Wider die Bornierten

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Zur Sprachensituation in Luxemburg

Die Entwicklung der Sprachensituation in Luxemburg ist sehr komplex und allein schon deswegen ausgesprochen interessant, birgt aber auch etliche Probleme und Gefahren. Unser Kollege Frédéric Braun hat in Le Quotidien vom 22. August zu diesem Thema ein absolut lesenswertes Interview mit dem Soziologen Fernand Fehlen geführt (die Ausgabe ist über die Tel.-Nr. 54 71 31-1 erhältlich).

Eines dürfte absolut klar sein: Damit wir in unserem Lande auf Dauer den sozialen Frieden bewahren können, darf es auf keinen Fall sein, dass normal gescheiten und fleißigen Kindern, in deren Elternhaus niemand Deutsch redet, allein wegen mangelhafter Deutschkenntnisse der Zugang zu Fachhochschule oder Universität verwehrt bleibt.

Es darf also auf keinen Fall sein, dass derlei Schülern de facto hauptsächlich aufgrund ihrer Herkunft als alleinige Option eine berufliche Zukunft mit Putzlappen oder Pioche in der Hand verbleibt. Wirksamer lässt sich in der Tat eine Gesellschaft nicht spalten.

Umgekehrt muss man aber auch Sprösslinge stockluxemburgischer Familien darauf aufmerksam machen, dass sich für sie die Vernachlässigung des Französischen in der Schule („ich geh ja eh auf eine deutschsprachige Uni“) zu einem fatalen Nachteil auf dem Arbeitsmarkt auswirken kann.

Wer beim Vorstellungsgespräch außer konfusem Gestotter und Gestammel nichts Zusammenhängendes in der Sprache Molières hervorzubringen imstande ist, dem nützt – bei der Konkurrenz, die heute auf dem Arbeitsmarkt herrscht – mitunter das schönste Diplom nichts: Der Job geht dann nur allzu oft an den fachlich ebenso gut qualifizierten, dafür aber sprachlich kompetenteren Konkurrenten.

Mehrsprachigkeit ist natürlich mit Anstrengung verbunden und allein schon deswegen nicht universell populär. Man sollte aber nie vergessen, zu welchem kulturellen Reichtum einem die Mehrsprachigkeit den Zugang eröffnet. Wer hingegen ohne Not auf sie verzichtet, beschränkt damit mutwilligerweise den eigenen geistigen Horizont. Wobei man natürlich grundsätzlich nur das beschränken kann, was zumindest ansatzweise vorhanden ist.

Eine große Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden hierzulande geht denn auch von den Bornierten aus, an denen das Großherzogtum wahrlich keinerlei Mangel leidet.

– Einerseits von bornierten Stockluxemburgern, die sich standhaft weigern, auch nur einen Satz Französisch zu sprechen – wobei sie zu allem Überfluss ihre eigene mentale Trägheit dann auch noch als Akt des heroischen Widerstandes gegen die Knechtung der wackeren Lützelburger unters welsche Joch zu kaschieren suchen.

– Andererseits von bornierten Franzosen, die es selbst nach jahrelangem Aufenthalt in diesem Lande mit atemberaubender Arroganz (und der damit notwendigerweise einhergehenden Idiotie) prinzipiell ablehnen, „leur patois de ploucs“ auch nur verstehen zu lernen.

Die Sprachensituation in Luxemburg ist wie gesagt sehr spannend, sie verlangt aber von allen Beteiligten eine gehörige Portion guten Willens.

Wer aber nicht willens ist, sich zumindest eine passive Kompetenz in einer der anderen Sprachen anzueignen, darf sich – gerade wenn er ansonsten stolz auf seine Bildung ist – nicht beklagen, wenn er außerhalb seiner eigenen Community auf herzliche Geringschätzung stößt.