Säbelrasseln

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Die Staaten rüsten auf und niemand empört sich

„Si vis pacem para bellum.“ – Willst du den Frieden, bereite den Krieg vor. Die altrömische Maxime hat Generationen von Sekundarschülern als Aufsatzthema beschäftigt. Vor noch nicht allzu langer Zeit schien ihre Befolgung die ideale Lösung zu sein, um sich ideologisch spinnefeindliche Militärblöcke auseinanderzuhalten. Im Kalten Krieg und in den letzten Jahren vor der Implosion des sogenannten sozialistischen Staatenbündnisses war der Rat der alten Römer und Griechen mit dem auf beiden Seiten angehäuften nuklearen Overkill-Potenzial ad absurdum befolgt worden.

Nach dem Zusammenbruch der UdSSR schien eine neue Ära anzubrechen. Endlich konnten die überdimensionierten Streitkräfte in Ost und West reduziert, die Nuklear-Arsenale abgebaut werden. Der Kapitalismus als Wirtschaftssystem hatte ja gesiegt. Mit dem Verschwinden des Klassenfeinds waren hochgerüstete Armeen überflüssig geworden. Gegen wen hätten sie denn kämpfen sollen? Endlich hätten Milliarden Dollars für bessere Zwecke ausgegeben werden können. Das einzige Land, das seine Armee mangels Finanzmitteln vergammeln ließ, war Russland.

Die dem Gutmenschen Michail Gorbatschow mündlich gemachten Zusagen der neuen Freunde, nach der Wiedervereinigung Deutschlands den Wirkungsbereich der NATO nicht auszudehnen, hielten nicht lange. Durch die Aufnahme neuer Mitglieder in Osteuropa dehnte sich die Militärallianz gleich nach dem Zusammenbruch der UdSSR Richtung russische Grenzen aus. Zu einem Zeitpunkt also, als vom Schreckgespenst Putin noch niemand sprach, hatte man doch mit dessen Vorgänger Boris Jelzin einen willfährigen Partner im Kreml sitzen.

Seit wenigen Jahren erleben wir eine brutale Kehrtwende in der Rüstungspolitik. Im Osten modernisiert Russland seine Streitkräfte. In den USA kündigt die Trump-Administration ein umfassendes Erneuerungsprogramm für Nuklearwaffen an. Die NATO-Länder in Europa wurden ihrerseits aufgerufen, mehr Geld für Waffen und Armee bereitzustellen. 15 Jahre nach dem Ende des sowjetischen Experiments erlebt die Welt eine neue Phase des Wettrüstens.

Wer aufrüstet, den Frieden durch Kriegsvorbereitungen sichern will, braucht einen Feind. Der steckt – liest und schaut man sich die aktuelle mediale Aufbereitung des Verhältnisses NATO-Russland an – wieder im Osten, denn die islamistische Terrorgefahr bekämpft man bekanntlich nicht mit Panzern, Haubitzen und Atomraketen.

Erstaunlich ist, mit welcher Sorglosigkeit diese Entwicklung von der breiten Öffentlichkeit mitgetragen wird. Einer rezenten Umfrage von Eurostat zufolge befürwortet eine Mehrheit von EU-Bürgern eine verstärkte Verteidigungskooperation und folglich auch erhöhte Militärausgaben. Eine nennenswerte Opposition gegen diesen Aufrüstungskurs ist, abgesehen von Linksparteien, bisher nicht erkennbar.

Auch in diesem Jahr gedachte man der Menschenschlächterei während des Ersten Weltkrieges. „Die Schlafwandler, wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog“ betitelte der britisch-australische Historiker Christopher Clark seinen Bestseller zu den Ursachen des Ausbruchs des Krieges und deutet damit an, dass die damaligen Großmächte nicht erkannten, wohin ihre Politik sie schließlich führen würde.

Hoffen wir, dass Europas Mächte dieses Mal klaren Kopf behalten.