Montag3. November 2025

Demaart De Maart

Belgien: Kein Ende der Regierungskrise abzusehen

Belgien: Kein Ende der Regierungskrise abzusehen

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Nach einwöchiger Arbeit als „Klarifikator“, unterbreitete der flämische Separatist Bart De Wever gestern ein 50 Seiten langes Dokument, um Belgien aus der politischen Sackgasse zu führen. Den ersten Reaktionen der Frankofonen nach zu urteilen, ist damit jedoch kaum zu rechnen.

Von unserer
Korrespondentin
Marisandra Ozolins, Brüssel

 

Es gehe „nicht um ein Ja oder Nein“ zum Text, wie dies zuvor in belgischen Medien angedeutet worden war, stellte der Chef der Nieuw-Vlaamse Alliantie (N-VA) auf einer Pressekonferenz am frühen Abend klar. Abänderungen könnten durchaus noch diskutiert werden.

Allerdings stelle der Text ein „prekäres Gleichgewicht“ dar, von dem er erwarte, dass er von den anderen Parteien – neben der N-VA nehmen die flämischen und frankofonen Sozialisten und Gründe sowie die flämischen Christdemokraten und frankofonen Humanisten an den Verhandlungen teil – akzeptiert werde. Nach vier Monaten Krise sei es an der Zeit, zu einer Einigung zu gelangen, betonte De Wever.

Aus dem umfassenden Dokument des Flamen, der einseitig einen Neuanfang der Verhandlungen gefordert und am 10. Oktober von König Albert II zur Klärung der Situation beauftragt worden war, stechen fünf wesentliche Vorschläge hervor, um die künftigen Beziehungen zwischen dem Föderalstaat Belgien und den Regionen und Sprachgemeinschaften zu regeln.

Abmagerungskur für Föderalstaat

Erstens, der aus Parlament, Senat und Regierung bestehende belgische Föderalstaat wird einer Abmagerungskur unterzogen. Bart De Wever zufolge soll die Zahl der Minister verringert werden, Staatssekretäre könnten ganz verschwinden. Der Senat soll zwar beibehalten werden, aber mit weniger Macht. Für die Abgeordneten sind u.a. Gehaltskürzungen geplant.

Im Bereich der Beschäftigung sollen die Regionen die volle Zuständigkeit über Kontrolle und Begleitmaßnahmen für die Arbeitslosen erhalten. Auch der Justizbereich soll vom Föderalstaat auf die Regionen übertragen werden, mit einigen wenigen Ausnahmen wie dem Staatsrat.

Was die Neufinanzierung der Regionen betrifft, sieht das Papier De Wever einen Transfer von 16 Milliarden Euro von der föderalen Ebene auf die Regionen und Sprachgemeinschaften vor. Darunter soll insbesondere ein Teil der Einkommenssteuer an die Teilstaaten übertragen werden, kompensiert durch einen föderalen „Solidaritätsmechanismus“. Nicht zuletzt geht es auch um die Refinanzierung der Brüsseler Region sowie um das leidige Problem des Wahlbezirks Brüssel-Halle-Vilvoorde (BHV), das die Flamen seit Jahren aufteilen wollen.

Hier schlägt De Wever u.a. vor, dass in den sechs überwiegend frankofonen Gemeinden um Brüssel, die jedoch zur Provinz Flämisch-Brabant zählen, die Wähler entweder für eine Brüsseler oder eine flämische Liste wählen könnten.

Die frankofonen Bewohner dieser Gemeinden müssten auch nicht mehr jedes Mal um die Zusendung ihrer Dokumente auf Französisch ersuchen, sondern nur alle drei Jahre. Zur Refinanzierung Brüssels schlägt der N-VA-Chef schließlich zusätzliche 100 Millionen Euro im Jahr 2011 vor, das Doppelte 2012 und das Dreifache 2013.

Er sei sich darüber im Klaren, dass seine Vorschläge „nicht auf Einstimmigkeit“ stoßen würden, erklärte Bart De Wever. Man könne es sich jedoch „nicht mehr erlauben, Zeit zu verlieren“. Eine Entscheidung müsse „jetzt“ getroffen werden, denn nach der Staatsreform müssten noch eingehende Diskussionen über die Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie die Sanierung der öffentlichen Finanzen des Landes geführt werden.

Geschickte Taktik

Auch erwarte er für heute „klare Antworten“ seiner Verhandlungspartner. Seitens der Frankofonen sind die ersten Reaktionen bereits gestern Abend verlautet. Sie sind einhellig negativ. Das Papier De Wever habe „die Standpunkte nicht angenähert“, hieß es seitens der Sozialisten, während die Grünen von einer „einseitigen und unausgewogenen Note“ sprachen, die in den Augen der Humanisten „80 Prozent des Programms der N-VA“ widerspiegele.

Die offiziellen Antworten der sechs Verhandlungspartner der N-VA wird Bart De Wever bis heute Mittag erhalten. Dann wird er dem König Bericht über seine – wahrscheinlich gescheiterte – Mission erstatten. Nur wird der flämische Separatist, der auch ein geschickter Taktiker ist, diesmal den schwarzen Peter den Frankofonen allein zuschieben können.