Nachhilfe

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21 Schüler sitzen in einem Klassenzimmer. Der Lärmpegel ist sehr hoch. Es wird geredet, getuschelt, Schreibstifte fallen zu Boden, Hefte werden auf die Schulbank geknallt. An der Tafel bemüht sich die „Joffer“, die Aufmerksamkeit der Schüler zu gewinnen.

Roger Infalt
rinfalt@tageblatt.lu

Doch fast keiner hört zu. Jedenfalls nicht so richtig. Von Konzentration und Motivation keine Spur. Da hilft die frontale Lehrerberieselung auch nicht. Diese Lernsituation ist eine denkbar ungünstige, und doch findet man sie alltäglich an vielen Schulen.

Was ist los? Sind unsere Kinder nicht mehr gewillt, für ihr späteres Leben zu lernen? Sind die Lehrer nur Lehrer und keine Pädagogen mehr? Werden die Kids von Playstation, Mobiltelefonen usw. dermaßen abgelenkt, dass alles andere in der Schublade „Nebensächlich“ landet? Sind die Lehrer und Professoren faul, abgestumpft oder etwa einer für die Schüler sehr gefährlichen Routine verfallen? Versagen die Eltern heute bei der Vorbereitung ihrer Kinder auf die Schule, auf das Leben? Ist der Leistungsdruck zu hoch geworden? So hoch, dass die Kids bereits in jungen Jahren davor kapitulieren? So hoch, dass auch die Eltern schnell das Handtuch werfen und alles der Schule oder sonst wem überlassen?
Spätestens seit der PISA-Studie wissen wir, dass es um unser Schulsystem nicht besonders gut bestellt ist. „Was nützt ein neues Schulgebäude, wenn es schon am System hapert?“ Immer mehr Kinder brauchen heute bereits in ihrer frühen Schulzeit Nachhilfeunterricht. Das läge vor allem an dem großen Druck, dem die Kinder und Jugendlichen heute ausgesetzt sind, so eine Mutter. „Die Anforderungen an unsere Sprösslinge wachsen stetig.“

Apropos Nachhilfe: Laut vorsichtigen Schätzungen bucht heute jedes dritte Kind (!) private Nachhilfestunden. Mathe und Sprachen sind die Renner. Besonders häufig greifen die Eltern von Lyzeumsschülern im Pubertätsalter zwischen zwölf und 16 Jahren zur bezahlten Lernhilfe. Das kommt einer riesigen Ohrfeige für unser Schulsystem gleich.
Doch ist Nachhilfe allein die Lösung aller Probleme? Nachhilfe kann lediglich eine vorübergehende Antwort sein, darin sind sich die Experten einig. „An die 90 Prozent der Schüler erkennen recht schnell eine Besserung und freuen sich darüber“, meint ein Schulpsychologe. Meistens seien die Kinder zuvor nicht einfach faul gewesen, sondern hätten ihren Fokus einfach auf andere Dinge gelenkt. Und weiter: „Unser Ziel darf es nicht sein, Genies zu züchten, sondern die Schüler als Menschen zufrieden zu stellen, dann kommt auch die Leistung.“

Kleine Klassen

Andere Experten sind der Meinung, dass das weitere Verringern der Schülerzahl pro Klasse zum besseren Unterricht führen könnte. Die Maximalzahl von 15 Schülern wird in den Raum gestellt. Das würde nicht nur den Unterricht entspannen und lernfördernd gestalten, sondern auch individuellen Bedürfnissen gerecht werden. „Je mehr Wert in einer Schule auf Sekundärtugenden wie Erziehung gelegt wird, desto besser ist auch die Leistung der Schüler“, so ein junger Lehrer. Doch er fügt auch gleich abschwächend hinzu: „Alle reden heute von Bildung, doch keiner weiß, wie gute Bildung umgesetzt wird!“

Dass Frontalunterricht vor prallgefüllten Klassen nur wenig lernfördernd ist, wissen wir schon seit 30 Jahren. Ebenso lange wissen wir, dass das Basiswissen in allen Bereichen wichtig ist, um die vielen Verflechtungen erkennen zu können. Wir wissen um die Defizite in unserer heutigen Gesellschaft, um die Defizite beim Lehrkörper, bei den Kindern und Jugendlichen, bei den Eltern. Wir wissen, dass Erziehung und Ausbildung eng verstrickt sein müssen, damit wir nicht in ein gesellschaftliches Debakel stürzen.
Warum tun wir so, als wüssten wir das alles nicht?