In Chile sind alle Bergleute wieder an der Erdoberfläche

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Schneller als erwartet sind alle 33 verschütteten Bergleute in Chile gerettet worden. In der Nacht zu Donnerstag erreichte die Rettungskapsel mit dem letzten Kumpel die Erdoberfläche in der Atacama-Wüste.

Als letzter entstieg Schichtleiter Luis Alberto Urzua der schmalen Rettungskapsel. Die Bergungsaktion nach mehr als 69 Tagen Gefangenschaft tief unter der Erde verlief unerwartet schnell und problemlos. „Willkommen im Leben“, sagte Präsident Sebastian Pinera.

Rund zweieinhalb Stunden nach Schichtleiter Urzua kehrte auch der letzte Retter an die Erdoberfläche zurück. Die Bergungsaktion in der Gold- und Kupfermine San José wurde damit endgültig erfolgreich beendet.

Die Bergleute wurden am Mittwoch erst im Stundentakt, dann immer schneller einer nach dem anderen mit der „Phönix“ genannten Rettungskapsel aus über 600 Metern Tiefe ans Tageslicht gezogen – zeitweise im Abstand von nur 25 Minuten. Unter Freudentränen und hellem Jubel wurden sie von Angehörigen und Helfern begrüßt. Siehe auch:
Rettungsaktion kommt schneller voran als geplant

Kumpels werden auf Rettung vorbereitet

Die gesamte Aktion dauerte knapp 24 Stunden und wurde von Menschen in aller Welt gespannt verfolgt.

„Wir haben getan, worauf die gesamte Welt gewartet hat“, sagte Urzua nach seiner Rettung. „Die 70 Tage, die wir so hart gekämpft haben, waren nicht umsonst. Wir hatten Kraft, wir hatten Mut, wir wollten kämpfen, wir wollten für unsere Familien kämpfen, und das war das Größte“, sagte der Vorarbeiter zu Staatschef Pinera. Urzuas Führung soll es zu verdanken sein, dass die Bergleute zweieinhalb Wochen mit Notfallrationen überlebten, die für 48 Stunden gedacht waren.

Im ganzen Land waren die Menschen schon mit Beginn der Bergungsaktion vor Freude und Erleichterung aus dem Häuschen. In der Hauptstadt Santiago brach ein ohrenbetäubendes Hupkonzert los. In der Kreisstadt Copiapó, dem Heimatort vieler der Verschütteten, verfolgten rund 3.000 Einwohner die Rettung, die auf einer riesigen Leinwand übertragen wurde. „Die Kumpel sind unsere Helden“, sagte die 45 Jahre alte Maria Guzman unter Tränen.
 
69 Tage in 600 Metern Tiefe

Die Arbeiter hatten über zwei Monate lang in mehr als 600 Meter Tiefe ausgeharrt, länger als irgendjemand vor ihnen. Während der ersten 17 Tage war nicht einmal bekannt, dass sie nach dem Unglück vom 5. August noch am Leben waren. „

Hoffentlich wird der Geist dieser Bergleute immer mit uns sein. Dieses Land ist zu großen Dingen fähig“, erklärte Präsident Pinera. „Sie sind nicht mehr dieselben, und dieses Land ist danach nicht mehr dasselbe“, sagte der Staatschef an die Kumpel gerichtet. Neben ihm umarmten auch seine Frau und sein bolivianischer Kollege Evo Morales die Geretteten. 

Erster Retter als letzter wieder oben

Als Erster stieg Florencio Avalos aus der 4,50 Meter langen, in den Nationalfarben lackierte Kapsel und umarmte seinen sieben Jahre alten Sohn. Avalos war vor dem Grubenunglück am 5. August der zweite Vorarbeiter nach Urzua. Der einzige Ausländer unter den Verschütteten, der Bolivianer Carlos Mamani, wurde von seiner Frau Veronica und von seinem Präsidenten Morales begrüßt und rief „Danke, Chile!“.

Rund zweieinhalb Stunden nach Schichtleiter Urzua kehrte um 00:32 Uhr Ortszeit auch der letzte von insgesamt sechs Rettungshelfern wieder ans Tageslicht zurück. Manuel Gonzalez war zur Bergung der Kumpel als erster in die Tiefe gegangen. Die Bergleute wurden während der Fahrt in der Rettungskapsel mit Kameras überwacht und hatten Sauerstoffmasken angelegt.

Nach der langen feuchtheißen Dunkelheit trugen sie dunkle Sonnenbrillen gegen das grelle Licht und Pullover gegen die Kälte. Zur Beobachtung kommen sie vorerst ins Krankenhaus. Einige der Männer könnten die Klinik vermutlich schon am Donnerstag verlassen, sagte Gesundheitsminister Jaime Manalich. Einer musste wegen Lungenentzündung behandelt werden, zwei weitere brauchten einen Zahnarzt.

Die meisten Männer traten sogar glattrasiert ans Licht der Weltöffentlichkeit: Neben Lebensmitteln und Medikamenten waren ihnen in den letzten Tagen auch Rasierutensilien nach unten geschickt worden.

Rettungsaktion kostet mehr als 22 Milliarden Dollar

Die „Phönix“ genannte Rettungskapsel sah mit jeder Fahrt durch Felsgestein verschrammter aus. Sie drehte sich jedoch nicht so stark wie angenommen, so dass die Fahrten beschleunigt werden konnten. Gelegentlich klemmte eine Tür, und mehrere Laufräder mussten ersetzt werden. Die Kapsel funktionierte jedoch genau so wie geplant.

Schätzungen zufolge belaufen sich die Kosten für die Rettungsaktion auf mehr als 22 Milliarden Dollar (15,8 Milliarden Euro). Die Regierung hat mehrfach betont, dass Geld bei der Bergung der Männer keine Rolle spielt. Die Kumpel sollen demnach mindestens ein halbes Jahr lang betreut werden.

(dapd)