Leitartikel: Rüstung kennt keine Krise

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Krise? Was für eine Krise? Zumindest im Rüstungssektor boomt das Geschäft nach wie vor. / Francis Wagner

In der Automobilbranche mag eine Mehrzahl der Hersteller mit Absatzproblemen zu kämpfen haben. Doch Panzer werden offensichtlich immer gebraucht. Aus dem Jahresbericht des Stockholmer Friedensforschungsinstitutes „Sipri“ geht hervor, dass im Jahre 2008 weltweit vier Prozent mehr für Tötungsgerät ausgegeben wurden als im Vorjahr.
Das ist an sich schon traurig genug. Hinzu kommt aber, dass weniger in absolutes Hightech-Gerät wie Laserkanonen, Tarnkappenbomber und Atomsprengköpfe investiert wird als noch zu Zeiten des Kalten Krieges, was bedeutet, dass umso mehr Geld für „Massenware“ wie Sturmgewehre, Landminen, Präzisionsmunition, Streubomben o.ä. zur Verfügung steht. Für die Sorte Waffen also, denen jahraus, jahrein Hunderttausende Menschen, die meisten davon Wehrlose, zum Opfer fallen. „The Grim Reaper“, wie die Briten seit dem Ersten Weltkrieg das Maschinengewehr bezeichnen, fährt in der Dritten Welt mit deprimierender Effizienz und Regelmäßigkeit seine blutigen Ernten ein. Der reiche Teil der Welt – da, wo die meisten Waffen, mit denen sich die Armen gegenseitig abschlachten, hergestellt werden – ist mal wieder privilegiert. Es bestehen gute Aussichten darauf, dass in Europa der Abrüstungsprozess im konventionellen (also nicht-nuklearen) Rüstungsbereich, der als Konsequenz von Bushs Raketenabwehrphantasien ins Stocken geraten war, infolge des Machtwechsels in Washington wiederbelebt werden kann.

Europa hat es da wohl besser

Weder die Russen noch die Westeuropäer oder die Amerikaner können irgendein Interesse daran haben, Unsummen für Arsenale auszugeben, die so dimensioniert sind, als ob der Kalte Krieg immer noch nicht so richtig der Vergangenheit angehörte. Es besteht kein Zweifel daran, dass uns eine Welt ohne Waffen noch so bald nicht beschert werden wird. Doch mit Präsident Obama werden die USA von einem Mann geführt, der nicht mehr wie sein Vorgänger Bush (und dessen Vize Cheney) die Welt in Kräfte des Lichtes und Kräfte der Finsternis einteilt und alle jene, die er – aufgrund welcher willkürlicher Kriterien auch immer – letzterem Lager zurechnet, permanent mehr oder weniger diskret mit Gewalt bedroht.
Obama macht keinen Hehl daraus, dass die USA auch in Zukunft eine Militärmacht ohne echte Rivalen bleiben wollen. Gleichzeitig hat er wiederholt seine Überzeugung geäußert, dass sich die großen Herausforderungen der Weltpolitik nicht mit den gleichen brachialen Methoden bewältigen lassen, wie sie Wyatt Earp und Doc Holliday einst zur Neutralisierung ihrer Widersacher am O.K. Corral in Tombstone, Arizona, zur Anwendung brachten.
Eine der am meisten ernst zu nehmenden Bedrohungen für den Weltfrieden geht zurzeit aber von Israels rechtsextremistischer Regierung aus. Netanjahu und Lieberman haben beide bewiesen, dass ihnen nicht über den Weg zu trauen ist. Mit einem Überfall auf den Iran könnte Israel die halbe Welt in Flammen setzen. Auch an dieser diplomatischen Front fällt Obama eine große Verantwortung zu. Denn zu erleben, dass sich die EU-Europäer dazu aufraffen könnten, den Israelis einstimmig und unmissverständlich „den Dicks ze riichten“, wird uns vor dem Jüngsten Tag wohl nicht vergönnt sein.

fwagner@tageblatt.lu