Wirklich beherrschbar?

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Nur ein Wort in einem langen Gespräch kann zu weitgehenden Irritationen führen, vor allem, wenn es von einem wie dem Vorsitzenden der Eurogruppe ausgesprochen wird.

In einem Gespräch mit dem WDR sagte Jean-Claude Juncker, dass ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone „aus heutiger Sicht ein beherrschbarer Vorgang“ sei. Wohl schob der luxemburgische Premierminister dieser Aussage gleich hinterher, dass dies kein „wünschenswerter Vorgang“ sei, da er doch mit „erheblichen Risiken verbunden“ sei. Wobei Jean-Claude Juncker vor allem an die „kleinen Leute“ dachte, an die „Bergbauern in Griechenland“.

Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu

Dabei scheint dem Eurogruppen-Chef entgangen zu sein, dass die einfachen Leute in Griechenland mit den bisherigen Spar- und Reformmaßnahmen schon längst in einem Stadium angekommen sind, in dem es für sie egal ist, ob das Land in der Eurozone ist oder nicht. Denn es ist einerlei, ob man ohne Euro oder ohne Neo-Drachme in der Tasche arm ist. An die kleinen Leute in Griechenland – und auch in den anderen Krisenländern – hätte früher gedacht werden sollen. Etwa als auf der anderen Seite die reichen Griechen ihre Millionen und Milliarden an Euro noch im Land geparkt hatten, bevor sie diese für den griechischen Fiskus unerreichbar ins Ausland schafften

Niemand kennt die Konsequenzen

Aufhorchen ließ jedoch vor allem die Einschätzung des Eurogruppen-Chefs, dass ein Euro-Austritt Griechenlands „beherrschbar“ sei. Was viele Interpretationen zulässt, die allerdings alle dem zuwiderlaufen, was bislang als offizielle Losung von der ersten Garde der EU-Politiker ausgegeben wurde: nämlich dass ein Verbleib Griechenlands im gemeinsamen Währungsgebiet die einzige Arbeitshypothese bei der Krisenbewältigung sei.

Was beherrschbar ist, kann gewagt, kann ausprobiert werden, ohne dass man sich Sorgen darüber machen müsste, dass es zu unangenehmen Konsequenzen kommen könnte. Ist dem so im Falle Griechenlands? Finanztechnisch dürfte es keine Schwierigkeit sein. Einmal Rolle rückwärts, ist zwar mit erheblichem administrativem Aufwand verbunden, ebenso wie der Übergang von einer nationalen Währung auf den Euro. Aber durchaus machbar.

Doch welches sind die politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen eines Ausscheidens aus der Eurozone, nicht nur für Griechenland, sondern für die anderen Euro-Staaten, denen die Schuldenkrise zu schaffen macht? Und wie würde sich ein solches Szenario auf das gesamte Projekt Euro und EU auswirken? Wirklich alles beherrschbar, wie der Eurogruppen-Chef weissagt?

Es bleibt vielmehr dabei, dass niemand so recht weiß, was passieren wird, wenn Griechenland aus dem Euroraum austritt. Und ob dem Land damit wirklich geholfen ist, kann ebenfalls niemand mit auch nur annähernder Gewissheit sagen.

Die Aussage von Jean-Claude Juncker ist jedoch auch aus einem anderen Grund mehr als ärgerlich. Denn sie spielt vor allem jenen Populisten in die Hand, die mit kräftigen Rausschmissparolen auf der heimischen Politbühne versuchen zu punkten. Ohne aber einen konstruktiven Beitrag dafür zu leisten, dass das während Jahrzehnten mühsam zusammengefügte Gebilde EU mit seiner gemeinsamen Währung so erhalten werden kann.