Yesterday

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Das kommt also davon, wenn man nichts Besseres zu tun hat, als den Arbeitstag vor dem Fernsehgerät ausklingen zu lassen, und dabei ausgerechnet bei der Echo-Verleihung hängen bleibt.

Ist man mit den Gepflogenheiten des deutschen Musikpreises nicht vertraut, dann geht man unweigerlich ziemlich verstört ins Bett.

Philip Michel pmichel@tageblatt.lu

Gefühlte 100 Preise werden vergeben und ebenso viele Dankesreden gehalten, wobei die Plattenfirma immer Universal zu heißen scheint. Eine Castingshow-Gewinnerin räumt doch tatsächlich den Preis als beste internationale Newcomerin ab und gibt dabei Bands wie Imagine Dragons das Nachsehen.

Die junge Dame heißt Beatrice Egli und singt deutschen Schlagerpop. Wie der Name es verrät, ist Egli Schweizerin, was dann Grund genug ist, sie in der internationalen Kategorie antreten zu lassen. Und immer wieder sieht man den beeindruckenden „rectus abdominis“ von Moderatorin/Preisträgerin Helene Fischer.

Früher war alles besser, schießt es einem vor dem Einschlafen durch den Kopf, und das stimmt tatsächlich. Denn genau vor 50 Jahren geschah in der Musikbranche etwas bis heute Einmaliges: Die Beatles belegten in der US-amerikanischen Hitparade, den Billboard-Charts, die ersten fünf Plätze. Platz 1: Can’t Buy Me Love, Platz 2: Twist and Shout, Platz 3: She Loves You, Platz 4: I Want to Hold Your Hand, Platz 5: Please Please Me.

Populärer als Jesus

Die Beatlemania war auf ihrem Höhepunkt angekommen, und die anschließende Welttournee brach alle Rekorde. In der Innenstadt von Adelaide empfingen 300.000 Menschen die „fabelhaften Vier“, was bis dahin den größten Menschenauflauf in der Geschichte Australiens darstellte. Die Hysterie war dermaßen gigantisch, dass John Lennon die fast schon religiöse Verehrung 1966 in einem einzigen Satz auf den Punkt brachte: „Die Beatles sind populärer als Jesus.“

Zu einer Zeit, als die Kirche in der westlichen Welt immer mehr an Einfluss verlor, waren die Beatles in der Tat ein Religionsersatz, schließlich standen sie für Werte wie Freiheit, Selbsterfahrung und -bestimmung, während die Kirche stets an ihren altertümlichen Dogmen festhielt bzw. festhält.

Es entwickelte sich erstmals so etwas wie eine Popkultur, was aus den Beatles die Wegbereiter der modernen Rock- und Popmusik machte. Nicht nur musikalisch setzten sie neue Maßstäbe, auch im Verkauf wurden neue Wege beschritten. Wenn Helene Fischer im kommenden Jahr auf große Stadiontournee geht, dann hat sie das auch den Beatles zu verdanken. Denn die Beatles vollendeten die „Aufbauarbeit“ von Elvis und machten aus der Musik ein Massenerlebnis. Allerdings ohne es wirklich zu wollen.

Sie bekamen die Kehrseite des Personenkults zu spüren. 1966 zogen sie sich weitestgehend aus der Öffentlichkeit zurück und gaben auch keine Konzerte mehr. Nach zehn Jahren war die Band Geschichte. Im kulturellen Gedächtnis sind die Beatles aber auch ein halbes Jahrhundert später noch fest verankert. Noch heute erkennt so gut wie jeder ihre Lieder, Generation für Generation entdeckt die „Fab Four“ immer wieder neu. Und das ganz ohne die Marketingmaschinerie von Universal und Co., ohne die es heute im Musikgeschäft so gut wie nichts zu ernten gibt.