Wenn Brüder zu Terroristen werden

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(AFP)

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Die Gebrüder Zarnajew überzogen den Boston-Marathon mit Terror. Die Kouachi-Brüder attackierten das Magazin "Charlie Hebdo" in Paris. Und in Brüssel schlugen ebenfalls Brüder zu.

Mehr als 30 Menschen sollen Ibrahim und Khalid El Bakraoui in Brüssel mit in den Tod gerissen haben, als sie im Airport und in einer U-Bahn ihre Sprengsätze zündeten. Einige Terrorattacken der jüngeren Vergangenheit waren von der Terrormiliz Islamischer Staat inspiriert oder befohlen, doch von eng verzahnten Freundesgangs ausgeführt worden – und oft von Brüdern.

Blutsbande gilt schon seit langem als Merkmal krimineller Netzwerke, von den Verbrechern Frank und Jesse James bis zu Familienstrukturen der Mafia. Dass das Phänomen auch bei Terroristen zu beobachten ist, geht aus Sicht von Experten auf logistische und soziale Gründe zurück.

Demnach radikalisiert sich eine Person oft eher durch enge Freunde oder Angehörige als über externe Indoktrinierung. Umso schwieriger lässt sich die geschwisterliche Bindung von Sicherheitsbehörden knacken. „Eine Terrorzelle aus zwei Brüdern kann nicht unterwandert werden. Sie ist das denkbar sicherste Netzwerk“, sagt denn auch Claude Moniquet, ein französischer Sicherheitsexperte mit Dienstsitz in Brüssel.

Ein Überblick über die jüngsten Terror-Brüdergespanne:

Brüssel

Ibrahim und Khalid El Bakraoui sind von der Staatsanwaltschaft als zwei der Attentäter von Brüssel identifiziert worden. Der 29 Jahre alte Ibrahim sprengte sich im Flughafen in die Luft, sein zwei Jahre jüngerer Bruder zündete seine Bombe in der U-Bahn-Station Maelbeek.

Wie viel die belgischen Behörden über die beiden wissen, ist bisher unklar. Türkischen Regierungsvertretern zufolge wurde der ältere Ibrahim im Juni an der türkisch-syrischen Grenze aufgegriffen und in die Niederlande abgeschoben.

Ankara will sowohl Belgien als auch die Niederlande davor gewarnt haben, dass es sich bei Ibrahim El Bakraoui um einen „ausländischen terroristischen Kämpfer“ handele.

Ibrahim El Bakraoui soll auch in Luxemburg (Link) gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft dementiert dies aber (Link) .

Paris

Salah und Brahim Abdeslam – beide in Brüssel geborene Franzosen marokkanischer Herkunft – waren unter den Attentätern, die Paris im November mit Waffen- und Bombengewalt überzogen. 130 Menschen wurden getötet.

Der 31-jährige Brahim sprengte sich vor einem Café in die Luft. Sein 25-jähriger Bruder Salah übernahm das Logistische, etwa die Anmietung eines Autos, und floh in der Tatnacht aus Paris. In der vergangenen Woche wurde er in Brüssel gefasst.

Die Gebrüder Abdeslam hatten eine Bar im Brüsseler Bezirk Molenbeek betrieben, einer Gegend, aus der jüngst mehrere dschihadistische Umtriebe bekannt wurden. Sowohl Salah als auch Brahim waren wegen Kleinkriminalität hinter Gittern. Im Gefängnis begegnete Salah Abdelhamid Abaaoud, der später zum Drahtzieher der Pariser Anschläge wurde.

„Charlie Hebdo“

Die in Paris geborenen Brüder Chérif und Saïd Kouachi stürmten am 7. Januar 2015 die Redaktion der Satirezeitung „Charlie Hebdo“ und erschossen ein Dutzend Menschen. Zwei Tage später wurden sie bei einer Polizeirazzia in ihrem Unterschlupf Dammartin-en-Goële im Nordosten von Paris getötet.

Ihre Kindheit verbrachten Chérif und Saïd nach dem Tod ihrer Mutter in staatlichen Heimen. Als Erwachsene rutschten sie von Niedriglohnjobs in die Kleinkriminalität und schließlich in islamistische Kreise ab.

Durch ihre Verbindungen zu Dschihadisten gerieten die Brüder schon Jahre vor dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ ins Visier der Behörden. Im Jahr 2005 etwa wurde Chérif an der Ausreise in den Irak gehindert und drei Jahre später wegen Beihilfe zur Entsendung von Extremisten in den Kampf gegen US-Truppen in dem Land inhaftiert. Saïd war bei einem Al-Kaida-Ableger im Jemen.

Boston

Dschochar und Tamerlan Zarnajew platzierten am 15. April 2013 zwei Sprengsätze entlang der Route des Boston-Marathons. Drei Menschen kamen um, 260 weitere wurden verletzt. Der 26-Jährige Tamerlan wurde Tage später bei einem Feuergefecht mit der Polizei getötet. Sein sieben Jahre jüngerer Bruder Dschochar wurde angeschossen und festgenommen.

In seinem Prozess führten seine Anwälte ins Feld, dass Dschochar von seinem radikalisierten älteren Bruder Tamerlan, einem Ex-Boxer, verführt worden sei. Dieser sei der Drahtzieher gewesen. Eine Jury sah die Schuld Dschochars dennoch als erwiesen an und verurteilte ihn im vergangenen Jahr zum Tode.

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