Donnerstag27. November 2025

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Der Wahlkampf um das Mosel-Département

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Innenminister Manuel Valls eröffnet den Kommunalwahlkampf im lothringischen Ex-Kohlebecken gegen den rechtsradikalen Front National.

Da steht er nun, grauer Anzug, hellblaue, leicht fluoriszierende Krawatte in der Unterpäfektur vor den Lokalpolitikern und Journalisten in Forbach. Manuel Valls, Innenminister Frankreichs, ist in das ehemalige Kohlebecken gekommen, wo die Arbeitslosigkeit hoch ist, wo die Kleinkriminalität mit Einbrüchen und Diebstählen tägliche Unsicherheit produziert. In Forbach gibt es Viertel, wo man sein Auto nicht abstellen möchte. In Forbach gibt es Stadtviertel mit Arbeitslosigkeit um die 40 Prozent und wo Zukunft als unmöglich für Jugendliche erscheint.

Manuel Valls ist aus Luxemburg nach Forbach gekommen, wo der Rat der Innenminister der Europäischen Union am Montag getagt hatte. Er wird am späten Dienstag-Nachmittag nach einem Besuch in Fameck und Uckange wieder nach Luxemburg zum zweiten Teil der Ministerkonferenz zurückfahren.

Manuel Valls ist nach Forbach gekommen, um den Menschen Sicherheit zu versprechen. In seinem Sinne heißt das: Mehr Polizei in den Straßen. Kein nächtliches Rodeo in den Straßen mehr. Der Kampf gegen Banden, die glauben, dass ihnen alles erlaubt sei. Der Kampf gegen den Drogenhandel. Sicherheit in den Hauseingängen. Sicherheit in den Bussen und das Ende der Zerstörung von Autos. Mit Forbach beginnt der französische Innenminister seine persönliche Frankreich-Tour, die offiziell mit dem Wahlkampf für die Kommunalwahlen im März kommenden Jahres nichts zu tun haben soll. Aber jeder weiß, dass Valls das Bollwerk der Regierung gegen den rechtsradikalen Front National ist.

Sicherheitszonen

Forbach und Behren – les Forbach sollen „Zone de sécurité prioritaire“ werden. Beide Städte waren bereits zu Sicherheitszonen erklärt worden. Das hat auch zu einer Reduzierung der Kriminalität geführt, aber für Valls reicht das nicht. Und um deutlich zu machen; dass die nahe deutsche Grenze Kriminelle nicht schützen wird, kündigt Valls auch gleich eine verstärkte Kooperation mit der deutschen Polizei an, die in der Vergangenheit bereits Erfolg gezeigt habe. Valls verzeichnet im Mosel-Département bereits einen Sicherheitserfolg. In Fameck und Uckange gibt es eine pioritäre Sicherheitszone, in der die Kriminalität deutlich zurückgefahren wurde.

Sein Besuch im Mosel-Département ist der dritte Besuch der politischen Führung Frankreichs in dem Grenz-Département. Staatspräsident Hollande war in Florange, Premierminister Ayrault war in Metz und nun der Innenminister im ehemaligen lothringischen Kohlerevier. Der Besuch hat seinen Grund, obwohl Valls ihn nicht zugeben will. Seit den 90er Jahren hat sich im ehemaligen Kohlerevier der rechtsradikale Front National niedergelassen. Der stellvertretende Parteivorsitzende Florian Philippot hat Forbach zu seinem Reich erklärt und will im März kommenden Jahres Bürgermeister in Forbach werden. Das wäre innerhalb von 20 Jahren ein dramatischer Umschwung im alten Kohlebecken. Nach den Liberalen hatten die Sozialisten die Stadtführung gewonnen und sich damit in einem langen Prozess die politische Führung in einem Industriegebiet gesichert.

Der Front National will an die Macht

Seit den 90er Jahren allerdings taucht der Front National im Industriegebiet auf. Und nicht nur dort. Auch in den Stahltälern der Orne und der Fensch wie Hayange oder Florange haben sich die Rechtsradikalen eingenistet. Ihr Stimmenanteil liegt bei 25 Prozent im Durchschnitt. In drei von neuen Wahlkreisen im Mosel-Département haben es Kandidaten bei der Wahl zur Nationalversammlung in den zweiten Wahlgang geschafft und bis zu 46 Prozent der Stimmen erzielt.

