Brexit, Trump und womöglich Le Pen

Brexit, Trump und womöglich Le Pen
(Reuters/Wolfgang Rattay)

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Angesichts protektionistischer Töne von US-Präsident Donald Trump und dem Aufstieg rechter Kräfte in Europa ist die EZB geldpolitisch auf der Hut.

Mit Blick auf die anstehenden Wahlen in den Niederlanden und Frankreich treibt die Europäische Zentralbank laut Chefvolkswirt Peter Praet die Sorge vor „politischen Unfällen“ um: „Daher müssen wir gut vorbereitet und wachsam sein“, sagte er am Donnerstag in London. Zudem geißelte der Belgier Trumps Pläne, hohe Zölle auf importierte Waren aus Billiglohnländern zu erheben: Diese Signale seien „sehr besorgniserregend“. Es handele sich um simple Botschaften für komplexe Sachverhalte. Wenn dies Schule mache, könne die Weltwirtschaft in einen Teufelkreis hineingeraten.

Die EZB betreibt seit Jahren eine Nullzinspolitik und stützt die Wirtschaft Monat für Monat mit Milliardenbeträgen, obwohl die EU-Kommission jüngst allen EU-Staaten Wachstum vorhergesagt hat. Zudem ist die EZB bei der Inflation nahe ihrem Zielwert von knapp zwei Prozent angelangt. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann fordert daher ein Signal, dass bei den Zinsen das Ende der Fahnenstange erreicht sei.

Man könne sich fragen, wann die EZB vom Gas gehen sollte und ob der Rat der Notenbank zuvor nicht seine Kommunikation ändern müsse, sagte Weidmann in Frankfurt, „etwa indem er nicht mehr nur darauf verweist, dass die Geldpolitik gegebenenfalls auch noch expansiver ausgestaltet werden könnte“. Die sehr lockere Geldpolitik werde ohnehin maßgeblich durch den massiven Kauf von Staatsanleihen getragen. EZB-Direktor Yves Mersch hatte jüngst einen ähnlichen Vorschlag gemacht. Österreichs Notenbankchef Ewald Nowotny betonte in Wien, er sehe dieses Jahr keinen Bedarf, an den Zinsen zu rütteln.

Anleihenkäufe

Bislang gehen die Hüter des Euro in ihrem Ausblick davon aus, dass sie für längere Zeit und weit über ihre Anleihenkäufe hinaus auf dem aktuellen oder sogar einem niedrigeren Niveau bleiben werden. Kippt die EZB ihre Option auf noch niedrigere Werte, würde dies am Kapitalmarkt voraussichtlich als Signal gewertet, dass sie sich langsam in Richtung einer Abkehr von der ultra-lockeren Geldpolitik bewegt.

Praet machte in London jedoch klar, dass die Europäische Zentralbank auch wegen zunehmender „politischer Unsicherheiten“ die Zeit für Kurskorrekturen noch nicht gekommen sieht. Bei den Abstimmungen im Superwahljahr 2017 könnten Umfragen zufolge populistische Kräfte Auftrieb erhalten. In Frankreich strebt die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen ein Referendum über einen EU- und Euro-Austritt an. Auf einem Kongress in Koblenz hatte sie die EU als antidemokratisch bezeichnet und einen Ausstieg aus der Währungsunion propagiert. Neben Le Pen machten auch AfD-Chefin Frauke Petry und der Chef der niederländischen Freiheitspartei, Geert Wilders, klar, dass sie die EU in der bestehenden Form ablehnen. Die Niederländer wählen am 15. März. In der zersplitterten Parteienlandschaft liegt Wilders‘ Freiheitspartei derzeit knapp vorn.

Frexit?

In Frankreich wird Le Pen für die erste Runde der Präsidentschaftsahlen im April ein Etappensieg vorhergesagt. Für die Stichwahl im Mai werden jedoch dem unabhängigen pro-europäischen Kandidaten Emmanuel Macron wesentlich bessere Chancen eingeräumt. Der Chef von Europas zweitgrößtem Versicherer Axa, Thomas Buberl, rechnet daher nicht mit einem EU-Austritt Frankreichs (Frexit): „Es gibt zwar ein Frexit-Szenario, doch dessen Wahrscheinlichkeit ist nicht hoch.“

Laut Praet wird hingegen der anstehende britische EU-Austritt wesentliche Auswirkungen auf Handel und Dienstleistungen haben: „Wir müssen die negativen Effekte des Brexit minimieren.“ Premierministerin Theresa May will bis Ende März die Scheidung in Brüssel einreichen. 2019 soll sich das Land aus der EU verabschieden. Angesichts der Vielzahl politischer Unwägbarkeiten sieht das estnische EZB-Ratsmitglied Ardo Hansson die Notenbank in der Pflicht, geldpolitisch „standfest“ zu bleiben: „In dieser unruhigen politischen Lage sollte eine Zentralbank eher ein Stabilitätsfaktor sein, als dass sie zu Turbulenzen beiträgt“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“.