EU setzt London unter Druck

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(AP)

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Der EU-Ratspräsident besteht darauf: Zuerst kommen die Brexit-Verhandlungen, erst danach das Abkommen für eine neue Beziehung. Eine Tür lässt er aber offen.

In den Verhandlungen über den britischen Ausstieg aus der Europäischen Union will sich die EU Tempo und Ablauf nicht von London diktieren lassen. Gespräche über ein künftiges Handelsabkommen könnten erst dann beginnen, wenn „ausreichende Fortschritte“ in den Trennungsverhandlungen erzielt worden seien, betonte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Freitag bei der Vorstellung seiner Leitlinien für die Brexit-Gespräche.

„Einen Start paralleler Gespräche über alle Themen gleichzeitig, wie einige in Großbritannien das fordern, wird es nicht geben“, sagte Tusk. Die britische Premierministerin Theresa May hatte am Mittwoch gefordert, die Gespräche über den Brexit und die künftigen Beziehungen sollten parallel geführt werden. Die EU bevorzuge in den Brexit-Gesprächen einen „schrittweisen Ansatz“, heißt es in Tusks Leitlinien.

Erst wenn es bei den Brexit-Gesprächen „ausreichende Fortschritte“ gebe, würden die EU-Staats- und Regierungschefs entscheiden, „ob die Verhandlungen in die nächste Phase übergehen“. Gleichzeitig bereite sich die EU auch auf ein mögliches Scheitern der Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens vor. Die Union werde „hart arbeiten“, um zu einer „konstruktiven“ Einigung zu gelangen, „aber sie bereitet sich auch darauf vor, die Situation zu bewältigen, falls die Verhandlungen scheitern sollten“, heißt es in den Leitlinien weiter.

Tusk betonte, London müsse alle seine finanziellen Verpflichtungen erfüllen, die sich aus der bisherigen EU-Mitgliedschaft ergeben, bevor es die Union verlassen könne. Dies sei „nur fair gegenüber all den Menschen, Gemeinden, Bauern, Wissenschaftlern und so weiter, denen wir – alle 28 – dieses Geld versprochen haben und schulden“, betonte er. Die finanziellen Verpflichtungen Großbritanniens an die EU werden von Brüsseler Experten auf bis zu 60 Milliarden Euro geschätzt.

Der britische Außenminister Boris Johnson wies unterdessen Befürchtungen zurück, London könnte die künftige Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen als Druckmittel in den Brexit-Gesprächen einsetzen. Großbritannien bekenne sich „bedingungslos zur Verteidigung und Sicherheit Europas“, betonte Johnson beim Treffen der Nato-Außenminister in Brüssel. Tusk sagte zeitgleich in Valletta, er sei sich „absolut sicher“, dass niemand in London die Sicherheitskooperation als Faustpfand missbrauchen werde.

Die britische Premierministerin May hatte zuvor gewarnt, wenn sich beide Seiten nicht auf ein Handelsabkommen einigen könnten, schwäche dies den gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus. Großbritannien hatte am Mittwoch offiziell seinen Austrittsantrag eingereicht. Damit beginnt ein zweijähriger Verhandlungsprozess über die Entflechtung der Beziehungen.

Tusks Leitlinien gehen nun an die Staats- und Regierungschefs der 27 verbleibenden EU-Mitglieder ohne Großbritannien. Am 29. April sollen sie bei einem Sondergipfel angenommen werden. Der EU-Chefunterhändler Michel Barnier soll dann am 22. Mai offiziell grünes Licht für die Aufnahme der Trennungsgespräche erhalten.