dessen Vorsitzender auch Vorsitzender des größten Finanziers – der Stadtverband Metz – ist.

Nicht auszuschließen, dass die französische Kulturministerin sich nun – mit Verspätung – in das Thema einklinkt. Aurelie Filippetti ist in einem Metzer Wahlkreis in die Pariser Nationalversammlung gewählt worden. Sie ist gleichzeitig Mitglied des Generalrates in Metz. Nachgesagt wird ihr, dass sie eines Tages den Bürgermeister von Metz beerben will. Die Breitseite, die sie gegen das Metzer Museum abfeuert, bringt sie nun in Metz ins Gespräch. Und Regionalratspräsident Masseret stützt sie, da er als zweitgrößter Finanzier eine Legitimität dazu hat.

Abrechnung in Metz?

Die französische Kulturministerin hat mit dem Museum möglicherweise aber auch eine persönliche Rechnung offen. Sie kommt aus der lothringischen Stahlregion. Und sie hat stets die ehemaligen Stahlbarone der Familie Wendel kritisiert, die ihre Stahlwerke in Hayange geschlossen hatten und sich nach Fos am Mittelmeer und nach Dünkirchen an der Kanalküste orientiert hatten. Nach einer sehr frühen und weitsichtigen Ansicht der Familie habe Stahl nur noch an der Küste eine Zukunft und nicht mehr in Lothringen, wo das Eisenerz fehle.

Die ehemaligen Wendelschen Stahlwerke gehören heute zu ArcelorMIttal, ein Konzern der in der französischen Regierung wegen der Schließung der Hochöfen in Florange nicht beliebt ist. Frau Fillippetti hat zu den Politikern gehört, die eine Verstaatlichung von ArcelorMIttal Florange gefordert hatten. Als Aurelie Filipetti im Centre Pompidou Metz gesehen hat, dass der Investmentkonzern Wendel als Sponsor für das Museum in der Eingangshalle verewigt ist, soll sie böse reagiert und sehr ironisch bemerkt haben, dass hier jemand Sponsor eines Museums würde, der damit auch noch Steuern spare, schreibt die Zeitschrift „Le Nouvel Observateur“, die der Ministerin gleichzeitig rät, ihre persönlichen Gefühle nicht mit ihrer Politik zu verbinden.

Kritik von den Liberalen

Sehr kritisch aufgenommen wurde die gemeinsame Aktion von Ministerin Filippetti und Präsident Masseret von der liberalen Politikerin Nathalie Colin Oesterlé, Mitglied des Verwaltungsrates des Museums, Mitglied im Stadtrat von Metz, Mitglied im Regionalrat von Lothringen und Vorsitzende der liberalen Partei in Metz. Man müsse sicher darüber nachdenken, ob eine permanente Kollektion für die Zeit zwischen den Ausstellungen sinnvoll sei, meinte Frau Colin-Oesterlé in einer Stellungnahme im sozialen Netzwerk Facebook. Aber Drohungen, diese Finanzierung einzustellen, brächten diese Überlegungen nicht weiter. Man müsse sicher auch über Wirtschaftlichkeit nachdenken. Die Aktion des Präsidenten der Region Lothringen müsse man aber unter „Wahlkampf“ für die Kommunalwahlen 2014 abhaken. Der Ministerin empfiehlt sie Zurückhaltung. Man könne ja auch einmal über ihre Bilanz als Ministerin diskutieren, meint die Metzer Politikerin.

Das Centre Ponpidou in Metz ist von einem Moment zum anderen von einem bewunderten Objekt zu einem politischen Streit-Objekt geworden und wird beschädigt, wie das in Lothringen so üblich ist.