Innenminister Valls gilt in der französischen Regierung als der Mann, der dem Front National Paroli bieten kann. Valls gilt nicht als der Mann der politisch korrekten Sprache, sondern der ehrlichen Sprache, als jemand, der freundlich und klar auch aneckt und mit den Folgen leben kann. Valls gilt für viele Franzosen als der Gegenentwurf zu verbrauchten Namen und Gesichtern.

Kein Tabu

In seiner Rede in Forbach gebraucht er nicht einmal den Begriff „Front National“. Aber er redet über Sicherheit und darüber, dass die Leute sich in Forbach und Umgebung wieder wohlfühlen sollen. Dafür ist er auch demonstrativ auf den Markt gegangen, der gerade stattfindet, um mit den Menschen zu reden. Für ihn gebe es keine Tabuwörter, erklärt er auf Nachfrage, vermeidet in der Antwort aber erneut den Begriff „Front National“. Aber: Er spricht genau das an, was zum selben Zeitpunkt Florian Philippot in einem Fernseh-Interiew äußert. Sucherheit will Philippot und die Grenze schließen. Gegen das Sicherheitskonzept von Valls kommt er damit nicht an. Und die Grenze schließen genau dort, wo täglich 19.000 Moselaner ins Saarland zur Arbeit wechseln, wo die Industriellen den Saarbrücker Flughafen nutzen, wo die Geschäfte in Saarbrücken stolz darauf sind, für die Kunden aus dem Mosel-Département Verkäufer(innen) in französischer Sprache zu haben, wo andererseits die Hypermärkte wie Cora mehr als 30 Prozent des Umsatzes mit Saarländern machen, ist möglicherweise nicht das richtige Thema.

Andererseits stehen die beiden großen politischen Formationen Frankreichs, Bürgerliche und Sozialisten, mit dem Rücken zur Wand. Der Front National hat in Frankreich die Strategie gewechselt. Der Begründer der Bewegung, Jean-Marie le Pen, hatte eine Oppositionsbewegung ins Leben gerufen. Sein Ziel galt der Nationalversammlung und den Präsidentschaftswahlen. Das übliche Mehrheitswahlsystem in den Wahlkreisen versagte ihnen den Erfolg. In die Nationalversammlung zog der Front National erst ein, als François Mitterrand das Wahlsystem in ein Verhältniswahlrecht nach deutschem Muster änderte. Es wurde danach sofort wieder in das traditionelle Mehrheitswahlrecht zurückverwandelt. Den zweiten Erfolg feierte die Bewegung, als Jean-Marie le Pen gegen Jacques Chirac in den zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahl einzog. Die Sozialisten retteten Frankreich als sie für Chirac stimmten und ihn mit einer überragenden Mehrheit zum Staatspräsidenten wählten. Eine demokratische Haltung, die ihnen in der Folge von der bürgerlichen UMP nie gelohnt wurde.

Die Macht in den Städten

Unter der Tochter Marine le Pen hat sich die rechtsradikale Bewegung verändert. Sie ist nicht von ihren Prinzipien abgerückt, aber Marine Le Pen will anders als ihr Vater die Macht. Die erste wirkliche Chance scheint sich ihr im März kommenden Jahres zu bieten. Der Front National geht davon aus, in gut 20 Städten und Gemeinden in Frankreich den Bürgermeister stellen zu können.

Marine le Pen hat dafür zu einem Kunstgriff gegriffen. Ihre Kandidaten sind jung und unverbraucht. Es gibt neue Gesichter, die gegen die alten, üblichen, bekannten und verbrauchten stehen. Denn, so ihre Analyse: Die Franzosen haben die Nase voll von der politisch korrekten Sprache, von den Sprechblasen der arrivierten Politiker. Eine Kantonalwahl, bei der der Front National am vergangenen Sonntag über 40 Prozent der Stimmen erhielt, scheint ihr Recht zu geben. Manuel Valls aber, der den Begriff Front National nicht ausspricht, der Bewegung aber durch seine Politik und durch seine Sprache das Wasser abgräbt, scheint der einzige Gegenpol in der französischen Regierung zu sein.

Während Valls in der Unterpräfektur in Forbach steht und redet, holt der führende Fernseh-Nachrichtensender in Frankreich, BFMTV, Florian Philippot vor die Kamera, der Forbach zu seiner Stadt machen will. „Valls wäre nie nach Forbach gekommen, wenn ich hier nicht stünde“, sagt der, in einer Straße von Forbach stehend, und fügt an: „Und er wird vermutlich auch nie wieder hierher kommen.“ Der Wahlkampf um Forbach und auch um das Mosel-Département hat für den Front National längst begonnen.