Vom Schützling zum Rivalen

Vom Schützling zum Rivalen
(AFP/Matthieu Alexandre)

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Frankreichs Wirtschaftsminister Macron tritt zurück und blickt auf Wahljahr 2017.

François Hollande muss sich vorkommen wie der Zauberlehrling, der die Kontrolle über seine Geister verloren hat. Im August 2014 zauberte Frankreichs Staatschef den erst 36-jährigen und nahezu unbekannten Emmanuel Macron als neuen Wirtschaftsminister aus dem Hut. Genau zwei Jahre später wendet sich Macron von seinem Mentor ab und verlässt die Regierung – als einer der beliebtesten Politiker des Landes und Hoffnungsträger vieler Franzosen. Bei den Präsidentschaftswahlen 2017 könnte Macron zum Rivalen des Amtsinhabers werden.

Spekulationen über einen Rücktritt Macrons hatte es seit Monaten immer wieder gegeben. Und der smarte Jungstar der Regierung gab ihnen fleißig neue Nahrung, seitdem er im April seine eigene politische Bewegung „En marche!“ (etwa: Vorwärts!) ins Leben rief: Unbekümmert kritisierte er die Regierungspolitik und machte mehrdeutige Äußerungen über mögliche eigene Präsidentschaftsambitionen. Seine Kunstfertigkeit in der Formulierung eindeutig zweideutiger Aussagen zelebrierte der 38-Jährige auch am Dienstagabend, als sein Rücktritt das politische Frankreich kräftig durchgerüttelt hatte: „Ich will heute eine neue Etappe in meinem Kampf einleiten und ein Projekt aufbauen, das einzig und allein dem Allgemeinwohl dient“, sagte Macron.

Ideen und Taten

„Ich bin entschlossen alles zu tun, damit unsere Werte, Ideen und Taten Frankreich ab dem kommenden Jahr verändern können.“ Das „kommende Jahr“ ist das Wahljahr 2017, und so klangen Macrons Worte fast wie die offizielle Verkündung einer Präsidentschaftskandidatur – aber eben nur fast. Der frischgebackene Ex-Minister lässt die Franzosen weiter zappeln. Mit diesem Katz-und-Maus-Spiel hatte Macron in den vergangenen Wochen schon die Geduld seines Förderers Hollande strapaziert – bis es dem zu bunt wurde: Im Juli rief der Präsident den frechen Minister in einem Fernsehinterview öffentlich zur Ordnung: Wer sich nicht an die „Regeln“ halte, könne nicht in der Regierung bleiben.

Um Regeln aber hat sich Macron, der mit seiner rund 25 Jahre älteren früheren Lehrerin verheiratet ist, nie großartig geschert. Mit seinem Rücktritt gewinnt der 38-Jährige mit dem charmanten Schwiegersohn-Lächeln wieder politischen Freiraum – und Abstand zu einem Staatschef, der so unpopulär ist wie kein anderer vor ihm in Frankreichs jüngerer Geschichte. Es ist eine neue Etappe in der steilen Karriere des Mannes, der schon viel erreicht hatte, bevor er Wirtschaftsminister wurde. Der Absolvent der Elitekaderschmieden Sciences Po und ENA wurde Finanzinspektor und später erfolgreicher Investmentbanker bei Rothschild. Vor den Präsidentschaftswahlen 2012 stellte er sich an die Seite des Kandidaten Hollande und wurde später dessen Wirtschaftsberater im Elysée-Palast.

Elysée-Palast

Als Wirtschaftsminister symbolisierte der parteilose Macron die unternehmerfreundliche Wende des Sozialisten Hollande, versuchte eine neue Dynamik in den kriselnden Wirtschaftsstandort Frankreich zu bringen. Ein nach ihm benanntes Reformgesetz liberalisierte unter anderem den Busfernverkehr und lockerte die Sonntagsöffnungszeiten. Doch im linken Sozialistenflügel stieß Macrons Reformeifer auf erbitterten Widerstand. Und dass er sozialistische Heiligtümer wie die 35-Stunden-Woche immer wieder in Frage stellte, nahmen ihm viele übel. „Ich bin kein Sozialist“, räumt er erst vor zwei Wochen freimütig ein.

Alles scheint jetzt auf eine Präsidentschaftskandidatur hinauszulaufen – aber nimmt Macron das Wagnis wirklich auf sich? Hat er, der nie in ein Amt gewählt wurde, ohne mächtigen Parteiapparat im Rücken auch nur den Hauch einer Chance? In dem von hoher Arbeitslosigkeit und schwachem Wirtschaftswachstum geplagten Frankreich ist Macron zu einem Hoffnungsträger geworden. Vielen Wählern graut zudem, wenn sie sich das mögliche Kandidatenfeld für 2017 ansehen: Der unbeliebte Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy, der glücklose Amtsinhaber Hollande, die Rechtsextreme Marine Le Pen. Macron gilt vielen als erfrischende Alternative, er kann auf den Überdruss der Franzosen mit den ewig gleichen Politikern setzen. Macron hat große Ziele – und legt jetzt richtig los.