Sonntag9. November 2025

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Zwangs- oder Scheinehe?

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Wenn zwei sich streiten, ärgert sich der Steuerzahler. Und das einzig und allein nur aus dem Grund, weil zwei nicht so miteinander können, wie man es eigentlich von ihnen erwartet.

Emile Hengen

In der Öffentlichkeit halten sie sich jedoch weitgehend bedeckt. Lediglich Positionsbehauptungen, so heißt es wortwörtlich auf der einen Seite, seien nicht immer in der richtigen Art und Weise beantwortet worden. Die andere Seite hingegen schweigt.
Die Sache ist irgendwie verzwickt: Da zieht ein nationales Orchester in ein Haus mit dem Anspruch, dass es sein Haus sei. Schließlich, so die Leiter des Orchesters, sei die Existenz der Philharmonie unmittelbar mit der Geschichte des OPL verbunden und das Konzerthaus einzig und allein aus dem Grund gebaut worden, damit dem OPL eine permanente Residenz zur Verfügung steht.
Doch steht die prunkvolle Philharmonie – ein öffentliches Gebäude, das für jede Kunstform offen steht und einen kulturellen Auftrag auf der Basisfinanzierung des Staates erhalten hat – einzig und allein unter der Leitung von Matthias Naske, der sowohl über ein selbstständiges, vom OPL losgekoppeltes Team als auch über einen eigenen Verwaltungsrat verfügt, der – völlig unabhängig von dem, was dem Gremium der „Fondation Henri Pensis“ (OPL) vorschwebt – die Richtlinien des Hauses vorgibt. Das OPL aber, das zutiefst bedauert, dass es nicht Herr im eigenen Haus ist, wünscht sich nichts sehnlicher als eine Aufwertung seiner Stellung in der Philharmonie. Es klagt über zu wenig Freiräume – Vorwürfe, die Naske so nicht stehen lassen mag. „Mehr als die Hälfte – Proben mit einbegriffen – von dem, was hier drinnen passiert, ist dem OPL anzurechnen. Analysiert man aber die Publikumszahlen, so wäre das Haus nur um ein Viertel bespielt und ausgelastet, würde sich hier nur das OPL produzieren“, verdeutlichte Naske am 29. Mai im Tageblatt-Interview.

Mit dem Rücken zur Wand

Zu allem Überfluss schwinden auch noch die Besucherzahlen des OPL. Die Einnahmen durch Abonnements fielen von 560.600 Euro im Jahr 2008 auf 399.978 im Jahr 2009. Das OPL, es steht mit dem Rücken zur Wand. Der Verwaltungsrat mahnt: „La Fondation ne disposera […] plus de réserves budgétaires et […] nécessitera une adaptation importante de la participation financière de l’Etat pour les prochaines années.“ Die Philharmonie hingegen erfreut sich zunehmender Beliebtheit: Die zahlenden Gäste stiegen in einem Jahr um 2,53% auf 102.196 Besucher, die nur die Veranstaltungen besucht haben, die eigens von den Programmgestaltern der Philharmonie auf den Spielplan gesetzt wurden. Angesichts solcher Zahlen versteht es sich wohl von selbst, dass sich die Spannungen zwischen den beiden Institutionen weiter zuspitzen.
Doch damit soll nun endgültig Schluss sein. Das sichtlich ratlos und überfordert wirkende Kulturministerium, das jedes Jahr mehr oder weniger 20 Millionen Euro Steuergelder an beide auszahlt, hat sich eingeschaltet und für 20.000 Euro zwei fachkundige Experten – Martijn Sanders, ehemaliger Direktor des „Concertgebouw Amsterdam“, und Laurent Bayle, Generaldirektor der Pariser „Cité de la musique“ – damit beauftragt, ein Gutachten über mögliche Synergien zwischen den beiden Institutionen zu erstellen. Schließlich gilt es in Zeiten der Finanzkrise, neue Wege zu erschließen und beide Institutionen so nah wie möglich aneinander heranzuführen, mit dem primären Ziel, Kosten einzusparen und weiteren Konflikten Einhalt zu gebieten. Wie dieses Sachverständigengutachten letzten Endes ausfiel, darüber hüllt man sich noch bis Ende des Monats in Schweigen. Dann nämlich sollen alle Beteiligten zu Wort kommen und sich beraten.
Wie wird sie aussehen, die Zukunft des OPL und die der Philharmonie? Sollen beide fusionieren und nur einem Direktor unterstellt werden? Handelt es sich dabei um eine Zweck- gar Zwangsehe? Oder ist sie letzten Endes doch nichts anderes als eine Scheinehe, ist doch bekannt, dass manche in diesen Kreisen so einige Privilegien genießen, die zu denken übrig lassen. Beispiel: Der Betrag der Ausgaben für die Bezahlung der Dirigenten und Solisten des OPL belief sich im Jahr 2009 auf 1.259.601 Euro. Einsparmöglichkeiten, so viel steht fest, bestehen allemal.