Mutant Luxemburg

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Nirgends ist der Wandel schneller als bei uns

Der Botaniker Hugo de Vries prägte 1901 den Ausdruck Mutation; er verstand darunter die dauerhafte Veränderung des biologischen Erbgutes – mit positiven oder negativen Folgen. Im übertragenen Sinne erlebt Luxemburg seit etwa zweimal zwanzig Jahren eine Mutation, wie sie in Europa beispiellos ist.

Dessen sind wir uns nicht bewusst: Im Alltag werden die vielen kleinen Schritte des Wandels kaum wahrgenommen, „vor lauter Bäumen sieht man nicht den Wald“.

Inwiefern lässt sich eine solche Mutation politisch, wirtschaftlich, sozial und kulturell steuern?
Der gegenwärtige Zustand deutet darauf hin, dass beherzte, zukunftsträchtige Eingriffe in den Lauf der Dinge eher selten waren während der langen CSV-Vorherrschaft.

Luxemburg wurde quasi „automatisch“ zu dem, was es heute ist: ein Einwanderungsland mit großem wirtschaftlichen Erfolg, aber auch mit größten Herausforderungen in Sachen Integration und Zusammenleben, Infrastruktur, Bildung und Ausbildung, Wohnungs- und Arbeitsmarkt, um nur die zu nennen.

Schauen wir uns ein paar Zahlen an, die Luxemburg als Sonderfall auszeichnen.

1. Stichwort Einwanderung. Die Bevölkerung ist seit dem Jahr 2000 um 136.700 Einwohner (+31%) auf 576.200 geklommen; im Jahresschnitt waren es netto 9.113 Menschen. Die portugiesische Gemeinschaft stieg um 59%, die französische um 109%, die belgische um 31%. Eine der Folgen ist die überragende Rolle des Französischen als Umgangssprache. Der Anteil der Ausländer an der Gesamtbevölkerung erreicht mittlerweile 47%.

2. Stichwort Arbeitsmarkt. Seit 1995 kamen 194.800 Stellen dazu (+90%), 9.740 netto pro Jahr; das Grenzgängerkontingent wuchs um 117.100 Personen (+211%), 5.855 netto pro Jahr. Die Gesamtzahl der Arbeitsplätze beträgt 410.300; irgendwann in nicht ferner Zukunft wird es in Luxemburg mehr Jobs geben als Einwohner.

3. Stichwort Wirtschaftsleistung. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag 1995 bei durchaus respektablen 15,1 Milliarden Euro; 2015 waren es 52,1 Milliarden (+245%), ein Mehr von 1,84 Milliarden pro Jahr. So konnte der Staat über Einkommenszuwächse verfügen, die seinen Finanzministern das Haushalten leicht machten (… und dennoch!).

Unter dem Druck dieser und anderer, vergleichbar starker Entwicklungen ist aus Luxemburg binnen (historisch) kurzer Zeit ein ganz anderes Land geworden, das jetzt, angesichts der reichlich vorhandenen Mittel, die geschehenen Fehler schrittweise bereinigen und die guten Chancen kühn nutzen sollte.

Nun geht es schlicht und einfach darum, die Mutation zum modernen, leistungsfreudigen, weltoffenen, toleranten, sozial gerechten und herzlich-solidarischen Staat zügig abzuschließen. Dafür braucht es an der Spitze solche Politiker und Entscheidungsträger, die den Blick nicht rückwärts, sondern vorwärts richten.

Es kann einem wirklich angst sein vor denen, die immer noch der 2013 verdientermaßen verlorenen Macht nachtrauern und wie besessen sind von destruktivem Revanchedenken!

An dieser Stelle gab es für die jetzige Regierung schon jede Menge Kritik und es wird auch künftig kein Blatt vor den Mund genommen. Aber ist es nicht so, dass Blau und Rot und Grün den Mutanten Luxemburg inzwischen mit ziemlich sicherer Hand in die unumgängliche Modernität zu führen wissen?