Pegida-Protest eskaliert in Dresden

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Erschreckende Szenen vor der Semperoper. Die Reden der Islamkritiker von Pegida lassen bei einigen Anhängern die Sicherungen durchbrennen. Offen tritt Hass zutage, ein Flüchtlingscamp wird zum Ziel.

In der Menge wird offensichtlich auch manch biederer Bürger mutig. Als nach dem „Abendspaziergang“ der islamkritischen Pegida-Bewegung am Montagabend die Teilnehmer den Neumarkt verlassen und in alle Richtungen davonströmen, hallen die Worte in den Köpfen nach. Gut 45 Minuten lang haben verschiedene Redner bei der Kundgebung ein düsteres Bedrohungsszenario an den Nachthimmel von Dresden gemalt. Wenn es nach ihnen geht, ist das Abendland bereits untergegangen. Es ist gerade so, als würden die Terrortruppen des Islamischen Staates schon den Zwinger belagern.

Aufgeputscht marschiert ein Teil der Demonstranten auf den Theaterplatz vor der Semperoper, wo seit Samstagabend Flüchtlinge und Helfer in Zelten der Kälte trotzen. Sie fordern mehr Rechte für Asylsuchende, wollen auf ihre Situation aufmerksam machen. Gut zwei Dutzend schwarzgekleidete Männer stürmen auf den Platz, können gerade noch von der Polizei abgefangen werden. Rechtsextreme, unschwer zu erkennen, daraus machen sie auch kein Hehl. Polizisten werden beschimpft, weil sie „auf der falschen Seite stehen“.

„Ausländer raus“

Dann fallen Sätze, die erschauern lassen: „Lasst uns nur machen. Wir übernehmen das für Euch. Wir räumen“, sagt einer der Rechten zu einem Polizisten, der mit Kollegen den Platz absperrt. Gemeint ist das Protestcamp der Flüchtlinge. Nach dem Willen der Stadt sollte es bis zum Abend abgebaut sein. Da die Betroffenen das per Eilantrag abzuwenden versuchen, verlängert die Stadt ihre Frist. Aufgebrachte Bürger, die sich gern darüber beschweren, dass Medien einen Teil der Pegida-Anhänger als rechtsextrem einstufen, verlieren alle Hemmungen.

Auf einmal hallen „Ausländer raus“-Rufe und „Deutschland den Deutschen“ über den Platz. Der Aufstand der Biedermänner mündet in Hass. „Das Pack muss weg“, sagt eine blonde Frau, Mitte 30, zu einem Polizisten. Der sächsische Linke-Parteichef Rico Gebhardt verfolgt das Geschehen direkt auf dem Platz. Dort harren mehrere Hundert Menschen aus, um die Flüchtlinge zu beschützen. Am Tag danach ist er noch immer fassungslos: „Das war eine gespenstische Atmosphäre.“ Es sei klar geworden, dass bei Pegida viele Rassisten mitliefen: „Das waren ganz normale ältere Bürger.“

Kein Zugriff auf seine Anhänger

Es mag nur ein kleiner Teil der Pegida-Anhänger sein, die derart die Fassung verlieren. Pegida-Anführer Lutz Bachmann schwört seine Leute immer wieder auf Gewaltlosigkeit ein, rühmt sich, dass von Pegida keinerlei Bedrohung für Andere ausgehe. Die „Campingfreunde“ auf dem Theaterplatz seien ja gerade Beleg dafür, wie die Zustände im Land schon seien, sagt er am Montag. Die Eskalation danach belegt, wie wenig Zugriff Bachmann auf seine Anhänger hat. „Die Saat des Hasses geht auf“, konstatiert am Dienstag Grünen-Parteichef Jürgen Kasek.

Als Gebhardt am Dienstag wieder auf dem Theaterplatz ist, wird gerade das Protestcamp geräumt. Die Flüchtlinge hatten keinen Erfolg mit ihrem Eilantrag beim Verwaltungsgericht Dresden. Nach zwei kalten Nächten wirken viele erschöpft, bauen die Zelte schweigend ab. Ihnen stecken die Eindrücke vom Vorabend noch in den Knochen. Einige wollen mit den Protesten weitermachen, eine kleine Gruppe erwägt einen Hungerstreik. Es gibt auch Bürger, die ihr Anliegen unterstützen und mit Essen, Schlafsäcken und anderen Dingen tatkräftig helfen.

In die Kritik gerät am Dienstag auch ein Mann, der von Amts wegen für die Flüchtlinge zuständig ist. Sachsen Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth (CDU) hatte in einem Interview das Ende des Camps gefordert, wertete das Vorgehen der Besetzer auch als „Luxusproblem“. Grünen-Fraktionschef Volkmar Zschocke erzürnt das: „Mackenroth wird seiner Rolle als Ausländerbeauftragter in keiner Weise gerecht. So verstärkt er Vorurteile gegen Flüchtlinge, statt sie abzubauen.“