Lernen fürs Leben

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Studien – egal, welcher Art – sind mit Vorsicht zu genießen. In vielen Fällen konzentrieren sie sich auch aufgrund des mit der Datenerhebung verbundenen Aufwandes nämlich immer nur auf einen zeitlich begrenzten Rahmen. Es handelt sich demnach um Momentaufnahmen, deren Aussagekraft nicht mit der von Langzeitstudien gleichzusetzen ist.

Oft wird in Studien auch die Anzahl der untersuchten Faktoren, sprich der Variablen, auf einige wenige reduziert. Diese Vorgehensweise hat zwar den Vorteil einer leichteren und präziseren Analyse, die Verbindung des oder der untersuchten Faktoren zu einem Ganzen oder System ist, wenn überhaupt, aber nur schwer herzustellen.

Aussagekräftiger sind da schon Untersuchungen, in denen eine große Anzahl von Faktoren gleichzeitig analysiert werden. Diese Methodik erlaubt es aufgrund ihrer Komplexität, den realen Bedingungen näherzukommen. Eine Interpretation ist aber ungleich schwieriger. Auch steigt die Fehlerquote parallel zur Anzahl der untersuchten Faktoren.

Nichtsdestotrotz sind Studien – sofern sie entsprechend den „règles de lart“ seriös ausgeführt und ausgewertet werden, unverzichtbar. Vorausgesetzt, die „Nutzer“ der Erhebung (zu denen in vielen Fällen auch die Medien gehören) sind sich der Grenzen der jeweiligen Studie bewusst. Zwar sind klare und eindeutige Ergebnisse, die sich in einer einzigen Schlagzeile zusammenfassen lassen, verlockend, leider aber nur sehr selten.

ELLI-Index

Dies gilt auch für den sogenannten ELLI-Test der Bertelsmann-Stiftung. ELLI steht für „European Lifelong Learning Index“ und ist der erste europäische Index zum lebenslangen Lernen.

In diesen Index fließen insgesamt 36 Indikatoren ein. Berücksichtigt werden dabei Lernprozesse sowohl in als auch außerhalb der klassischen Bildungsinstitutionen. Bewertet werden demnach neben der formalen Bildung („Lernen, Wissen zu erwerben“) auch die berufliche Aus- und Weiterbildung („Lernen, zu handeln“).

Des Weiteren werden in der Kategorie „Lernen, zusammenzuleben“ die sozialen Lernaktivitäten in der Freizeit zusammengefasst, während sich der Bereich „Lernen, das Leben zu gestalten“ auf das eigenständige Lernen zur persönlichen Entfaltung und Weiterentwicklung bezieht. Zusammengenommen ergibt sich daraus ein Gesamtbild des Stands des Lernens in den verschiedenen Phasen des Lebens.

Und Luxemburg schneidet mit einem insgesamt fünften Rang alles andere als schlecht beim ELLI-Index ab. Besser platzieren sich nur Dänemark, Schweden, die Niederlande und das gemeinhin als Bildungsmusterschüler geltende Finnland.
Wie aber ist dieses Ergebnis zu bewerten? Erst einmal zeigt es, dass hierzulande nicht nur an Schulen, sondern auch in Bereichen wie zum Beispiel am Arbeitsplatz, in der Familie oder in der Freizeit gelernt wird. In einer zunehmend auf Wissen basierenden Gesellschaft ein überaus begrüßenswertes Ergebnis.

Auf die klassische Bildung bezogen, ist das gezeichnete Bild aber ein weit weniger positives. Denn in der rein schulischen Wissensvermittlung belegt Luxemburg nur mehr den zehnten und damit von allen Unterindizes den schlechtesten Rang. Nachholbedarf besteht also vor allem in Sachen schulische Grundausbildung.

Eine große Überraschung ist dieses Ergebnis sicherlich nicht, offenbarte doch bereits die weitaus bekanntere PISA-Studie im Jahr 2006 große Schwächen im Luxemburger Bildungssystem.

ELLI ist demnach einerseits nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine Bestätigung des Bekannten, andererseits bietet die Studie (auch in Kombination mit anderen Bildungsvergleichen wie PISA) aber durch die gleichzeitige, auf den Lebenszyklus bezogene Klassifizierung des Lernens ein wertvolles, weil komplementäres Instrument.

Vor allem deshalb, weil ELLI das misst, was die 2009 begonnene Schulreform verständlich zu machen versucht: nämlich, dass die Vermittlung von Wissen nur dann sinnvoll ist, wenn dieses auch praktisch, sprich im (alltäglichen) Leben gezielt eingesetzt werden kann.

Tom Wenandy
twenandy@tageblatt.lu